Über Hollywood zum Supermodel in die Nervenanstalt

Florian Burckhardt war Supermodel, organisierte die Zürcher Partyreihe «Electroboy» und hatte grosse Aufträge als Webdesigner – Work hard, play hard. Irgendwann stürzte er ab. Marcel Gisler hat einen Dokfilm über ihn gedreht, und wir haben ihn zum Gespräch getroffen.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Florian Burckhardt war Supermodel, organisierte die Zürcher Partyreihe «Electroboy» und hatte grosse Aufträge als Webdesigner – Work hard, play hard. Irgendwann stürzte er ab. Marcel Gisler hat einen Dokfilm über ihn gedreht, und wir haben ihn zum Gespräch getroffen.

Er ist ja richtig gut drauf! Florian Burckhardt steht vor dem Kino Atelier, weil Vorpremiere des Dokfilms ist, den Marcel Gisler über ihn gedreht hat, und hat Lust auf alles: Lust auf diese Promotour, Lust auf dieses Interview und Lust auf den Fotografen, dessen Anweisungen er willig folgt.

Man hätte sich diese Begegnung auch anders vorstellen können. Denn die Krise, die Burckhardt durchgemacht hat, schien im Film sehr umfassend. Eines Tages war er mit einem Mal nicht mehr imstande, S-Bahn zu fahren. Die Nähe der Leute und der Umstand, ohnmächtig in einem Zug zu sitzen, der von einem anonymen Lokführer gesteuert wird, versetzten ihn in Panik.

«Ich soll psychische Probleme haben?», fragte er den Arzt noch verdutzt. Doch kurz darauf sass er in der geschlossenen Anstalt und übte mit den Pflegern, die Tür von seinem Zimmer auf den Gang zu bewältigen und in den Garten zu treten. Angstzustände nennt sich das. Bis heute finanziert sich Florian Burckhardt über die IV-Rente und schafft es häufig nicht allein in die U-Bahn von Berlin, wo er seit einiger Zeit lebt.

Eines der Bewerbungsfotos, aufgenommen von Fotosolar, 1996 in Luzern.

Doch Burckhardt ist einfach ein normaler Typ. Ihm selber ist das wichtig. Der Film fängt mit einem Satz von ihm an: «Was für Probleme? – – – Hallo?!» Es gibt kein Problem. Beim Kaffee im Kino Atelier erzählt er, dass er seine Angstzustände als Teil von sich akzeptiert und gelernt hat, damit umzugehen. Wenn er im Supermarkt in der Schlange steht und nah am Durchdrehen ist, dann macht er sich innerlich über sich lustig. Und wenn er verabredet ist, aber merkt, dass er die U-Bahnfart zum Treffpunkt nicht draufhat, dann verbirgt er seine Angst nicht, sondern sagt dem Freund: «Sorry, aber du musst zu mir kommen.» Humor ist ein Schlüssel.

Heute lebt Burckhardt ganz normal in Berlin mit seinem Freund, auch wenn er sich manchmal zwingen muss, das Haus zu verlassen. Und auch wenn er in letzter Zeit nicht zu einem weiteren Erfolg gestolpert ist. Der letzte war wohl, als er in den Nullerjahren in Zürich die Partyreihe «Electroboy» aufzog. Auch das war eher ein Zufall: Seine Feier zum 30. Geburtstag war so gut geraten, warum also nicht weitermachen?

Jetzt gerade beschäftigt ihn der Film über ihn. Er gefällt ihm gut, also ist er auf die Premierentour mitgekommen. Und gut kommt es bereits mit dem Film: In Locarno bekam «Electroboy» den Kritikerpreis und am Dienstag den mit 60’000 Franken dotierten Zürcher Filmpreis. Was danach? Solche Fragen stellt sich Florian Burckhardt nicht.

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«Electroboy» läuft ab 27. November im Kino Atelier.
Zu Hansjörg Betscharts Blogeintrag über «Electroboy»

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