«Welt, gute Nacht»

Nicolaus Bruhns starb so jung wie Franz Schubert, doch in seinem kurzen Leben schuf er Werke von grosser Originalität. Bei den Abendmusiken in der Predigerkirche waren einige seiner ausdrucksstarken Kantaten zu hören.

Am Sonntag sangen die Sänger der Abendmusik in der Predigerkirche Lieder aus der Feder von Nicolaus Bruhn. (Bild: Albert Jan Becking)

Nicolaus Bruhns starb so jung wie Franz Schubert, doch in seinem kurzen Leben schuf er Werke von grosser Originalität. Bei den Abendmusiken in der Predigerkirche waren einige seiner ausdrucksstarken Kantaten zu hören.

Was macht die Musikstadt Basel zur Musikstadt Basel? Es sind nicht nur die zahlreichen hochkarätigen Orchester und Ensembles, die hier beheimatet sind, sondern es sind auch Initiativen wie die Abendmusiken in der Predigerkirche. Seit nunmehr neun Jahren musiziert ein Kreis freischaffender Musiker aus dem Umfeld der Schola Cantorum Basiliensis auf alten Instrumenten und füllt damit jeden zweiten Sonntag im Monat die Predigerkirche bis auf den letzten Platz. Eintrittskarten gibt es keine; jeder darf an Kollekte geben, soviel er kann und mag. Entsprechend variiert die Gage für die Musiker; dennoch treten immer wieder Stars der Alte-Musik-Szene auf, wie jüngst die argentinische Sopranistin María Cristina Kiehr.

Was als «Bachkantaten in der Predigerkirche» höchst erfolgreich unterwegs war, zeigt sich auch in der neuen Ausrichtung als sehr reizvolle Unternehmung. Seit Anfang Jahr steht bei jedem Konzert ein anderer Komponist im Zentrum; allesamt stammen sie aus dem geistigen Umfeld, in dem Johann Sebastian Bach aufwuchs und sein Komponieren erlernte. Diese Fokussierung auf eine einzige Persönlichkeit ist nicht etwa eintönig, wie es die sonst oft bunt gemischten Konzertprogramme vermuten lassen, sondern sie erlaubt eine nicht nur flüchtige, sondern – dank ausführlicher Programmhefttexte – fundierte Begegnung mit diesen meist unbekannten Meistern.

Bruhns hinterliess nur ein sehr kleines Werk

So verhielt es sich auch mit Nicolaus Bruhns, dessen Kompositionen am vergangenen Sonntag auf dem Programm standen. Bruhns starb bereits mit 31 Jahren – so jung wie Franz Schubert –, doch dass aus seinem Œuvre nur 16 Werke überliefert sind, hat andere Gründe: Bruhns war Organist, ein Tastenvirtuose, der zahllose Gottesdienste mit seinen Orgelimprovisationen musikalisch begleitete. Da Bruhns vermutlich nicht als Lehrer tätig war, gab es für ihn auch keinen Grund, seine Werke für etwaige Schüler auf Papier festzuhalten.

Das, was er dennoch aufgeschrieben hatte, ist aussergewöhnlich originell. Schon das Orgel-Praeludium e-Moll, mit dem das Konzert von Marie-Odile Vigreux eröffnet wurde, zeigte Bruhns’ Vorliebe für starke Dissonanzen, virtuose Läufe, Echoeffekte. Die erste Kantate des Abends, «Hemmt eure Tränenflut», offenbarte dann Bruns’ Formsinn: Jede Strophe wird von einer anderen Stimmlage vorgetragen; das Vokalquartett kommt nur bei pointierten Stellen – etwa in der prächtigen Fuge zum abschliessenden «Amen» – gemeinsam zum Einsatz. Dazwischen imitieren Instrumentalritornelle das gesungene Wort, antworten darauf, deuten es, wiederholen es in reich verzierter Manier.

Berückend schön

So eröffnete der glockenreine, wunderbar klar geführte Sopran von María Cristina Kiehr diese Osterkantate mit den Worten «Der heutge Tag ist unvergleichlich gut», um sich dann nahtlos in das ausgesprochen homogene Vokalquartett einzugliedern. Alex Potter beeindruckte dabei mit seinem warmen, samtenen Altus, Jakob Pilgram liess seinen wandlungsfähigen Tenor je nach Textgrundlage hell und zart oder kräftig dunkel tönen, René Perlers schlanker Bass stützte das Ensemble. Alle überzeugten durch hohe Textverständlichkeit, und sie nahmen den Sinn der Worte in ihrer musikalischen Interpretation auf. Berückend schön, wie alle vier Sänger ganz ruhig und leise zu der gleichnamigen Kantate mit «Ich liege und schlafe ganz mit Frieden» einsetzten, um dann mit «denn du allein, Herr» ein prächtiges, vielstimmiges Konzert anzustimmen.

Dass Bruhns auch als virtuoser Geiger bekannt war zeigte sich im Concerto «Mein Hertz ist bereit». Dieser Bass-Arie ist eine raffinierte Ouvertüre für Solovioline vorangestellt. Regula Keller interpretierte diese anspruchsvolle Partie ungemein musikalisch, liess ihre Barockgeige sprechen und singen, klagen und weinen.

Geradezu bescheiden machte sich bei all dem das Dirigat von Jörg-Andreas Bötticher aus, der vom Organo aus das Geschehen leitete. Nur hin und wieder setzte er kleine Zeichen, gab Einsätze und Tempi an. Auch wenn hier komplex gesetzte Kirchenkantaten vorgetragen wurden, so spielen diese Musiker doch ganz kammermusikalisch, so wach schauen sie aufeinander, so agil musizieren sie miteinander. Andächtige Ruhe nach Verklingen des letzten Tones, dann starker Applaus.

  • Das Konzert wurde von Radio SRF aufgenommen. Sendetermin: Mo. 1. Juli, 22.30 Uhr; Wiederholung Sa. 6. Juli, 17 Uhr. fiori musicali, SRF 2 Kultur. www.abendmusiken-basel.ch

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