Michael Stauffer schreibt pro Jahr ein Buch, zuletzt mit dem entzückenden Titel «Ansichten eines alten Kamels». Kuriose Novellenhandlung, gute Momente – doch wohin will das Buch? Die Frage bleibt offen.
Donnerwetter, denkt, man wenn man den neuen Stauffer auf dem Tisch liegen hat: Der Mann ist produktiv! 2012 erschien «Pilgerreise», 2013 «Alles kann lösen» und jetzt die «Ansichten eines alten Kamels». Wie das so schnell von stattengehen kann, erfährt man im Lebenslauf des gebürtigen Thurgauers auf den ersten Seiten des Buches. Dort heisst es: «Michael Stauffer feilt und forscht mit heller Freude am grossen Staufferwerk.» Freude kombiniert mit Selbstironie und gesundem Grössenwahn, da geht das Schreiben offensichtlich nur so von der Hand.
Dazu passt, was man sich vielleicht beim Lesen des Titels denkt: «Ansichten eines alten Kamels», das klingt wie die Mischung aus einem Kabarettstück und einem Buchtitel von Heinrich Böll.
Ein Brand ohne Opfer
Und irgendwie ist es auch so. Die Geschichte, die Stauffer erzählt, geht ungefähr so: Henri Choffat, ein Mann wie du und ich, bekommt vom sogenannten World Genetic Center in Genf ein Arbeitsverhältnis vorgeschlagen. Weil die Forscher einer mysteriösen These nachgehen, wollen sie von Choffat, dass er für sie sein Leben aufschreibt. Dafür bieten sie ihm 6000 Franken monatlich.
Das lässt sich hören, denkt Choffat, und schlägt ein, zumal da sein Arbeitgeber nicht schimpft, wenn er nichts macht. Alles ist locker. Um Musse zu finden, quartiert sich Choffat in einem Altersheim ein. Irgendwann brennt das Altersheim ab, ohne dass es einen einzigen Verletzten gibt. Dahinter stecken Machenschaften, die hier nicht verraten werden, das Buch jedenfalls wird zunehmend zum Krimi.
Kiffende Rebellen im Altersheim
Klingt doch alles sehr angenehm! Ein wenig verrückt, viel knackiger Stoff auf übersichtlichen 144 Seiten (dicke Bücher, scheint es, sind zur Zeit eher out), und lustig ist es auch. Im Heim gibt es nämlich einen Klüngel von Bewohnern, der die Nase voll hat von der kindischen Betreuung (Sketchgruppe, Lesezirkel, und was der schwierigen Dinge mehr sind). Deswegen treffen sie sich an heimlichen Orten, rauchen Joints, und planen die Revolte.
Henri Choffat soll natürlich mitmachen. Im Gegenzug lässt er die Heimrebellen heimlich an seinen Memoiren mitschreiben. Zum Beispiel über die erste Liebesaffäre. Man kann die Genforscher ja ein wenig necken.
Und so findet er sich gut in seine seltsame Aufgabe. Es entsteht ein Buch in Tagebuchform, in dem sich Kindheitserinnerungen und Anschauungen zu allem möglichen mit Aufzeichnungen von Altrebellen und einem dubiosen Genforschungsinstitut abwechseln.
Wo ist das Problem? Vielleicht ist es zuviel auf engem Raum. Oder der Humor zu vorsätzlich lustig. Und die Krimihandlung zu schnell hinkonstruiert, um spannend zu werden.
Wo will das Buch hin, was ist sein Thema? Die Frage bleibt offen. Um zu den Pointen richtig hinzuziehen, auf die es abzielt, ist es zu flapsig. Und für ein freies Tagebuch ist es, trotz schöner und guter Passagen, nicht interessant genug.