«Life Is Today», das neue Album der Lovebugs, kommt ohne den pflückreifen Hit aus. Die neuen Qualitäten, das zeigte das Quintett bei der Plattentaufe in der Basler Kuppel, sind Tempo, Druck, Härte.
Blaues Licht, schwerer Ton, zittriger Gesang. Die ersten Takte der Lovebugs 2012 in der Kuppel gehören nicht dem sprudelnden Bombast, sondern einem der dunkelsten, introspektivsten und schleppendsten Lieder ihres langen, langen Kataloges. «Come To An End» heisst es und will so gar nicht als Auftakt ihres Sets passen, mit den dürren Orgelflächen von Stefan Wagner, die übernächtigt herumliegen, mit den tröpfchenweise zu Boden fallenden Gitarrenakkorden von Thomas Rechberger, die tief in den Raum nachhallen.
Warme Sonne
Aber die Lovebugs bleiben souverän in ihrer Leistung, wie eine warme Sonne steigt der Refrain auf, Adrian Siebers Gesang hebt sich, das Spiel wird fülliger, die Hände schnellen in die Luft. Willkommen zuhause.
«Life Is Today» heisst das neue Album des Basler Quintetts, ihre zehnte Platte, wenn man das Unplugged-Dokument «Naked» mitzählt, und das Jubiläumswerk hält nochmals fest, was die Band in die Gegenwart gebracht hat. Die schnurgeraden Refrains, das opulente Spiel und auch die Wackelmomente, in denen der konservative Hook die bissige Idee zurück auf die Spur zwingt und die Chorgesänge arg Richtung Stadionkurve kippen. Was aber «Life Is Today» nicht hat, und das unterscheidet die Platte von ihren Vorgängern, ist der grosse Hit, der bereits pflückreif am Baum hängt. Man kann ihn suchen und wird irgendwann auch fündig, aber die Gewichte haben sich 2012 für die Lovebugs verschoben. Weg vom Radio, hin zur Bühne.
Hohes Tempo
Spätestens mit dem dritten Stück in der Kuppel ist der dezente Eindruck des Beginns zerbröselt, das Tempo hoch, der Bass dick, die Schläge hart, und am Keyboard werden die Akkorde fest in die Wand gehämmert. «Fortuna» heisst der Song, stammt wie der Rest der ersten Sethälfte vom neuen Album, auch da reitet die Band stilsicher auf den funkelnden Refrain zu, aber Sieber ergibt sich der Melodie nicht, sondern reisst sie hoch und entwickelt ungewohnte Shouter-Qualitäten, und das Licht brennt nun giftgrün über die Bühne.
Wall Of Sound
Dies ist der stärkste Eindruck, den die Lovebugs an ihrem Heimspiel hinterlassen: wie präzise sie live Druck und Dynamik aufeinander abgestimmt haben. Die beiden Singles vom neuen Album, «Little Boy» mit dem prägnanten rhythmischen Pianolauf und der kantigen Gesangsmelodie, und «Truth Is» als eine entfesselt sich auftürmende Wall Of Sound, bringen diese neu gewonnene Qualität der Lovebugs am deutlichsten hervor, weil es die stärksten Songs sind: plötzlich diese Härte. Plötzlich diese Obsession im Spiel, als müssten sie das längst ergebene Heimpublikum nochmals von neuem erobern.
Alte Hits
In der zweiten Hälfte des Sets kriechen schrittweise auch die alten Hits hervor, das schwelgerische «The Key», die Akustikversion von «Under My Skin», der Mitsingheuler «Angel Heart» und vor den Zugaben «The Highest Heights», das himmelwärtsstrebende Stück Snythiedancepop, das am Eurovision Song Contest so abgesoffen ist.
Zweimal kommen sie noch zurück, abgesehen von der Ballade «72», die Sieber alleine an der Gitarre, ohne Strom und ohne Mikrofon vorträgt, die Synthese aus den Hits der letzten Jahre wie «Avalon» und «Back To Life», gespielt mit der Kraft der Gegenwart, konzentriert auf den Moment. Lovebugs 2012, eine überraschend harte Sache.