Stereo Total in der Kaserne, Die Sterne im Burghof – erst lesen, dann hingehen

Heute Die Sterne, morgen Stereo Total. Wer nochmals nachhören will, wo der deutschsprachige Indiepop nach der Wendezeit seinen Anfang nahm – dieses Wochenende ist die Zeit dazu.

Noch sind sie cool auf dem Bild, bald aber schon in der Kaserne: Stereo Total.

(Bild: © Stereo Total)

Wer nochmals nachhören will, wo der deutschsprachige Indiepop nach der Wendezeit seinen Anfang nahm – am Wochenende vom 8./9. April spielen Die Sterne und Stereo Total in der Region.

Ehret die Anfänge:

«1992 stehen im Ostteil Berlins in allen Strassen grosse Müllcontainer, in welche die Bevölkerung alles wirft, was sie an ihr früheres Leben im real existierenden Sozialismus erinnert: Schallplatten, Bücher, Fahnen, Kleidung, Möbel. Das gab uns die Idee, uns musikalisch von der Wegwerfgesellschaft inspirieren zu lassen: wir benutzten Instrumente, die niemand sonst wollte, Casios, Vierspur-Kassetten-Recorder, billige Orgeln mit Begleitautomat.»

So klingt das bei Stereo Total, wenn sie zurückblicken auf das Nachwendedeutschland, auf die Aufbruchstimmung in Abbruchräumen.

Stereo Total sind sowas wie der Adel des Berliner Indiepop, sie klangen immer retro avant la lettre und holten sich die Inspiration aus den staubbedeckten Nischen des französischen Yéyé und des Easy Listening, den Überbleibseln der Neuen Deutschen Welle und des Rockabilly.

Was daraus geworden ist, konnte man die letzten zwanzig Jahre im verlässlichen Zweijahresrhythmus feststellen, wenn das Duo Françoise Cactus und Brezel Göring wieder genug Material für ein neues Album hatten. Zum Beispiel gerade jetzt, «Les Hormones», Album Nummer Zwölf.

 

Dass sich die Überraschungen darauf nur noch in Nuancen offenbaren, ist bei dem Duo, das nicht nur Band, sondern auch Partnerschaft teilt, nicht weiter tragisch: Die Low-Fi-Tafel von Stereo Total war schon immer reich gedeckt mit skurrilen Geräuschen, lustigen Melodien – und gutem Humor sowieso.

 

Die Sterne in Lörrach



In der Kaserne zu hören: DIE STERNE, Christoph Leich (Schlagzeug), Frank Spilker (Gesang, Gitarre) und Thomas Wenzel (Bass) (v.l.n.r.).

In der Kaserne zu hören: DIE STERNE, Christoph Leich (Schlagzeug), Frank Spilker (Gesang, Gitarre) und Thomas Wenzel (Bass) (v.l.n.r.). (Bild: © Die Sterne)

Nicht minder gilt das für Die Sterne aus Hamburg, die Freitagabend ein paar Kilometer nordwärts am Festival «Between The Beats» in Lörrach spielen. Die Sterne entstammen der bis heute für deutschen Pop stilbildenden Epoche der «Hamburger Schule». Und besetzen in ihr doch ein eigenes Zimmer: Anders als die Kameraden von Tocotronic und Blumfeld wuchsen sie nicht aus dem Erbe des Punk, sondern frönten einer auf norddeutsche Betriebstemperatur runtergekühlten Variation aus Soul und Funk.

Kurz erreichten Die Sterne die Schwelle zum Durchbruch, wirklich überschritten haben sie diese jedoch nie, was der Motivation der Band keinen Schaden bereitete. Platten machen sie bis heute ziemlich gute, und noch immer hört man von Sänger und Texter Frank Spilker manche der besten One-Liner nördlich des Rheins. Vor drei Jahren hat Spilker sich erstmals an der Langversion des Romans versucht, was die Kritiker nicht wirklich honoriert haben.

Das Thema des Romans – der resignative Rückzug vom grossen Lebensentwurf, nachdem man die notwendige Jugendlichkeit für die Kreativbranche verloren hat – liest sich jedoch wie eine Parabel auf die weiter ratternden Karrieren von Bands wie Die Sterne und Stereo Total: Auch wenn die Aufmerksamkeit längst weiter zu den Jüngeren gezogen ist und der Übertritt ins Feuilleton nicht richtig gefruchtet hat, bleibt die Mischung aus Spass und Ernsthaftigkeit an der Sache weiter da. Das soll man würdigen – und hingehen.

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