Vor 20 Jahren starb Tupac Shakur, als die Fehde zwischen East- und Westcoast im US-Rap mit Waffen ausgetragen wurde. Sein Nachlass im Rap wirkt bis heute – bald auch im Kino.
In einer stickigen Herbstnacht im September 1996 rollte eine schwarze Limousine durch den Verkehr von Las Vegas, als an einer Kreuzung ein weisser Cadillac aufschloss. 13 Schüsse fielen. Am Steuer der Limousine wurde Suge Knight, Hip-Hop-Produzent, von einer Kugel am Kopf gestreift und riss den Wagen sofort herum.
Sein Beifahrer versuchte sich auf den Rücksitz zu retten, doch vier Kugeln trafen ihn, eine in die Brust, mitten durch den rechten Lungenflügel. Als die Limousine im nächstgelegenen Krankenhaus eintraf, versetzten die Ärzte ihn sogleich ins künstliche Koma, aber jede Hilfe kam zu spät: Sechs Tage später, am 13. September, verstarb Tupac Shakur im Alter von 25 Jahren.
«2Pac»! Noch 20 Jahre später verströmt dieser Name eine Legendenaura wie kaum ein zweiter im Hip-Hop. Der Rap von Tupac Shakur war hart und gewalttätig wie sein Leben, das er ohne Vater begann und das geprägt war von mehrfachen Umzügen, Randschichten-Existenz, Strassengewalt und Drogendealerei – aber auch von Poesie.
Bei Shakespeare in die Schule
In seinen besten Jahren als Jugendlicher, als er einige Jahre in Baltimore an einer Kunstschule eingeschrieben war, lernte er Shakespeare kennen und bewundern – den Dichter und die menschlichen Abgründe, die in dieser alten Sprache klafften: Gangrivalitäten bei Romeo und Julia («some serious ghetto shit», sagte er über die berühmte Liebesfabel), Korruption durch Macht in Macbeth.
Im kurzen Leben von Tupac hatte beides Platz: Er sass im Gefängnis wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung, er lieferte sich Schiessereien mit der Polizei – und er machte darüber Platten in einer Sprache, die hinter dem harten Schlag Blicke in Wut, Verzweiflung und andere innere Dämonen freilegten.
«Me Against The World», sein drittes Album, war in dieser Hinsicht sein Befreiungsschlag. Titel wie «So Many Tears» sinnierten introspektiv über eine Welt nach, die junge Leben nutzlos der Gewalt zuführen, in «Lord Knows» fanden gar Selbstmordgedanken Eingang. Eine deutliche Abkehr von der Rohheit des Streetrap, den er – und andere, aber vor allem er – zur prägenden Marke des Hip-Hop erhob.
«Soul-searching» nennt man solche Einkehrplatten, und dass Tupac zur Zeit, als das Album veröffentlicht wurde, noch im Gefängnis sass, hat dem Nimbus von «Me Against The World» sicherlich nicht geschadet. Das Album war die erste Platte zuoberst in den US-Charts, deren Interpret hinter Gitter war.
Ein Jahr später legte er «All Eyez On Me» nach, das erste Doppelalbum des Rap, oft als sein «Opus magnum» bezeichnet. Das Werk war sein Erstes für das kalifornische Raplabel Death Row Records, eine Verbindung, die passte. Suge Knight und Dr. Dre, die beiden Produzenten und Eigentümer der Firma, versammelten innert Kürze die tonangebenden Stimmen der Westcoast (neben Tupac vor allem Snoop Dogg) und überholten damit New York, Ursprungsort und Kapitale des Hip-Hop.
Allerdings trat auch in New York zur selben Zeit mit Notorious «Biggie» B.I.G. eine Figur hervor, die neben Tupac nachhaltig auf den Hardcore-Rap der Neunzigerjahre wirken sollte.
Die Diss-Tracks fordern Blutzoll
Biggies Basis bildete das Label Bad Boy Records, gegründet 1993 von Sean Combs. Combs, besser bekannt als Puff Daddy oder P. Diddy, kam aus der Plattenindustrie und erkannte sofort das Potenzial, das sich aus einer Fehde zwischen L.A. und NYC abschöpfen liess. Tupac und Biggie, in den frühen Neunzigerjahren noch Freunde, wurden zu Konkurrenten – und schliesslich zu Feinden.
1994 wurde Tupac in New York im Aufnahmestudio der Konkurrenzfirma mehrmals angeschossen, als Reaktion gewann der Beef an Schärfe – zuerst mittels Diss-Tracks, schliesslich mit Blutzoll. Tupac starb nach der eingangs erwähnten Nacht in Las Vegas im September 1996, Notorious B.I.G. wurde im März 1997 in New York ebenfalls in einem Drive-by-Shooting getötet.
Wie sich das gehört im US-Showbusiness, folgte auf den frühen, tragischen Tod die Hagiografie: Eine erste Dokumentation zu Tupacs Tod erschien bereits 2003 und holte sich fast einen Oscar, mittlerweile sind unter seinem Namen mehr Alben nach seinem Tod als noch zu Lebzeiten erschienen, und selbst auf die Bühne wird er wieder geholt: Sein alter Label-Kollege Snoop Dogg liess ihn 2012 am Coachella-Festival als Hologramm wiederauferstehen und rappte ein Duett mit ihm.
Was fehlt? Die grosse Hollywood-Kiste – sie ist abgedreht und soll noch dieses Jahr im Kino anlaufen, in den USA zumindest. Und wird dafür sorgen, dass die Verschwörungstheorien um die nie völlig aufgeklärten Morde an Tupac und Biggie weiter durchgekaut werden. So ist das mit den jung verstorbenen Legenden: Man hört nicht auf, sie heimzusuchen.