Das Theater Basel und das Schauspielhaus Wien tauschen ihre Spitzen aus: Der Basler Schauspiel-Co-Direktor Tomas Schweigen übernimmt die Nachfolge von Andreas Beck als Direktor des Schauspielhauses Wien, der seinerseits ab 2015 das Theater Basel leiten wird.
Das Direktorenkarussel in der Theaterlandschaft dreht sich munter, doch so etwas gibt es eher selten: Das Schauspielhaus Wien und das Theater Basel tauschen ihre Direktoren aus: Wie schon länger bekannt ist, übernimmt der Wiener Schauspielhausdirektor Andreas Beck ab 2015 die Leitung des Theater Basel, während der Basler Co-Schauspieldirektor Tomas Schweigen nun in Wien zu Becks Nachfolger erkoren wurde, wie der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny heute Mittwoch bekannt gab.
Beide Ernennungen sind von einer speziellen Komponente geprägt: Mit Andreas Beck kommt ein ausgewiesener Schauspielspezialist ans Basler Dreispartenhaus, der bislang nur sehr wenig praktische Erfahrung mit der Opern- und Ballettsparte vorzuweisen hat. Und mit Tomas Schweigen übernimmt ein Mann, der sich vor allem dem nichtliterarischen Projekttheater verschrieben hat, die Spitze des Wiener Hauses, das sich bislang vor allem als Autorentheater profilierte.
Verschroben-hintersinniges Projekttheater
Ein Namen in der Theaterszene machte sich der 1977 in Wien geborene Tomas Schweigen als Mitgründer, Regisseur und Musiker der freien Zürcher Theatergruppe Far A Day Cage (FADC). Zusammen mit einem festen Stamm von Schauspielerinnen und Schauspielern sowie Ausstatter entwarf er verschroben-hintersinnige Weltentwürfe für die Bühne. Die junge Truppe avancierte damit zu einer der interessantesten Positionen der freien Szene, …
… bis sich Schweigen überreden liess, sich ab 2012 als Co-Leiter des Schauspiels am Theater Basel fest an ein Haus zu binden. Zusammen mit seiner Truppe, die er ins Schauspielensemble mit einbettete und die er als mehr oder weniger geschlossene Group in Residence walten liess.
Beengendes Stadttheater-Korsett
Dieses Experiment führte bislang zu durchzogenen Resultaten. Die FADC-Truppe blieb mit ihrem überbordend fantasievollen Umgang mit Themen, die sie für die Stadttheaterbühne bearbeiteten, oftmals im Formellen stecken. Das Resultat war ein Theater, das von der Grundidee, der Form und von der Präzision des Spiels her faszinierte, inhaltlich zuweilen aber ziemlich wenig auszusagen hatte. Das Stadttheater erwies sich trotz oder vielleicht gerade wegen seiner strukturellen und finanziellen Möglichkeiten als einengendes Korsett für die ehemals freien Theaterleute.
Dass Tomas Schweigen nun das Wiener Schauspielhaus übernimmt, beinhaltet die Chance, dass sich der Vollbut-Theatermann als Regisseur auch von literarischen Stoffen neu profilieren kann. «Es ist ein Theater mit Geschichte und nach der leidenschaftlichen Arbeit der Teams um meine Vorgänger (…) möchte ich mich nun meinerseits mit Leidenschaft und Freude in diese Herausforderung stürzen und der Geschichte ein weiteres unverwechselbares Kapitel hinzufügen», lässt sich der designierte Direktor in der Medienmitteilung des Wiener Kulturstadtrats zitieren.
Neuausrichtung in Wien
Die Wahl von Tomas Schweigen kann aber auch als ein Zeichen für eine Neuausrichtung des Wiener Schauspielhauses gewertet werden. «Das Schauspielhaus Wien soll weiterhin Autoren-, Ensemble- und Künstlertheater sein», heisst es in der Medienmitteilung einerseits. Aber: «Es muss sich aber der zunehmenden Diskussion der Definition von Autorenschaft, der Struktur und Aufgabe eines ‹Stadt-Theaters›, modernen Produktionsweisen und neuen Formen der künstlerischen Zusammenarbeit öffnen.» Und für diese Ziel ist Schweigen sicherlich keine schlechte Wahl.
Auch in Basel erhofft man sich von Andreas Beck eine Neuausrichtung: Mit der Wahl des Schauspielspezialisten setzte die Theaterverwaltung ein deutliches Zeichen dafür, dass die Sprechtheatersparte am hiesigen Dreispartenhaus gestärkt werden kann.