Weshalb der Mythos grösser ist als die Filme

Wenn am Donnerstag der siebte «Star Wars»-Film seine Premiere feiert, werden drei Generationen von Fans den Atem anhalten. Unser Autor ist einer von ihnen.

«Star Wars: The Force Awakens» – ein Poster weckt die Vorfreude.

Wenn am Donnerstag der siebte «Star Wars»-Film seine Premiere feiert, werden drei Generationen von Fans den Atem anhalten. Unser Autor ist einer von ihnen.

1978 – A New Hope
1980 – The Empire Strikes Back
1983 – Return of the Jedi

Irgendwann Mitte der 1980er-Jahre, ich war, keine Ahnung, sieben, acht Jahre alt, kam ich in den Besitz einer VHS-Videokassette, auf der ein vier Minuten langes Making-of eines atemberaubenden Filmes zu sehen war. Zwischen langweiligen Interview-Schnipseln sah ich Kämpfer mit Laserschwertern und fliegende Motorräder, die sich halsbrecherische Verfolgungsjagden durch einen Urwald lieferten. Und Raumschiffe. Ich schaute mir diese vier Minuten immer und immer wieder an. Meine Eltern beobachteten mich dabei, glaube ich, mit diesem leicht besorgten, zugleich aber auch glücklichen Gefühl, mit dem man sich über den schmalen Grat zwischen Faszination und Obsession eines Kindes freut. Ich habs nicht mitgekriegt.

Ein paar Monate später brachte mir ein Onkel, Besitzer einer Videothek, einen Film mit. «Star Wars». Die Welt war danach eine andere für mich. Ich glaube nicht, dass es der epische Kampf zwischen Gut und Böse war, der mich so in seinen Bann schlug. Auch nicht unbedingt die Charaktere, obwohl ich schon ein bisschen so sein wollte wie Luke Skywalker. Nein, es war dieses Gefühl von Weite, von der Möglichkeit endloser Abenteuer, die dieser Film besser vermittelte als jede Geschichte, die ich davor gehört hatte. Diese weit, weit entfernte Galaxie, sie war für die nächsten Jahre die Bühne für die grössten Abenteuer in meinem kindlichen Kopf.

Mein Lieblingsspielzeug: «Star Wars»-Figuren. Nicht sehr viele, da sie ziemlich teuer waren. Einige davon habe ich bis heute. Zum Film, der als einer der ersten mehr Geld mit Merchandising als an der Kinokasse verdient hat, gab es schon damals alles Erdenkliche. Das aber nur in Amerika. Glaube ich zumindest. Ich hatte die Filme, die Figuren und mein wertvolles Making-of. Das reichte, um «Star Wars» zum roten Faden meiner Kindheit zu machen. 

 

1999 – The Phantom Menace
2002 – Attack of the Clones
2005 – Revenge of the Sith

Jahrtausendwende. Abgesehen von Entertainment hatte das Kino an der Schwelle zum Erwachsenenleben keine besondere Bedeutung für mich. Ausser diesmal. Ich hatte mir Monate im Voraus Tickets für die Premiere gekauft. War von einer Marketing-Welle überrollt worden, die mich zwischen freudiger Erwartung und dunkler Sellout-Vorahnung schwanken liess. Am grossen Abend sass ich im Kinosaal, nicht verkleidet wie die meisten, aber voller Verständnis für ihre von vielen belächelte Obsession. «Star Wars»! Auf der grossen Leinwand! Licht aus, Film ab. Es war nicht schön.

Alberne Figuren wie Jar Jar Binks, kompliziert-belangloser Plot über Banker, Politik und galaktischen Bürgerkrieg, vor allem aber: ein Universum aus Plastik, das am Rand der Kinoleinwand zu existieren aufhörte. «Star Wars»-Erfinder George Lucas hatte die ganze Magie in einer computergenerierten Special-FX-Orgie zerbröselt. Die beiden nachfolgenden Prequels konnten wenig retten. Ich erfuhr, wie Darth Vader zu seinem schwarzen Anzug, seinem Roboter-Arm und seiner schweren Atmung kam. In erster Linie blieben mir von den unseligen Prequels aber nur dunkle Erinnerungen an solche Sachen:



«Star Wars»: Darth Vader Burger

«Star Wars»: Darth Vader Burger

Der Mythos meiner Kindheit aber, der starb nicht.

 

2015 – The Force Awakens

… and onward

Mein Sohn ist jetzt sieben Jahre alt. Und «Star Wars»-Fan. Ich bin nicht schuld daran, zumindest nicht initial. Vor einiger Zeit, auf einem dieser ziellosen Spielzeugladen-Besuche, blieb er vor einem Podest stehen, darauf schön aufgebaut ein grosser Haufen von Figuren, Fahrzeugen und Raumschiffen. Auf einem schlechten Bildschirm liefen kurze Ausschnitte aus den Filmen. Er blieb sprachlos stehen. Als ich ihn zum Weitergehen aufforderte, kam die Frage: «Was ist das?»

Damals noch zu klein für die Filme, begann ich damit, ihm meine eigenen Geschichten zu erzählen aus dieser weit, weit entfernten Galaxie. Wie Darth Vader mit seinem Lichtschwert gegen die Jedis kämpft, wie Han Solo und Chewbacca mit dem Millennium Falcon Abenteuer auf Endor erleben. Wie Yoda und Obi Wan Kenobi die Kinder in der Jedi-Schule auf Coruscant im Umgang mit der Macht unterrichten. Dabei realisierte ich, wie sehr die Charaktere der ersten Filme universellen Archetypen aus den letzten 2000 Jahren menschlicher Mythologie entsprechen. Und wie gut sie sich eignen, um spannende Geschichten zu erfinden.

(Wie George Lucas im ersten Film, überlasse ich es der Fantasie des Lesers, der diese Begriffe nicht kennt, sie mit Sinn zu füllen.)

Mit dem Kinostart von «The Force Awakens» steht nun der zweite Anlauf an, den Mythos auf der Kinoleinwand weiterzuführen. Die volle Wucht der Marketing-Maschine von Disney dreht seit Monaten auf Hochtouren. Im Wochentakt erscheint ein neuer Trailer, in dem ein neues minikleines Detail enthüllt wird. Die Schauspieler geben Interviews. Die Spielzeugläden haben ganze Abteilungen für «Star Wars» freigeschaufelt.

Aber – und das ist diesmal neu – es gibt Social Media und seine Remix-Kultur. Es gibt Videogames, die kaum von der Wirklichkeit zu unterscheiden sind. All das potenziert die Allgegenwart von «Star Wars» und führt dazu, dass Fans wie ich (und mein Sohn) jeden Tag eine neue Facette dieses Universums sehen.

Der Mythos ist grösser, als es der eigentliche Film je sein könnte. Das beruhigt mich im Hinblick auf die Filmpremiere am 17. Dezember, die meine überlebensgrossen Erwartungen kaum erfüllen wird. Aber das ist völlig o.k. Die Abenteuer in diesem Universum werden meinen Sohn und mich so oder so die nächsten Jahre über begleiten.

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Für alle, die auch noch objektive Artikel zum Thema lesen möchten (Englisch):

You Won’t Live to See the Final Star Wars Movie

‚Star Wars‘ Strikes Back: Behind the Scenes of the Biggest Movie of the Year

Und natürlich DER TRAILER:

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