Die Basler Künstlerin Anuk Miladinović feiert im Ausstellungsraum Klingental noch bis Samstag ihr kuratorisches Debüt. Zeit für ein paar Fragen.
Die Ausstellung «Borderland» ist ein eigener, kurioser Kosmos. Kuratorin Anuk Miladinović gibt im Ausstellungsraum Klingental Einblicke in ein thematisch weit aufgespanntes Gebiet: Die Natur hat beschlossen, dass sie den Menschen nicht mehr braucht, ein Astronaut muss sich allerlei Grundsatzfragen stellen, ein Paar tanzt durch eine Bibliothek, Türen gehen vor und hinter weiteren Türen auf und zu, ein Kriegsgeschädigter zittert im Sessel mit dem 16-mm-Projektor um die Wette, in einer psychedelischen Welt läuft ein Kind durch den Wald, und irgendwo schnappen Karpfen nach Luft.
Glücklicherweise war die Kuratorin da, um Red und Antwort zu stehen.
Warum «Borderland», Anuk Miladinović?
«Es sind Gegenüberstellungen von Themen, zwischen denen sich Grenzbereiche ergeben. Zukunft und Vision oder Erinnerung und Geschichte zum Beispiel, oder das Verhältnis zwischen Mensch, Architektur und Landschaft. Wenn alle in einer Ausstellung zusammenkommen, ergibt sich ein neues Gebiet.»
Ein schöner Gedanke. Sollte das nicht jede Ausstellung tun? Tatsächlich ist «Borderland» so was wie ein Gesamtkunstwerk der ironisch-ernsten Leichtigkeit: Mit dabei auch Miladinovićs eigene Arbeit, «access». Der hochformatige Film bringt die Erwartungen an Räume durcheinander, indem architektonische Gesetze ad absurdum geführt werden.
Toll, aber was geht hier vor?
«Mich interessieren besonders Fragen der Architektur und Verschachtelungen. Zuvor habe ich mit Collagen gearbeitet, und so bin ich auf die Idee gekommen, diese Lifttüren hintereinander zu setzen. Ich versuche, die Architektur nur so zu verändern, dass es im Bereich der Realität noch möglich wäre. Ich glaube, man kann vieles auch im Kleinen zeigen. Die Filme heutzutage sind so schnell, dass man gar keine Zeit mehr hat, die Details wahrzunehmen. Ich versuche, die Bilder auch ästhetisch ansprechend zu komponieren und verbringe sehr viel Zeit damit, Ausschnitte zu suchen.»
«Ein richtiges Überthema gibt es nicht» – in «Borderland» wird mehr assoziiert als konkret in Verbindung gesetzt. (Bild: Ausstellungsraum Klingental)
Die Qualität ihrer Inszenierung liegt denn auch darin, dass es glaubwürdig aussieht, trotzdem aber keinen Sinn macht. Im Lift geht eine Rolltreppe nach oben, die Tür der U-Bahn führt wiederum zu einem Lift, der in eine steile Treppe übergeht. Schliesst sich ein Durchgang, verändert sich die Situation dahinter. Und immer ist da diese Putzfrau, die unermüdlich, aber sichtlich gelangweilt den Boden schrubbt. «access», es war Miladinovićs Diplomarbeit, ist super-meditativ und dennoch fesselnd. Als ein Vorbild nennt sie Roy Andersson, den schwedischen Regisseur mit diesen absurden Werbespots, in denen Normalos subtil eins aufs Dach kriegen. Wie die anderen Arbeiten in «Borderland» trägt auch «access» nicht gross auf, sondern bleibt unterschwellig.
Ist das ein Überthema, diese surreale Banalität?
«Naja, ein richtiges Überthema gibt es nicht. Es gibt jedoch einen grossen Unterbau von Geschichten und Abfolgen, die dann nicht unbedingt erzählt werden. Rhythmus und Choreografie, die zu Spannung führt, darum geht es. »
Dennoch: Wie bringe ich diese Arbeiten nun zusammen? Der Astronaut verlässt die Welt («77 questions»), die Welt verlässt den Menschen («The Lives Beneath»), der Mensch richtet sich selbst zu Grunde («Shell Shock Syndrome») und merkt es nicht («access»), oder merkt es und flüchtet in den kreativen Wahnsinn («durch Hain und Aue»). So?
«Finde ich sehr gewagt (lacht). Aber klar! Mir gefällt, dass man eintauchen kann. Es ist eine sehr persönliche Auswahl. Ich bin das ja nicht als Kuratorin angegangen, sondern mit einem Bauchgefühl.»
Der Vorteil dieser privaten Bauchgefühl-Auswahl ist nicht nur, dass man über die Kuratorin selbst fast so viel erfährt wie über die Werke, sondern dass sich all dies praktisch von alleine eröffnet. Ohne Kinnkratzen.
«Ja, die Ausstellung funktioniert auch ohne Informationen von aussen. Man kann reingehen und sieht etwas. Das mag ich in der Kunst, wenn man versuchen kann, seine Schlüsse aus dem zu ziehen, was man tatsächlich sieht. Anders, als wenn alles vorgegeben ist, wenn all diese Referenzen da sind, in Texten, die man erkennen und finden muss. Die Erfahrung ist die Kunst, sonst kann ich auch schreiben. Visuelle Kunst erzählt etwas, und sie soll das auch über das Visuelle tun können.»
Tief eintauchen, lautet hier die Devise. (Bild: Ausstellungsraum Klingental)
Wenn das Bild erst wieder ein Text werden muss und kein Bild mehr sein darf?
«Oder halt die Bebilderung von diesem Text. Aber wozu? Warum soll man immer ein Rätsel draus machen?»
Eine berechtige Frage.
«Kunst ist ein Kommunikationsmittel, es stellt etwas dar, wie ein Text. Aber ich mag es nicht so, wenn man zuerst lesen muss, um zu verstehen. Das sollte ein Zusatz bleiben.»
Aber mir wird die Wahl gelassen, falls ich trotzdem noch mehr wissen möchte.
«Genau. Bei diesen Arbeiten ist es so, dass sie sehr ästhetisch sind, und man kann sie als ästhetisches Spiel nehmen. Und dennoch kann man tiefer eintauchen, wenn man das möchte. So kann auch mit einem selbst etwas passieren, und das ist mir sehr wichtig.»
Es ist wohl ein Vorteil, dass sich Miladinović als Künstlerin sieht und weniger als Kuratorin. So behält sie die kindliche Leichtigkeit, den unverkrampften Blick. «Borderland» ist voll davon, ohne albern zu sein.
Um die Ausstellung abzuschliessen, findet am Samstag, 18. März, um 21 Uhr, eine Remix-Performance statt, bei der Daniel Door die Tonspuren der Videos zu neuen Sounds verarbeitet. Wie der Text dazu verrät, verhält es sich bei der Performance nicht anders als bei der Ausstellung selbst: «Der ältere Zuhörer fühlt sich an barocke Fugentechnik erinnert, der jüngere gibt sich einfach dem Klangteppich hin.»
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«Borderland», Ausstellungsraum Klingental, noch bis 19. März 2017.