Zusammen ist es am schönsten: Für viele DJs und Produzenten aus der elektronischen Musik scheint es momentan spannender zu sein, mit einer Band zu touren, als alleine mit dem Plattenkoffer um die Welt zu jetten. Warum, das erklären internationale DJs wie Damian Lazarus oder Henrik Schwarz.
DJ zu sein, ist heute nichts mehr Ausgefallenes, in der elektronischen Musikszene herrscht ein DJ-Überfluss. Weil sich heute fast jeder DJ nennt, suchen gestandene DJs neue Herausforderungen. Eine Band zu gründen, gehört dazu. Gleich mehrere aktuelle Plattenreleases sprechen für diesen Trend. DJs treffen auf Bands und Orchester.
Der Deutsche DJ und Produzent Henrik Schwarz, in Basel bestens bekannt, erklärt den Trend so: «Akustische Instrumente mit den Möglichkeiten der elektronischen Musik zu manipulieren, ist ein interessanter Weg. Wir gehen mit unseren Mikrofonen extrem nahe an die Instrumente ran – manchmal sogar hinein wie mit einer Lupe. Das erzeugt einen neuen Sound, der interessant ist, sowohl für uns Elektroniker wie auch für die akustischen Musiker.» Auf seinem neuen Album «Instruments» hat er Technotracks speziell für ein Orchester umgeschrieben.
Spricht Schwarz über das Zusammenspielen mit anderen Musikern, kommt er regelrecht ins Schwärmen: «Es entsteht manchmal eine besondere Magie, die sehr filigran und sehr komplex ist. Diese besondere Energie ist für mich ein sehr wertvolles Gut. Heutzutage wird alles immer sehr schnell digitalisiert und kopiert und verliert dadurch manchmal an Intensität. Beim Spielen vor Publikum kann man diese besondere Energie leichter erzeugen – es passiert im Moment, und alle Anwesenden können das miterleben. Zusammen mit Band fällt das noch leichter als allein.»
Es sei so was wie ein kindlicher Spieltrieb, der ihn zu diesem Projekt bewegt habe, sagt Schwarz. «Die Elektroniker sind alle Spielkinder, die blinkende LEDs mögen und Knöpfe zum drehen. Mit viel Respekt, aber auch mit Leichtsinn und Leichtigkeit und einer ganz anderen Perspektive, als das klassisch ausgebildete Komponisten machen, bin ich dann auch an das Orchester rangegangen.»
Neues ist gefragt
Schwarz gibt zu, dass er sich das vor ein paar Jahren wahrscheinlich noch nicht getraut hätte. Es habe auch mit musikalischer Erfahrung zu tun, mit dem Erwachsenwerden und der Weiterentwicklung in der Musikbranche. «Das ist natürlich toll, dass jetzt so viele Türen aufgehen. Die klassischen Konzerthäuser müssen sich allerdings auch bewegen und Neues wagen. So geht man aufeinander zu und sucht einen spannenden Ansatz, indem zwei Welten zueinander finden, die viel zu lange getrennt voneinander existiert haben.»
Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt sein Labelkollege Frank Wiedemann, der sonst mit dem international erfolgreichen elektronischen Live-Act namens Âme unterwegs ist. Hier trifft Techno auf Folkmusik. Zusammen mit dem australischen Singer-Songwriter Ry Cuming hat Wiedemann eine neue Platte mit dem Titel «Sacred Ground» veröffentlicht. «Howling» nennt sich das Duo, wobei die zwei Musiker aus völlig unterschiedlichen Genres stammen.
Wiedemann sagt dazu: «Ry und ich haben schnell festgestellt, dass wir total Spass daran haben, gemeinsam Musik zu erschaffen, obwohl wir aus verschiedenen Musikrichtungen kommen.»
Abwechslung sei wichtig im Leben, umso mehr freue er sich nun auch auf die Tour mit der Band. «Allerdings heisst das nicht, dass mir die Arbeit mit Âme, meinem elektronischen Musikprojekt, weniger Spass macht. Es ist einfach etwas komplett Anderes.»
Eine weitere schillernde Figur hat ein aufwendiges Bandprojekt gegründet: Damian Lazarus. Der Brite wird immer wieder als innovativer DJ gelobt, der einen sehr guten Riecher für spezielle Trends in der elektronischen Musik habe. Lazarus mag es opulent episch.
Musik aus dem Jungle
Der Naturliebhaber umkreist seine Beweggründe zu seinem neuen Bandprojekt «Damian Lazarus and The Ancient Moon» so: «Ich hab gespürt, dass es genau der richtige Zeitpunkt für neue Herausforderung war und um etwas Neues zu entwickeln. Als DJ geniesse ich es immer wieder, draussen in der Natur spielen zu dürfen: in der Wüste, in Wäldern, am Strand oder in den Bergen. Das sind spezielle, mystische Momente, die ich in diesem Album reflektieren wollte».
Dreissig Musiker haben am Album mitgearbeitet, unter anderem auch Leute aus Pakistan oder Ägypten. Das ist eine kostspielige Angelegenheit. Kostspieliger als wenn er alleine in einem grossen Club wie etwa dem Basler Nordstern auflegt. «Weil es viel zu teuer kommt, mit einem Dreissig-Mann-Orchester herumzureisen, habe ich entschieden für meine Live-Show die Band auf vier Leute zu reduzieren,» sagt Lazarus. Live zu hören sein werden «Damian Lazarus and the Ancient Moon» am diesjährigen Melt Festival in der Nähe von Berlin.
Fink wählt den umgekehrten Weg
Ausgerechnet ein Vorreiter dieser Bewegung geht nun den umgekehrten Weg. Der britische Folk-Sänger Fink, der seit im letzten Sommer am Open Air Basel auftrat, hat schon vor vielen Jahren den Schritt vom DJ-Pult auf die Konzertbühne gewagt. Nun zieht es ihn zurück zur elektronischen Musik. Zu hören ist das auf seinem neuen Album «Horizontalism», welches während seinem Aufenthalt in Berlin entstanden ist.
Anders als seine bisherigen Alben habe ihn die neue Platte praktisch nichts gekostet, sagt Fink. «Ich hab die ganzen Remixes in meiner Berliner Wohnung aufgenommen. Das war eine echte Erleichterung, mal kein finanzielles Risiko zu tragen und darum auch keinen Verkaufsdruck zu verspüren.»
Man kann davon ausgehen, dass die erwähnten DJs auch weiterhin ihr Geld mit DJ-Auftritten in grossen Clubs verdienen. Ein Bandprojekt bleibt eine Herzensangelegenheit, die aufwendig und kostspielig ist. Da rentiert es sich finanziell immer noch mehr als Einzelfigur mit einem Plattenkoffer herumzureisen.