Im Boxmuseum stellt Luzius Martin seine Sammlung von Boxartikeln aus und erzählt den Besuchern über die Hintergründe seiner Lieblingsboxer. Selber zuschlagen will er aber nicht.
Das Erste, was beim Betreten des Restaurants Chanthaburi an der Feldbergstrasse auffällt, ist ein Flipperkasten, den mehrfach das Gesicht Muhammad Alis ziert. Weiter hinten stehen zwei Vitrinen mit signierten Boxhandschuhen und einem Fotobuch mit Ali-Bildern: Was machen diese Dinge in einem thailändischen Restaurant?
Der ahnungslose Restaurant-Besucher wird bald feststellen, dass er sich im Eingangsbereich des schweizerischen Boxmuseums befindet. Geleitet wird dieses von Luzius Martin, der mit seiner Frau Sairung Martin das Restaurant Chanthaburi betreibt. Auf Anfrage kann der Keller besucht werden, wo sich der Hauptteil des Museums befindet. Dort gibt es von einer dreissig Zentimeter grossen Figur von Mike Tyson bis zu Sammelbildern aus den 1920er-Jahren alles, was das Boxerherz bewegt.
Eine Wand mit Autogrammkarten und Fotos von Boxlegenden bilden das Herzstück des kleinen Museums – ein vertikaler «Walk of Fame» mit den wichtigsten Persönlichkeiten der Boxgeschichte. «Schön wäre es, von allen grossen Schwergewichtsboxern ab 1890 ein Autogramm zu haben», sagt Martin. Ein Muss ist es allerdings nicht: «Autogrammkarten der ersten vier Weltmeister fehlen, doch dafür müsste ich zirka 6000 Franken bezahlen, das ist es mir nicht wert.»
Der Museumsgast wird von Mike Tyson im Kleinformat begrüsst. (Bild: Elin Fredriksson)
Die finanzielle Schmerzgrenze hängt vom Gegenstand ab. Für einen original Kopfschutz von Muhammad Ali ist Martin momentan in eine Online-Versteigerung involviert und bereit, eine grössere Summe zu bezahlen: «Das ist etwas Einmaliges.» Insgesamt besitzt Martin über 3000 Ausstellungsstücke – die Sammlung breitet sich bis in die private Wohnung aus.
In dieser Sommerserie richten
wir die Scheinwerfer auf kleine regionale Museen, die im Schatten der grossen Leuchttürme stehen.
Ein «Verein für Wahnsinnige»
Angefangen hat alles in den 1980er-Jahren in einem verrauchten Keller. Zusammen mit Freunden schaute sich Martin als Teenager bis in die frühen Morgenstunden Boxkämpfe an. «Das war die Zeit, als neu auch im Schweizer Fernsehen Kämpfe von Marvin Hagler und Mike Tyson zu sehen waren», erinnert sich der heute 47-Jährige.
Als Martin Ende der 1990er-Jahre in einem Paket von Schmalfilmen einen Film mit Boxkämpfen entdeckte, inspirierte ihn dies, Boxartikel zu sammeln. 2001 gründete er zusammen mit seinen Jugendfreunden aus dem Keller den Club 789 – einen Verein für «Boxfreunde, Sammler und Wahnsinnige», erklärt Martin. Der Name steht für das Zählen im Boxring. Liegt einer der Gegner auf dem Boden, hat er zehn Sekunden Zeit, wieder auf die Beine zu kommen. Schafft er es nicht, gilt er als k.o. Der Verein will mit beiden Füssen auf dem Boden stehen und zählt in seinem Namen daher nur bis neun.
Als die Box-Sammlung mit den Jahren immer grösser wurde, beschloss der Verein ein Museum daraus zu machen.
Heute würden sich einige neugierige Restaurantgäste im Museum umschauen und manchmal gebe es Gruppen, die im Keller einen Apéro haben wollten, sagt Martin. In der Schweiz sei Boxen eine Randsportart. Wenn jemand gezielt ins Museum komme, dann sei das oft ein angefressener Fan.
Der Keller im Restaurant Chanthaburi lässt Boxerherzen höher schlagen. (Bild: Elin Fredriksson)
Max Schmeling ist Ehrenmitglied
Muhammad Ali (1942–2016) ist im Museum besonders gut vertreten. Neben Autogrammkarten, Fotos und einem Händeabdruck besitzt Martin eine Actionfigur, eine Schuhputzcreme und eine Schallplatte, deren Hersteller das Gesicht der Boxlegende zu Marketingzwecken verwendeten.
Ali sei viel mehr als nur ein Boxer gewesen, sagt Martin. «Als in den 1970er-Jahren die ersten Satellitenübertragungen ausgestrahlt wurden, verwandelte sich Ali in eine weltweit berühmte Persönlichkeit. Er war im Sport wie in der Gesellschaft ein Superstar. Deshalb wurde er auch als PR-Figur benutzt.»
Neben Ali gehört der deutsche Schwergewichtsboxer Max Schmeling (1905–2005) zu Martins Favoriten und den Schwerpunkten des Museums. Als überwachender Schutzpatron hängt Schmeling zuoberst an der Fotowand – er wurde vor einigen Jahren zum Ehrenmitglied des Vereins gewählt.
Als sie ihm per Post die Anfrage schickten, hätten sie nicht mehr als eine Unterschrift des Boxstars erwartet, erzählt Martin. Zurück kamen eine Widmung und ein Dankesbrief in schönster Schreibmaschinenschrift, in dem Schmeling den Vereinsmitgliedern «viel Freude am schönen Boxsport» wünschte. «Er wusste eben, dass es ein schöner Sport ist», sagt Martin stolz.
Lieber zuschauen, als zuschlagen
Doch wie kann ein Sport, der vor blutenden Nasen und gravierenderen Verletzungen keinen Halt macht, tatsächlich schön sein? «Ganz einfach», sagt Martin, «der Sport ist nicht brutal.» Im Gegenteil, Boxen sei grazil, elegant, spektakulär und hochspannend. «Wie Fechten mit Fäusten», sagt Martin.
Auch gebe es wenige Sportarten, die physisch so hochstehend seien. «Die Boxer müssen in sehr kurzer Zeit eine sportliche Hochleistung vollbringen.» Als Beispiel zeigt Martin ein Video, das den Kampf zwischen Muhammad Ali und Cleveland Williams im Jahre 1966 zeigt.
«Ganz elegant schwebt er durch den Ring und zerlegt ihn in Einzelteile», kommentiert er. Trotz Begeisterung ist Martins Aussage nicht ohne Widersprüche. Denn selbst will er nicht in den Ring steigen: «Das ist mir zu brutal und zu anstrengend. Ich schlage nicht gerne zu», sagt er.
Lieber betrachtet Martin den Sport aus sicherer Distanz – das jedoch gründlich. «Ich habe mich sehr genau eingelesen. Boxen ist für mich wie ein Schulfach, das ich seit 15 Jahren studiere.» Wie ein lebendiges Geschichtsbuch schmeisst er mit Namen und Zahlen um sich, als hätte er nie etwas anderes getan.
Stolz vor der Autogrammwand: Boxerfan Luzius Martin. (Bild: Elin Fredriksson)
Fette Uhren und schöne Frauen
Und tatsächlich bietet das Boxthema mehr als nur Faustschläge und blutende Gesichter. In der Blütezeit des Boxens waren die Kämpfe kulturelle Events und die Boxer vergleichbar mit heutigen Superstars aus der Musik- und Filmszene. «Damen der mondänen Welt gingen wegen des Schauders zu den Boxkämpfen und viele Boxer gehörten zur hysterischen Künstlergesellschaft», sagt Martin.
Luzius Martin: «Das Museum beginnt schon im Eingang des Restaurants.» (Bild: Elin Fredriksson)
Auch im Boxmuseum an der Feldbergstrasse gibt es Platz für das Drumherum des Boxens. Die eingebaute Bar, die DJ-Anlage und ein prominent aufgehängtes Bild eines Nummerngirls lassen einige Partys vermuten. «Manchmal geht es hier wild zu und her», sagt Martin. «Dicke Autos, fette Uhren, schöne Frauen und Männerfantasien sind ganz nahe am Boxring. Und da der Verein nur männliche Mitglieder hat, ist das auch teilweise sichtbar.»
Manchmal organisieren die Männer vom Club 789 einen Themenabend, den sie einem bestimmten Boxer widmen, und an dem alles entsprechend dekoriert wird. Oder sie versammeln sich, um zusammen Boxkämpfe im Fernsehen anzuschauen. Und vielleicht kommt an manch einem Abend wieder die Atmosphäre des verrauchten Kellers der 1980er-Jahre auf – nur liegt anstatt Rauch nun der Duft thailändischen Essens in der Luft.
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Schweizerisches Boxmuseum, Feldbergstrasse 57, Basel. Geöffnet Samstag, 15–18 Uhr, oder nach Vereinbarung während der Öffnungszeiten Restaurant Chanthaburi (11.30–14 Uhr, 18–24 Uhr, Sonntag geschlossen).