In der Basler Musikszene galten The bianca Story lange als Versprechen für die Zukunft. Bei ihrem Heimspiel in der Kuppel demonstrierten sie eindrücklich, dass dieses Urteil überholt ist: Sie sind ein Versprechen für die Gegenwart.
Die Kuppel brannte am Freitagabend erneut. Allerdings wurde das Zelt diesmal nicht von einem äusseren Feuer erfasst, sondern glühte im Innern: The bianca Story, derzeit auf Tour mit ihrem zweiten Album «Coming Home», gaben ein Heimspiel. Vor vollem Haus. Und unter dichtem Dach. Das Konzertlokal, das vor einer Woche durch einen Brand «angeschmürzelet» worden war, bestand den Härtetest: Volle Hütte, kein Problem.
Repetitiver Elektropop
Als Warm-Up spielten LaFayette auf, ein lokales Duo an Synthies/Programming und (oft funky) E-Gitarre, dem ein hervorragender Ruf vorauseilt: Diesen vermochte es aber nicht ganz zu bestätigen. Die Musik von LaFayette beruht auf Pattern-Varianten, man könnte die Einflüsse auf den reduzierten Elektropop von Kraftwerk zurückführen und die Ambient-Klangschichten auf das Frühwerk von Brian Eno. Doch vermisste man in einigen Nummern konzeptuelle Stringenz, die solche repetitiven Pattern zwingend verlangen, um das Publikum bei Laune zu halten.
Variationen dürften noch pointierter eingesetzt werden, auch hätte man sich über mehr dynamische Überraschungsmomente gefreut. Zumal LaFayette gänzlich auf die Möglichkeit einer Performance verzichteten, etwa in Form von Visuals.
Willkommene Abwechslung
Eine willkommene Abwechslung war da die Einbindung von Lena Fennell, die in einem atmosphärischen Stück im Hall verloren summte, in einem zweiten einen Melodiebogen spannte, der in Kombination mit Beats und Sounds an Morcheeba in ihren frühen (und stärkeren) Trip-Hop-Tagen erinnerte.
Obschon LaFayette auf Dauer nicht mitrissen, sollte man sie unbedingt im Auge und im Ohr behalten: Ist es doch durchaus denkbar, dass ihre Musik eindringlicher eingefahren wäre, wenn sie nicht als Opener eines Konzertabends, sondern später erst, als Soundtracklieferanten zur Aftershow-Party, aufgetreten wären. Womöglich hätten sie sich beflügeln lassen und mit ihrem Elektropop eine ganz andere Sprengkraft erreicht, wenn das Publikum bereits in ausgelassener Tanzlaune gewesen wäre.
Erfolgreicher Härtetest
Nach einer Umbaupause betraten The bianca Story die Bühne und gaben ihr zweites Heimspiel in diesem Jahr: Im Januar feierten sie in privaterem Rahmen bereits ihren Albumrelease in Birsfelden, jetzt folgte der Härtetest bei ihrem öffentlichen Gastspiel in der Kuppel. Dieses, soviel vorweg, wurde zum Triumph.
The bianca Story haben ihre Talente stärker gebündelt . Und die Leadgesänge sind im Vergleich zu ihren Anfängen ausgewogener verteilt. Herrlich, wie sich Elia Redigers Bariton mit der nicht weniger herausragenden Stimme von Anna Waibel ergänzt. Das erinnert unsereinen an The Human League oder an Iggy Pop und Kate Pierson (von den B52’s), an Duette, die am Radio erschallten, als diese fünf Basler Musiker hier gerade mal gezeugt wurden.
Umso herrlicher, dass The bianca Story auf ihrem eigenen Weg ein qualitatives Level erreicht haben, mit dem sie sich wirklich nicht vor internationalen Vergleichen scheuen müssen. Man kann die Basler in den poppigsten Momenten (etwa zu Beginn des Sets) neben der leichten Fröhlichkeit der skandinavischen Alphabeat einreihen, gegen Ende breiten sie ihre Chöre gar in epischer Nähe von Arcade Fire aus.
Bestechende Gesänge
Völlig nachvollziehbar daher auch, dass Tim Renner von Motor Music Deutschland zugepackt und diese Band unter Vertrag genommen hat. Wünschenswert, dass sie ennet der Landesgrenzen erhört werden. Zumal nicht nur ihre Performance, sondern auch die Lieder selbst überaus catchy sind: Bereits in den ersten Songs fällt auf, dass das Etikett Artpop im Grunde überholt ist, sich die biancas stärker dem sehnsüchtigen Pop angenähert haben – und diesen gar mit einem Schuss Gospel anreichern. So sticht ihr alter Hit «Paper Piano» im Repertoire heutzutage heraus, vom entschlackten, reduzierten Arrangement und den takt(isch)-neckischen Einschüben haben sie sich weitgehend verabschiedet.
Die neueren Lieder sind stärker auf Pop getrimmt, verdichtet und doch nicht monoton; dafür sorgen insbesondere harmonisch clever eingeschobene Gesangsvariationen, in denen wir Gospel und Soul heraushören. Diese Mischung aus (obacht: Pophistoriker-Jargon!) instrumentalen Fundamenten aus Disco sowie britischem Synthie-Pop der 80er-Jahre, kombiniert mit beseelten Chorgesängen, die in der afroamerikanischen Tradition verwurzelt sind, führt zu einem eigenen Klangbild, das das Herz erwärmt und in die Beine fährt. Eine bestechende Kombination.
Lineare Klangschichten
Wenn man heute noch etwas kritisieren kann, dann sind es die Arrangements, die meist linear den Gesangslinien folgen und sich harmonisch in einer dicken Klangschicht überlagern. Dass Kontrapunkte für willkommene Farbtupfer und für mehr Spannung im Arrangement sorgen würden, konnte man vereinzelt erahnen: Etwa wenn Fabian Chiquet mit einer Gegenmelodie auf dem Synthesizer die Linearität aufbrach und so das dichte Klangbild räumlich erweiterte.
Ansonsten aber schöpfen The bianca Story ihr Potenzial im Jahr 2012 wunderbar aus. Kein Vergleich zu ihrem BScene-Auftritt vor fünf Jahren, als wir eine Band erlebten, die zwar selbstbewusst und ideenreich auf die Kasernen-Bühne schritt, aber deren Songwriting-Qualität noch merklich der durchkonzipierten Attitüde hinterherhinkte.
Reife Leistung
In der Kuppel wurde man sich nun gewahr, wie hart diese Band gearbeitet hat, wie sehr sie in den letzten Jahren ihren Ideenreichtum bündelte und ihr Manko aus den Anfangstagen, als die Verpackung weiterentwickelt war als der Inhalt, behoben hat. Eine reife Leistung.
The bianca Story – ein Versprechen für die Zukunft? Das war einmal. Heute sind sie ein Versprechen für die Gegenwart.