Samstag ist für viele Faulenzer-Tag, doch das geht auch anders. Zwei Künstlerinnen laden zu einem Stadtrundgang ein, auf den Spuren von Geschichtenerzählern. Da verfliegt der Samstagstrott sofort.
Samstag ist Faulenzer-Tag. Man schlendert durch die Stadt, besucht ein paar Flohmärkte, isst viel Kuchen und strengt sich möglichst wenig an. Wieso eigentlich? Genau das scheinen sich Ariane Koch und Sarina Scheidegger auch gedacht zu haben und drehten den Spiess um: Aus dem wochenendlichen Akt des Spazierens machten sie eine Kunstperformance, die sich ganz praktisch während des Samstagsbummels abschreiten lässt.
Das Prinzip: Acht Autoren schreiben zusammen an einem Text über das Spazieren. Heraus kommt eine Geschichte mit vielen Facetten und Richtungen, mit den unterschiedlichsten Gedanken übers und ums Spazieren in Basel. Die Textteile wandern weiter in die Hände von Performern, die die Geschichten aufnehmen und in den Stadtraum tragen.
Die Stadt wird zum performativen Raum, man erkennt nicht mehr, was Performance und was alltägliche Handlung ist. Alle Akteure werden abwechselnd zu Suchenden, Gefundenen, Verlorenen, Verfolgten, Verfolgern. So lautete jedenfalls das Versprechen auf der Einladung. Wir liefen also los und machten uns auf die Suche nach den Performern, die wir sinngemäss Fritze nannten:
1. Station: Messeplatz – Brillenfritz im Messe-Schutt
Ein junger Fritz mit Brille und Trichter zum reinbrüllen steht auf dem Messeplatz und erzählt die Geschichte von B. und K. Es geht ums Spazieren und darum, dass K. dazu überaus unqualifiziert ist, da sie stets zuviel labert. Brillenfritz labert auch viel, aber es klingt sehr gut. Ein paar Minuten geht es um Masseneinwanderung und einen Herrn Regenguss mit einem Mantel, der die Regentropfen aufsaugt. Dann versteckt sich Fritz im Stadtplan-Schild-Dreieck und ruft nach Regen. Ein älterer Mann läuft vorbei und schimpft vor sich hin: «Schon wieder so ein Arschloch, dass überall rumbellen muss.»
2. Station: Mattenstrasse – Murmelfritz (mit Verfolgerin)
Dieser Fritz läuft ganz in sich versunken die Mattenstrasse hinab, fast erkennt man ihn nicht, man muss ganz nah an ihn ran, um zu verstehen, was er vor sich hinmurmelt: «Städte gentrifizieren, reparieren, verlieren, verschanzen, verwanzen…» Ein anderer Fritz sprintet plötzlich vorbei, so schnell, dass man ihr nur einen Wimpernschlag lang registriert und schon ist er wieder verschwunden in Richtung Musicaltheater.
3. Station: Riehenstrasse – Kletterfritz, Fritz der Herzen
Unser Lieblingsfritz. Kaum sieht er uns, springt er schwungvoll von der Wand, stellt sich ans Strassenschild und hält einen Monolog darüber, wie ihn B. dazu angestachelt habe, mit K. spazieren zu gehen und wie er während des Spaziergangs log, dass sich die Balken bogen und die ganze Zeit auf Tiere zeigte, die gar nicht da waren. Zum Beispiel Wiesel. Nach 5 Minuten sagt er: «Ich mach mich auf die Socken, wartet nicht mit dem Abendessen auf mich!» Und huscht ums Eck.
4. Station: Münsterfähre – schwankende Geschichtenfritze
Auf der Fähre haben sich gleich drei Fritze eingerichtet. Ein Fritz steht und erzählt inbrünstig die Geschichte von sich und einer gewissen Susanne. Das Wiesel kommt wieder vor. Der Herr mit den Regentropfen im Mantel auch. Die anderen zwei sprechen nach. Einer hätte gereicht, aber konzentrieren kann man sich sowieso nicht so ganz, denn am anderen Ufer, auf der Treppe zum Münster steht bereits der nächste Fritz und ruft etwas in den Brülltrichter.
5. Station: Münster – Duo Fritz
Ganz schön viel Fritz rund ums Münster. Unten an der Treppe steht der mit dem Brülltrichter mit einem Kumpanen und ruft: «Gang! Band! Verbündete!» oder so ähnlich. Die Menschen auf der Münsterterrasse schauen gebannt hinunter.
6., 7., 8. Station: Freie Strasse, Barfüsserplatz, Kohlenberg: Welt ohne Fritz
Auf dem Barfüsserplatz, am Leonhardsgraben und auf dem Kirchplatz sind leider keine Fritze mehr zu sehen. Alle abgehauen ins Kleinbasel oder St. Alban-Tal, scheint es. Schade eigentlich, etwas mehr Fritz täte auch hier gut.
Am Ende haben wir nie erfahren, ob der Herr mit dem Regenmantel für oder gegen die Masseneinwanderungsinitiative war. Oder ob K. jemals von ihrer Spazier-Unfähigkeit erfuhr. Oder was es mit diesem Wiesel auf sich hatte. Aber das ist nicht weiter schlimm: Wie versprochen suchten und verfolgten wir, verloren uns (des Öfteren – die Karte war, wohl nicht ganz unbeabsichtigt, ziemlich unübersichtlich) und fanden viele tolle Akteure, Gesten, Worte und Geschichten rund um die Stadt und auch: um den Samstagstrott herum. Anstrengend wars nicht, dafür eine willkommene Abwechslung zum drögen Standard-Samstagsprogramm. Mehr davon!