Vor einem Jahr verordneten die französischen Behörden aus Sicherheitsgründen die sofortige Schliessung des Théâtre de la Fabrik. Am 24. Mai erlebt das Kleintheater, das vom engen Keller der ehemaligen Garn-Fabrik in Hégenheim in eine geräumige oberirdische Halle umgezogen ist, seine Wiedergeburt.
Zwar ist hier nicht der Weg das eigentliche Ziel, aber alleine schon die Fahrt zum Théâtre de la Fabrik in Hégenheim ist ein besonderes Erlebnis. Vom Israelitischen Friedhof in Basels Nordwesten aus gelangt man auf eine Strasse, die im verwunschenen Niemandsland auf der Grenze zwischen der Schweiz und dem Elsass an Familiengärten, einem Kieswerk und einem Schrottplatz vorbeiführt, bis man zu den Ruinen zweier Zollhäuschen gelangt, die lange von Schengen wohl bereits dem Verfall überlassen worden sind.
Auf einer Schrifttafel unter dem Ortsschild von Hégenheim ist zu lesen: «Mer rede au Elsassisch.» Das tut man zuweilen auch rund zweihundert Meter weiter in Richtung des Dorfs. Dort befindet sich, eingebettet im wunderbaren Atelier- und Ausstellungszentrum FabrikCulture in einer ehemaligen Garnfabrik, das Théâtre de la Fabrik. Am 23. August 2014 wird die beliebte elsässische Schauspielerin und Chansonnière Collette Greder die Theatersaison eröffnen.
Wiedereröffnung nach der erzwungenen Schliessung
Aber zuerst steht am Samstag, 24. Mai, die eigentliche Eröffnung des Theaters an. Beziehungsweise die Wiedereröffnung des Hauses, das 2009 von Freddy Allemann und Cyril Haldemann gegründet wurde. Oder noch genauer: einen ersten Einblick in die neuen Theaterrräumlichkeiten gewähren, denn die Verantwortlichen sind etwas vorsichtiger geworden, was längerfristige Versprechungen betrifft. Das Theater musste nämlich vor ziemlich genau einem Jahr, mitten in der vierten Saison, seinen Betrieb einstellen.
Eng und unsicher: das alte Kellertheater. (Bild: Freddy Allemann)
Die französischen Sicherheitsbehörden hatten dem Theater nach einer offiziellen Begehung verschiedene Auflagen auferlegt und die sofortige Schliessung verfügt. Beanstandet wurden unter anderem mangelnde Brandschutzvorrichtungen und der Umstand, dass das Kellertheater keinen behindertengerechten Zugang besass. «Dass die Behörden die eine oder andere Forderung stellen würden, damit haben wir gerechnet», sagt Allemann. «Dass uns aber keine Übergangsfrist gewährt wurde, hat uns dann aber doch überrascht.» Und die Theaterleitung in eine unangenehme Situation katapultiert.
Ein Neubeginn in einem neuen Raum
Um das Publikum und die engagierten Künstlerinnen und Künstler nicht zu verprellen, musste die Theaterleitung in einer Feuerwehrübung nach Ausweichmöglichkeiten suchen, die zum Teil an anderen Aufführungsorten gefunden wurden. «Uns wurde eine erfreuliche Solidarität entgegengebracht», sagt Alemann. Gewisse Projekte, etwa die geplante Kooperation mit der Buch Basel, fielen aber ins Wasser.
Allemann resignierte aber nicht. Angespornt vom Umstand, dass sein Theater beim Publikum und auch bei den Künstlerinnen und Künstlern auf stetig wachsenden Zuspruch gestossen war, legte er sich für die Wiedergeburt des Hauses ins Zeug. Ein Umbau des Kellertheaters kam allein schon wegen der Forderung eines behindertengerechten Zugangs aber nicht wirklich in Frage. Also bauten Allemann und viele engagierte Helferinnen und Helfer in einem abgetrennten Teil der wunderschönen Shedhalle der ehemaligen Garnfabrik – der grössere Teil der Halle dient als Ausstellungsraum der Kulturfabrik – von A bis Z auf ein neues Theater.
Aus der Not eine Tugend
Das Resultat kann sich nun wahrlich sehen lassen: Aus dem zwar charmanten, aber gruftartig-engen und improvisiert eingerichteten Kellertheater wurde ein ausgesprochen geräumiger und schöner Theaterraum mit Bar, einem WC und praktischem Backstage- und Technik-Bereich. Mit 130 Quadratmetern Fläche ist der neue Theaterraum fast dreimal so gross wie der alte. 49 Zuschauerplätze hat das neue Theater. «Es würden eigentlich viel mehr Zuschauerinnen und Zuschauer reinpassen», sagt Allemann, «aber ab 50 Plätzen hätte wir noch weitere Sicherheitsauflagen erfüllen müssen.»
Vielseitiger Theaterdirektor: Freddy Allemann ist neben seinem Amt als Leiter des «Théâtre de la Fabrik» unter anderem auch als Künstler und Schriftsteller tätig. (Bild: MICHAEL WUERTENBERG)
Von Vorteil ist aber vor allem die lichte Raumhöhe, die es auch grossgewachsenen Künstlerinnen und Künstler auf der fix eingerichteten Bühne erlaubt, sich ohne Gefahr von Kopfverletzungen auf die Zehenspitzen zu stellen. Und das Oberlicht der Shedhalle sorgt dafür, dass man tagsüber auch ohne Kunstlicht bestens im Theaterraum tätig sein kann.
Viel Geld und Arbeit reingesteckt
Für die Einrichtung des neuen Théâtre de la Fabrik war einiges an Geld und vor allem viel praktisches Engagement nötig. Freddy Allemann konnte nach eigenen Angaben auf rund 30 Helferinnen und Helfer zählen sowie auf den Rückhalt des Kulturfabrikbesitzers Christoph Stähli, der ihn sehr unterstützt habe. Um die Auflagen der Behörden erfüllen zu können, musste aber auch ein Architekt hinzugezogen werden, was neben vielen weiteren Investitionen dazu führte, dass der Umbau nicht gerade billig war. Mehr möchte Allemann aus Rücksicht auf die verschwiegenen Geldgeber zu den Kosten aber nicht sagen.
Wenn treue Zuschauerinnen und Zuschauer den Theaterraum am 24. Mai erstmals wieder betreten werden, werden sie «ihr» Theater also kaum mehr wiedererkennen. Fast nicht mehr, denn ein liebenswertes Detail aus dem Eingangsbereich des alten Theaters hat Allemann an den neuen Ort mitgenommen. Es handelt sich um den feuerrot angestrichenen Dohlendeckel mit seinem wie ein vielblättriges Windrad geformten Ablaufrost, der zum Signet des Theaters wurde und nun auch den Eingangsbereich des neuen Theaters ziert.
Am Samstag, 24. Mai, findet die offizielle Wiedereröffnung des Théâtre de la Fabrik in Hégenheim statt. Das Ganze beginnt um 14 Uhr mit einem Apéro, begleitet von der Besichtigung des neuen Theaters und der Vorstellung des Programms, das dann am 23. August starten wird. Um 18 Uhr folgt die Verleihung des Badisch-Elsässischen Kulturpreises an das Theater durch den elsässischen Liedermacher Robert F. Jacobi. Mit dem Preis werden, wie sein Name sagt, länder- und sprachübergreifende kulturelle Initiativen ausgezeichnet.
Mehr über Freddy Allemann lesen Sie in der kommenden Wochensausgabe der TagesWoche am 23. Mai, auf Papier oder in der App der TagesWoche.