Der Begriff geht nur schwer von der Zunge, und doch wird er zurzeit in den Medien, an den Unis und in den Beizen heiss diskutiert: Cultural Appropriation, zu Deutsch kulturelle Aneignung. Gemeint ist die Adoption eines Elements aus einer anderen, häufig fremden Kultur – meist die einer Minderheit. Ein Beispiel: das Tragen eines indianischen Kopfschmucks zur Fasnacht. Oder der Pizzabäcker um die Ecke, der noch nie in Italien war.
Es ist eine Diskussion ohne Aussicht auf ein Ende. Und es brauchte eigentlich nur drei kleine Worte, um sie loszutreten: Darf man das?
Ein Imagine voller Denkanstösse
Diese Frage ist das Motto des diesjährigen Imagine-Festivals, das nach dem letztjährigen Ausflug an den Hafen wieder in der Basler Innenstadt über die Bühnen geht. «Jemand aus dem Team hatte den Begriff Cultural Appropriation eingebracht. Wir merkten, wie viele Beispiele es dafür gibt, die uns gar nicht bewusst waren», sagt Imagine-Sprecher Felix Bartos. Es sei ein Thema, zu dem sich jeder eine Meinung bilden könne.
«Wir wollen aber keine Antwort geben. Wir wollen die Leute selber zum Nachdenken anregen», sagt Bartos. Eine Ausstellung im Durchgang zwischen Barfüsserkirche und Theaterplatz soll die nötigen Denkanstösse liefern. Auf der Kleinkunstbühne beim Theater wird es zudem Poetry Slam und Lesungen geben, passend zur Thematik.
Und die Musik? Natürlich gehen die meisten Leute wegen der Bands ans Imagine, das ist auch Bartos bewusst. Auf der grossen Bühne auf dem Barfüsserplatz wird dieses Jahr nicht die ganze, aber immerhin die halbe Welt vertreten sein.
Party, Party, Party
Den Anfang macht am frühen Freitagabend der in Berlin wohnhafte Neuseeländer Noah Slee. Er reichert Soul mit Electro-Ticks und wuchtigen Bässen an und verschmilzt das alles mit seiner weichen Stimme zu einem reichhaltigen R&B-Sound.
Nach ihm erobert um 20.30 Uhr mit Šuma Čovjek der Balkan die Bühne. Das bedeutet, Sie ahnen es vielleicht bereits: Trompeten, Rasseln und Party, Party, Party. Und falls Musik und Tanz alleine noch nicht genug zusammenschweissen: Die Schweizer Band mit bosnischen und algerischen Wurzeln singt in fünf (!) verschiedenen Sprachen.
Am Samstag starten die Weird Fishes aus Basel bereits um 16.30 Uhr in den zweiten Festivaltag. Zu ihrem poppigen Jazz lässt sich perfekt mit dem Nachmittags-Bier in der Sonne schaukeln. Und hey, ausgezeichnet sind sie auch: Im April haben die schrägen Fische den Imagine-Bandcontest gewonnen – und damit auch den Auftritt auf der Barfi-Bühne.
Etwas Stil gefällig?
In Skandinavien sind sie bereits der Renner. Und wie sagt man: Die im Norden, die sind uns einfach einen Schritt voraus. Das dänische R&B-Duo Phlake bringt am Samstagabend den Stil nach Basel: Feine Beats geben die Farbe, starker Gesang legt die Akzente, und gemeinsam schafft das viel Ambiente. Und dann singt Sänger Mads Bo erst noch über das Möbelhaus Ikea. Verrückt!
Zum Schluss wirds dann auf der Bühne etwas politisch – auch wenn die Band dem widerspricht. Die Musik von Soul47 sei eher eine «Reflexion der Realität», sagte Mitglied Abu Kwaik kürzlich in einem Interview. Die vier Männer von Soul47 sind Palästinenser und leben im Moment in London. Die Politik aus dem eigenen Werk rauszuhalten, dürfte da nicht einfach sein.
Aber das klingt jetzt alles trister, als es ist. Denn die Musik von Soul47 ist ziemlich wuchtig: schnelle Keyboards und schnelle Beats, elektronischer arabischer Sound in voller Blüte. Dann noch etwas Hip-Hop in Englisch und Arabisch darüber, und die Weltreise am Imagine ist perfekt.
Imagine, 8./9. Juni. Das gesamte Festival-Programm finden Sie hier.