«Stimmen» 2014 ist lanciert

Mehr als 1000 Besucher strömten gestern in den Burghof Lörrach, zur Eröffnung des «Stimmen»-Festivals 2014. Auf der Affiche stand die bestbekannte US-Band Calexiko und die britische Singer-Songwriterin Lucy Ward.

Stimmen 2014 Er�ffnungskonzert mit Lucy Ward und Calexico. Foto Juri Junkov Haagener Str. 35a 79599 Wittlingen Tel.: 07621 140962 Mobil: 0171 7410128 www.junkov.com (Bild: Juri Junkov)

Mehr als 1000 Besucher strömten gestern in den Burghof Lörrach, zur Eröffnung des «Stimmen»-Festivals 2014. Auf der Affiche stand die bestbekannte US-Band Calexiko und die britische Singer-Songwriterin Lucy Ward. Ein stimmungsvoller Abend.

Der Auftakt zum diesjährigen «Stimmen»-Festival ist zunächst von Abschieden geprät: Fast zwanzig Jahre lang hat Gudrun Heute-Bluhm (CDU) den musikalischen Grossanlass als Oberbürgermeisterin von Lörrach begleitet und mit ihrem Rückhalt auf politischer Ebene dazu beigetragen, dass die badische Grenzstadt ein Sommerfestival aufbauen konnte, das weit über die Kommunal- und Landesgrenzen hinausstrahlt. Jetzt steht sie zum letzten Mal vor den geladenen Gästen, von Festivalchef Markus Muffler augenzwinkernd als «Hauptact» der Ansprachen angesagt. Im August wechselt Heute-Bluhm die Bühne, zieht weiter nördlich, in die Landeshauptstadt Stuttgart.

Elton John in Lörrach:
Noch immer Tickets erhältlich

Von den «Stimmen»-Konzerten 2014 ist bereits eines im Vorfeld ausverkauft: The BossHoss werden am 24. Juli vor 5000 Fans auftreten.
Für die anderen Marktplatz-Konzerte sind noch Tickets erhältlich, wie Sven Jakobson von «Stimmen» auf Anfrage sagt. Das gilt auch für Elton John, der am 23. Juli sein für 2013 vorgesehenes Konzert nachholen wird. Alle Programminfos und Tickets können online abgerufen werden:
www.stimmen.com

Ganz hinten im Saal hört ihr ein Basler Berufskollege zu, dessen Abschied ebenfalls bevorsteht: Regierungsrat Carlo Conti nimmt einen seiner letzten offiziellen Anlässe wahr und letzte Grüsse der Oberbürgermeisterin entgegen.

Lörrach kann stolz sein auf sein Festival

Heute-Bluhm ruft die Bedeutung des Festivals in Lörrach in Erinnerung, denkt zurück an die Anfänge, als der Marktplatz mit Open-Air-Konzerten beschallt wurde – ein Platz notabene, auf dem kurz vorher noch der Autoverkehr den Ton angegeben hatte. Heute ist das Zentrum des 50’000-Seelen-Städtchens eine lebhafte Fussgängerzone: Die Stadt Lörrach hat sich mit dem «Stimmen»-Festival entwickelt und das soll auch so bleiben, wünscht sich Heute-Bluhm doch, dass dem Anlass auch in Zukunft das Vertrauen ausgesprochen wird – und die finanzielle Unterstützung. 

Eine klare, starke Stimme wie Joan Baez

Vor 20 Jahren führte Helmut Bürgel das erste «Stimmen»-Festival durch, präsentierte mit Joan Baez gleich eine Woodstock-erprobte Sängerin auf der Affiche. Zur Eröffnung des 21. Festivals kündigte Bürgels Nachfolger Markus Muffler die britische Singer-Songwriterin Lucy Ward an, der man durch ihre Folksongs und ihre klare Stimme durchaus eine Artverwandschaft mit Baez attestieren kann. Die 25-jährige Britin tritt im Duo auf, begleitet von einer Violinistin, die Geigentöne fliegen lässt und währenddessen auch noch die zweite Stimme singt. Beeindruckend.

Zwar haben noch nicht alle Songs der jungen Musikerin die höchste Dringlichkeit, auch nutzen sich die lyrischen Violinenklänge auf Dauer ein bisschen ab. Aber mit erfrischenden Ansagen – frei von der Leber, sehr aufgeregt – erobert Lucy Ward die Herzen des Publikums. Der melancholischen Grundstimmung ihrer Songs bewusst, sagt sie gegen Ende ihres Sets denn mit feinem Humor: «You’ll be pleased to know, that the next song is a happy tune.»     

Ein allzu routinierter Hauptact

Während Lucy Ward in ihren Ansagen jugendlichen Ubermut und pure Begeisterung herausprustet, wirken Calexico an diesem Abend streckenweise allzu abgeklärt und routiniert. Ja, in Anlehnung an den Begriff der Übergangsalben scheint es uns fast, als gäben Calexico ein Übergangskonzert.

Die Band aus Arizona hat ihr aktuelles Album «Algiers» extensiv promotet, sich vor zwei Jahren auch in unserer Region dafür feiern lassen, bei einem wunderschönen Konzert im Basler Volkshaus. Und auch wenn der Calexico-Zug seither immer rollt und rollt und rollt (wie dies in einem Intro akustisch verdeutlicht wird), scheint es uns, als lodere das Feuer von Chefmaschinist Joey Burns und Co. zur Konzertmitte eher, als dass es brenne.

Das mag auch der Setliste dieses Abends geschuldet sein, die 15 Minuten lang einen Durchhänger hat – und dafür sorgt, dass leider auch die Euphorie etwas abklingt. Eine Euphorie, die zu Beginn riesig ist, als die Band die Bühne betritt. Das Publikum ist ihnen ganz ohne Zweifel so warm gesonnen wie ein Nachmittag in der Wüstenregion der USA.

«Congratulations, Weltmeisters!»

Weil Calexico schon vor dem ersten Ton frenetisch begrüsst und bejubelt werden, kontert Frontmann Joey Burns gleich zu Beginn: «Nein, wir sollten euch applaudieren: Congratulations Weltmeisters!»

Später erwähnt er in einer seiner wenigen Ansagen, dass die Band das Finalspiel in Athen mitverfolgt habe. Mag sein, dass Calexiko mit reichlich Ouzo mitgefeiert hatten und noch ein bisschen müde sind, auf jeden Fall spielt die Band zwar ein konzentriertes Set, aber der Exploit, die Begeisterung, die das Septett ansonsten auf die Bühne bringt, wirkt diesmal verhaltener.

Die stilsicheren Rotationen auf der Bühne faszinieren hingegen wie immer – Martin Wenk spielt nebst Trompete auch Vibrafon, Keyboards, Akkordeon oder Gitarre, alles gleichermassen souverän. Chapeau.

Latinsounds und Countrygitarren

So gross die stilistische Vielfalt von Calexico auch ist, jener Band, die mit Wüsten-Folk begann und mittlerweile vom Cha cha cha in «Inspiración» über Salsa-Grooves bis zum Gitarren-Rock in Springsteen’scher Manier ein breites Klang-Spektrum abdeckt. Am stärksten sind sie, wenn sie uns, angeführt von Burns‘ Gesang, zur Endstation Sehnsucht mitnehmen, wenn wir den Schweiss auf unserer Stirn zu spüren glauben, die sengende Sonne sehen und uns in ihrer filmreifen Musik verlieren.

Solche Augenblicke voller Sehnsucht, Fernweh und Leben entschädigen für die zwei, drei vernachlässigbareren Songs in ihrer Setliste. Immer wieder gelingt es Calexico so in herrlichen Stücken wie dem schunkelnden «Across The Wire», den Stacheldraht entlang der amerikanisch-mexikanischen Grenze niederzureissen, countryeske Lapsteel-Gitarre mit Mariachi-Trompeten zu vereinen.

Dass die Band in ihren gut 90 Minuten nicht durchgehend elektrisiert, so wie sie das bei früheren Gastspielen in Basel und an «Stimmen» tat, mag vielleicht daran liegen, dass sich eine Tour-Routine eingeschlichen hat. Denkbar also, dass Calexico ihre Batterien aufladen – und sich mit ihren Songs auch wieder selber stärker überraschen müssen. 

Dennoch stellt dieser Festivalauftakt jenen vor einem Jahr ganz klar in den Schatten. Damals lockte Acid-Jazz-Sängerin Carleen Anderson bedeutend weniger Zuschauer an, sie gab sich auch sparsam in der Besetzung (Trio) und hinterliess einen durchzogenen Eindruck.

Britisches der Amerikaner

Calexico hingegen stehen mit ihrer Musik, so traditionelle Elemente sie auch enthält, in der musikalischen Gegenwart, geben sie dem multikulturellen Amerika doch eine wichtige Stimme: Wenn Trompeter Jacob Valenzuela in spanischer Sprache singt, dann ist ein Tex-Mex-Feuer unterm Dach. Und Burns Leadgesang wird oft um die zweite Stimme (jene des Kontrabassisten Ryan Alfred) ergänzt, was sich sehr schön anhört, sehr schön schwelgerisch auch.

Ein bisschen schwelgen können am Ende auch noch die Britpop-Fans: Calexico covern gleich zwei Songs, die man dieser Südstaatengruppe nicht zwingend gegeben hätte: «Bigmouth Strikes Again» von The Smiths und – unverwüstlich, einfach unverwüstlich – «Love Will Tear Us Apart», im Original von Joy Division, welches sie mit ihrem eigenen Song «Not Even Stevie Nicks» kreuzen.

Sehr schöne Idee. Ebenso schön später dann die letzte Zugabe dieses Abends: Güero Canelo, voller Verve, voller Latin-Anleihen. Ay, caramba!

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