Utopische Architekturen: Wie man bauen könnte, wenn man nicht darin wohnen müsste

Der Künstler ist dem Architekt gegenüber im Vorteil: Seine Bauten und Städte müssen nicht bewohnbar sein. Wie sie aussehen könnten, zeigt eine Ausstellung in der Galerie Balzer Art Projects.

Der Künstler ist dem Architekt gegenüber im Vorteil: Seine Bauten und Städte müssen nicht bewohnbar sein. Wie sie aussehen könnten, zeigt eine Ausstellung in der Galerie Balzer Art Projects.

Die Galerie Balzer Art Projects an der Wallstrasse in Basel findet man gar nicht so leicht. Es ist vielleicht auch ungewöhnlich, dass eine Galerie keine grosse Fensterfront zur Strasse hin aufweist. Andererseits schreit diese Lage hier sowieso nicht nach Laufkundschaft, und: Viel wichtiger ist sowieso, dass die Räume hinter allfälligen Fenstern dazu geeignet sind, Kunst ins rechte Licht zu rücken. Und der Raum, den die Galeristein Isabel Balzer hier nahe beim Bahnhof SBB gefunden habt, der ist wirklich top.

Schon vor ein paar Monaten ist Isabel Balzer aus ihrer kleinen Galerie im Kleinbasel aus- und in die grösseren Räume im Grossbasel eingezogen. Sie ist also schon richtig angekommen und kann auch schon sagen, dass der Umzug das Richtige war – auch ohne Laufkundschaft, und – so sagt sie mit einem Schmunzeln – wenn auch die «Wall Street» sich noch nicht habe spüren lassen.

Doch mehr Platz bedeutet, dass aus kuratorischer Sicht viel mehr möglich ist. So wäre beispielsweise die Collage von Andreas Bauer, die gerade die Decke ziert, am alten Ort gar nicht möglich gewesen.

Überhaupt: Auf grossformatige Werke musste Balzer an der Riehentorstrasse noch verzichten, auch an den Wänden. Zu kleinflächigen Raumen kamen im alten, wenn auch charmanten Haus tief hängende Decken. «Das klingt jetzt, als wäre der alte Ort ganz schrecklich gewesen», sagt Balzer. «Das stimmt natürlich nicht – aber die Möglichkeiten für das, was ich gerne machen wollte, waren einfach zu beschränkt. Auch manche Kunstschaffende haben das bemerkt.»

Barock vs. minimal

Die Werke von Andreas Bauer werden in der Ausstellung Arbeiten von Nicolas Kerksieck gegenübergestellt. Beide Künstler haben Platz zur Präsentation ihres Schaffens – sie kommen sich nicht in den Weg, treten aber trotzdem in Dialog.

Bauer schafft eher barocke Werke, nicht nur dann, wenn er tatsächlich Teile barocker Bauwerke aus Fotografien ausschneidet und in einer Collage zu einem neuen Bauwerk zusammenfügt. Kerksieck hingegen baut dreidimensionale Bauwerke aus Spanholzplatten oder gefundenen Holzstücken. Perfektionismus trifft hier auf einen Hauch Bastelei.

Utopische Architekturen

Der Eindruck von letzterem ist gewollt, muss man allerdings anfügen: Schief angebrachte Holzplatten sollen nicht gerade gerückt werden, schlecht angemalte Werkteile nicht ausgebessert, so will es der Künstler. Müssen sie auch nicht, denn Kerksieck ist kein Architekt: Seine Bauten müssen der Realität nicht standhalten. Es sind Experimente, die Raum lassen für Unangepasstheit. Utopien.

Hier treffen sich die beiden gezeigten Künstler, wenn ihre Herangehensweise auch sehr unterschiedlich ist. Neben den Collagen zeigt Bauer hauptsächlich dreidimensionale Bilder, die aus Büchern geschaffen sind: Den Text hat der Künstler aus Architekturbildbänden oder einem Tätowierkatalog unter Belassen des Buchrückens herausgeschnitten, die übriggebliebenen Bilder zu einer Form von Urwald beziehungsweise Stadt zusammengefügt. Leben kann man auch darin nicht – aber vielleicht könnte die Kreation dereinst als Anstoss für etwas Reales dienen?

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Balzer Art Projects, Wallstr. 10, Basel. Bis 10. Mai 2014.
Artist Talk mit Andreas Bauer, Nicolas Kerksieck und Heinz Stahlhut (Kunstmuseum Luzern) am 4. April 2014, 18–20 h.

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