Ein Kumpel von mir hatte dreimal hintereinander eine Freundin mit dem Namen Laura. Das nenne ich ein klares Beuteschema. Er hat vielleicht nicht bewusst danach gesucht, aber offenbar war das mit diesen Lauras damals wichtig für ihn.
Letztlich haben wir alle einen Anforderungskatalog im Kopf, wenn wir uns auf Partnersuche begeben. Nicht immer wird dieser Katalog eine explizite Form annehmen, oft besteht die Checkliste auch eher unbewusst.
Wer jedoch im Internet auf Partnersuche geht, der steht zuerst vor der Aufgabe, sich diese Kriterien bewusst zu machen. Denn mit Unbewusstem kann ein Algorithmus nichts anfangen. Deshalb gehört zu einem Profil auf einer Dating-Plattform auch das Erstellen einer Art Fahndungsraster.
Romantik in der Filterblase
Als Erstes wird ein Persönlichkeitstest durchgeführt, danach die Suchmaschine mit weiteren Parametern justiert. Bei Parship zum Beispiel können die Benutzer neben gewünschtem Alter und Grösse auch nach Bildungsstand, Kinderwunsch oder Rauchgewohnheiten fragen. Auf dass der Algorithmus möglichst passende potenzielle Partner vorschlage.
Weshalb sollte Effizienz, die sich in anderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen bewährt hat, uns nicht auch in der Liebe helfen? Online-Dating gilt bereits als der zweitwichtigste Weg, wie sich heterosexuelle Partner kennenlernen. Für homosexuelle Paare ist es gar der mit grossem Abstand wichtigste.
Was aber geschieht mit der Romantik, wenn das technokratische Prinzip ins Intimleben vorstösst?
Die Tessiner Künstlerin Una Szeemann bezeichnet sich selbst an einem «Artist Talk» im Keller des Hauses für elektronische Künste (Hek) auf dem Dreispitz als «old fashioned», altmodisch. Sie habe bisher wenig Erfahrungen mit Dating Apps gesammelt. Doch für die aktuelle Hek-Ausstellung «Future Love» hat sich Szeemann auf die elektronische Partnersuche eingelassen.
Sie konzentriert sich in ihrem Werk «Composition of a Counterpart» auf diese zwar selbst errichtete doch technologisch verstärkte Filterblase. «Wenn ich mir einen Partner nach einem vordefinierten Kriterienkatalog massschneidere, ist das letztlich nichts anderes als eine Projektion aus mir selbst», sagt Szeemann.
Da wir uns bei der Partnersuche oft von unbewussten Wünschen leiten lassen, hat sich Szeemann konsequenterweise tief in ihr Unbewusstes hinein begeben: mittels Autohypnose. In diesem Zustand hat die Künstlerin dann über Attribute wie Intelligenz, Schönheit und Humor meditiert und aus Ton kleine Figuren geschaffen, die ihrem unbewussten Bild dieser Attribute entsprechen sollen.
Weil sich in die elektronisch unterstützte Partnersuche verschiedenste kleine Helfer einmischen – Programmiercodes, plattformeigene Designs, der Zufall –, beliess es Szeemann nicht bei ihren handgefertigen Skulpturen. Ihre Wünsche an potenzielle Partner sollten ebenfalls verschiedene Übersetzungsschritte durchlaufen.
Auf Enttäuschung programmiert?
Also liess sie ihre Skulpturen digital vermessen und von einem 3D-Drucker ausdrucken. Diese Mehrfach-Übersetzung lief nicht reibungslos ab. Die technologischen Unzulänglichkeiten von Scanningprogramm und 3D-Druck hinterliessen Spuren. Letztlich sind die kleinen weissen Skulpturen, die im Hek ausgestellt sind, ein Abklatsch – Kopien, die nicht ans Original heranreichen.
Die Technologie mag also noch so ausgereift sein, am Ende wartet womöglich trotzdem eine Enttäuschung. Die künstlerische Erkenntnis deckt sich mit einer Studie des unabhängigen Pew Research Center in Washington D.C. So sollen Anfang 2016 ein Drittel aller Nutzer von Dating-Portalen nie zu einem Rendez-vous gegangen sein, weil sie niemanden fanden. Und nur gerade fünf Prozent der Menschen in einer verbindlichen Beziehung gaben an, ihre Partner übers Internet kennengelernt zu haben.
Die Suchmaschine weiss, was mich heiss macht, also gibt sie mir immer mehr davon.
Nun können Filterblasen auf poetische Weise entlarvt werden, so wie Szeemann es tut. Oder man lässt sie gewaltsam platzen. Für den zweiten Weg hat sich der britische Künstler Ed Fornieles mit seiner Installation «Truth Tables» entschieden.
Die Porno-Spirale
Wer sich alle Pornovideos ansehen wollte, die alleine 2017 auf Pornhub hochgeladen wurden, bräuchte dafür mehr als 68 Jahre. Um diese Menge an Sexfilmen an den Konsumenten zu bringen, sind die Plattformen auf ausdifferenzierte Algorithmen angewiesen. Die Verwaltung und Verschlagwortung all dieser Filme erlaubt es, jedes noch so spezielle Bedürfnis zu befriedigen und die Nutzer mit personalisierten Vorschlägen zu bedienen.
Es ist eine Porno-Spirale: Die Suchmaschine weiss, was mich heiss macht, also gibt sie mir immer mehr davon. Und mein Erfahrungshorizont wird immer enger.
Fornieles Leistung besteht nun darin, uns im Ausstellungsraum mit einem gezielten Tritt aus der Blase unserer Vorlieben hinauszubefördern. Er hat eine virtuelle Umgebung entwickelt, in die wir über eine VR-Brille eintauchen können. Wir finden uns in einem Raum wieder, mitten in Aktion.
Ich liege auf einem Bett, über mich beugt sich eine blonde Frau. Wobei – diese Bauchmuskeln? Diese breiten Schultern? Aus der Frau wird ein Mann, dann ein Transvestit. Die Hautfarbe wechselt ebenso schnell wie das Geschlecht. Mal ist mein Sexpartner riesig, mal klein, mal wiegt er 200 Kilo. Auch mein Avatar verändert sich ständig. Anstelle des Algorithmus, der mich aufgrund meiner Such- und Sehgewohnheiten bestens kennt, regiert bei Fornieles der Zufall. Wir sind ihm ausgeliefert.
«Future Love – Begehren und Verbundenheit im Zeitalter geformter Natur»: Die Ausstellung im Haus der elektronischen Künste läuft noch bis am 15. April 2018.