Gäbe es den Titel «Fela Kuti Ghanas», dann stünde er diesem Mann zweifelsohne zu. Der Gitarrist Ebo Taylor hat seit einem halben Jahrhundert Highlife, Afrobeat und den Stilreichtum seiner Heimat progressiv und funky ausgelotet. Die Afro-Retrowelle hat ihn nun auch in Europa ins Bewusstsein gehoben. Am Freitag gastierte er in der Kaserne Basel.
Vor zwei Jahren hatte er sich am Rheinknie schon einmal angekündigt, doch dann musste das Konzert kurzfristig abgesagt werden – wegen Visaproblemen, hiess es. Dieses Mal hat es geklappt: Mit samt seiner Berliner Band Afrobeat Academy beehrte der 74jährige Altmeister Ebo Taylor die Kaserne, die ihn als Höhepunkt von einigen Afro-Konzerten präsentierte. Dass der funky Sound vom schwarzen Kontinent universell geworden ist, dafür gab es erst mal Anhörungsunterricht mit dem Support Act Professeur Wouassa. Die elfköpfige Combo aus Lausanne heizte mit einer Mischung aus Afrobeat, senegalesischen Talking Drum-Rhythmen und poppigeren Tönen ein, auch wenn sie mit ihrer Vokalriege nicht immer auf der Höhe war. Die Pause nach dem Vorglühen geriet dann leider etwas lang. Dann endlich, schon nach Mitternacht, kommt Ghanas größte lebende Legende auf die Bühne – und setzt zunächst mal modische Akzente.
Gelbrote Gitarre und Pepita-Hut
Ebo Taylor ist in einen phantasievollen grünen Darshiki gekleidet, dazu passt in schreiendem Rot und Gelb seine E-Gitarre, ein Pepita-Hütchen krönt das Haupt. Trotz später Stunde zeigt sich der Gitarist und Sänger quicklebendig und er hat Spaß bei der Arbeit: Seine Mimik ist leutselig, stets liegt ein Lächeln auf seinen Lippen, ab und an hebt er den Blick empor, rollt die Augen. Von Altersschwäche keine Rede.
Man muss sich das einmal vorstellen: Dieser Mann hatte schon seine erste Band, als Ghana gerade in die Unabhängigkeit steuerte und Kwame Nkrumah Staatschef wurde, 1957 war das. Taylor ist somit auch ein Chronist der Musikgeschichte Westafrikas. Er hat als Jugendlicher der süßen Palmwine-Musik gelauscht, war zugleich von US-Idolen wie Wes Montgomery beeinflusst. Im Austausch mit dem nigerianischen Kollegen Fela Kuti leitete er dann die funkige Weiterentwicklung des Highlife in die Wege, jener Popmusik, die sich aus Palmwineklängen und Swing-Bigbands nährte. Dass Ebo Taylor im Seniorenalter erstmals überhaupt im deutschsprachigen Raum tourt, ist der neuen Begeisterung für die patinabesetzten Sounds aus Afrika zu verdanken. Seine alten Platten sind Kult, gehören zum Kanon der Rare Groove-Gemeinde. Die Berliner Afrobeat Academy, eine jener Bands, die sich dem Retrosound verschrieben haben, traf vor wenigen Jahren bei einem Konzert in Accra auf ihn, seitdem ist das eine generationenübergreifende marriage made in heaven.
Messerscharfe Bläser, glasig-flirrende Orgel
Wie sich auch an diesem Abend zeigt: Die sieben Mannen um Gitarrist J. Whitefield und Saxophonist Ben Abarbanel-Wolff grooven souverän und präzise. Sie beherrschen die Kunst, dieses unvergleichlich synkopische Geflecht aus nagenden Gitarrenriffs, die parallel mit dem schiebenden Bass gehen, quergelegten Drumpatterns und messerscharfen Bläsereinlagen nicht nur zu reproduzieren, sondern mit neuem Leben zu füllen. Physischer Einsatz kommt dabei lediglich vom an der Bühnenkante sitzenden Perkussionisten Eric Sunday Owusu, der seine Rastazöpfe wild fliegen lässt, und vom Drummer Ekow Alabi Savage, der sich mit fetter Sonnenbrille und einer Art goldenem Pharaonenhut ausgestattet hat. Heimlicher Star der Band ist Henry Taylors Vox-Orgel, die mit ihren glasig-flirrenden Sounds immer wieder an einen Streifzug über den Jahrmarkt denken lässt.
Ungewöhnliche Hakenschläge
Was Ebo Taylor im Kreise dieser akkurat agierenden Herren veranstaltet, ist abenteuerlich und könnte als verschroben durchgehen: Er war nie ein großer Sänger vor dem Herrn, doch bei der kehligen Inbrunst, mit der er seine Texte in der Landessprache Twi und auf Englisch dem Publikum entgegenschleudert, verzeiht man so manche Brüchigkeit und fehlgeleitete Intonation. Und dann seine solistischen Einlagen auf der Gitarre, etwa im packenden «Mizin»: Er liefert seltsam verstolperte, überhastete Licks, hält dann imer wieder inne, als besinne er sich auf den weiteren Fortgang, und bekommt dann über ungewöhnliche Hakenschläge mit – gewollt? – skalenfremden Tönen immer noch melodisch erfindungsreich die Kurve.
Palmweingetränkte Melancholie
Ganz nebenbei ist dieses Konzert auch noch eine Lektion darin, dass Fela Kuti mit seinem wütenden, politisch und frivol aufgeladenen Stücken zwar die größte internationale Wirkung unter den Westafrikanern erzielte, dass die Weichen für seinen Erfolg jedoch in Ghana gestellt wurden: «Afrobeat ist doch nur eine extrahierte Form von Highlife», so Taylors Maxime. In der Tat scheint der ghanaische Vorläufer variationsreicher als der nigerianische Abkömmling: Taylor und die Academy gehen auch mal preschend in rockige Riffs hinein, wie in seinem berühmten Instrumental «Victory», zu dem er angriffslustig die Faust reckt. Und bei aller Funkyness scheint, wie in einem seiner größten Klassiker «Love and Death», noch immer die süffige, palmweingetränkte Melancholie durch, die von der Orgel mit fast schon klebrig-dicken Akkorden gestützt wird.
Nicht wütend, sondern warmherzig haben Taylor und seine Berliner «Adoptivkinder» in einer eiskalten Nacht den tropischen Funk glühen lassen – er dürfte in Basel nun einige neue Anhänger gefunden haben.