Um «Macht» geht es dem Satiriker Andreas Thiel in seinem aktuellen Programm, das gestern im Tabourettli seine Basler Premiere feierte. Wortgewaltig zerlegt er Politik, Finanzwirtschaft und die Rudolf-Steiner-Schule – und ergründet die Frage, wie das Böse in die Welt kam.
Andreas Thiel, 41, ist der Berserker unter den Schweizer Satirikern, und so tritt er im ausverkauften Tabourettli auf die Bühne: weisser Anzug, blaue Kravatte, Champagnerflasche – und einen rosa Irokesenkamm auf dem kahlen Schädel. Um «Macht» geht es in seinem aktuellen Bühnenprogramm, und machtvoll ist seine Erscheinung. Ein gepimpter Cüpli-Punk, der mit der Subtilität eines Holzhammers von unten nach oben austeilt. Aber auch ein Dandy, der sich über die schmutzigen Niederungen der Macht – Wirtschaft, Religion und immer wieder die Politik – erhebt, indem er sie unerbittlich durch den Dreck zieht. Die UBS solle man konkurs gehen lassen, denn schon Kinder lernen anhand ihrer Bauklötze, dass fallen muss, was zu mächtig gebaut ist. Die Hölle sei ein unsicherer Ort geworden, seit Bin Laden dort angekommen ist. Und Strompolitik aus erneuerbaren Quellen ist verordnungspolitische Absurdität, die viel Subventionsgeld benötigt, um Energie sparen zu können.
Schnelle Gags
Man merkt: Arenen, in denen wenige über viele bestimmen können, die Horte der Macht also, sind Thiel höchst zuwider. Wer seine hämischen Kolumnen kennt, die quer durch die Schweizer Presser verstreut sind, weiss, wie nahe ihm das geht, und dass er mit dem schnellen Gag manchmal direkter zum Ziel findet als mit der hintersinnig provokativen Demontage. Wenn er im Tabourettli Politparlamente mit Affenhäusern vergleicht oder den Koran mit Harry Potter, Bundesräte als unqualifiziert, begriffsstutzig oder einfach faul abstraft und die Pädagogik von Rudolf-Steiner-Schulen aufs Korn nimmt («150 Strafseiten tanzen»), schiesst Thiel manchmal etwas gar bodennah um sich.
Raffinierter Hintersinn
Von der Macht lernt man einiges in diesen Momenten, vor allem von der Macht der Worte und der Performance. Wenn Thiel seine One-Liner mit Donnerstimme herausdröhnt, wenn er mit bedeutungsschweren Begriffen hantiert wie dem Holocaust und Hitler, dem Islam und der Finanzkrise, ist seine Wirkung brachial. In solchen Momenten bleiben die Lacher, die in der Politsatire so garantiert hervorbrechen, im Hals stecken. Tierversuche im Labor und medizinische Experimente an Juden in Auschwitz in einen Satz zu stecken – aus dieser Konstellation muss man zuerst wieder herausfinden. Wie Thiel das schafft, ist von raffiniertem Hintersinn.
Poetische Schöpfungskraft
Dass sein Spektrum weit über das Gebelle eines Wutbürgers und über die Feuerkraft einer munitionsreichen Politsatire hinausreicht, eröffnet er jeweils erst gegen Ende der beiden Programmblöcke. In einem psychedelischen Tagtraum, einem überschäumenden Fantasy-Exkurs entwickelt er eine Kettengeschichte, die sich von der Beschreibung apokalyptischer Naturgewalten immer weiter erzählt, bis sie im Gehirn des Künstlers mündet, der stumm am Tisch sitzt und einen Salat anstarrt. Von der Macht der poetischen Schöpfungskraft gerät er auf der Zielgeraden zur ganz grossen Machtfrage überhaupt.
Die Welt ist schlecht, seit es Menschen gab, und das war schon vor dem Internet so, vor Faschismus und Kommunismus, dem Mittelalter, den Römern. In seiner wortgewaltigen Forschungsrede zurück an den Anfangsmoment, in dem das Böse in die Welt trat, gerät Thiel hinter den Urknall zurück, hinter die Schöpfung und hinter den Fall der Engel. Je weiter er forscht, desto dunkler wird das Licht auf der Bühne, bis er in einem egalitären Himmelsreich angelangt ist, in dem die Erzengel in Gleichheit und Harmonie auf ihren Wolken liegen. Bis einem von ihnen, Luzifer, ein Gedanke in den Sinn gerät: Macht.
Hier sind wir nun, will Thiel sagen: mit der Idee von Herrschaft fing alles an, die Welt wurde schlecht, die Menschen unfrei, die Politik übernahm das Zepter und plagt uns alle mit Verordnungen, Verboten und Verkehrsbussen. Das ist nun wirklich nicht mehr zum Lachen.
- Tabourettli, Spalenberg 12, Basel. Bis 26. Januar.