Die Wiener Gestalter Breaded Escalope suchen im Kunsthaus Baselland einfache Lösungen für komplexe Designfragen. Eine Ausstellung, die die Grenzen zwischen Kunst und Design auslotet.
Da stehen sie, die drei Wiener Gestalter von Breaded Escalope (zu deutsch Wiener Schnitzel), und man denkt nach nur wenigen Augenblicken, dass das Trio in seiner Arbeit wohl vor allem die Spielfreude sucht. Hier wird getüftelt und gebastelt, und das Resultat, so scheint es, wird ganz nebensächlich. Das stimme natürlich nur bedingt, versichert uns Martin Schnabl. «Doch die Herangehensweise steht sicherlich im Fokus.» Um dies zu verstehen, hilft am besten ein Beispiel. Wir nehmen dazu jenes Werk, das im Kunsthaus Baselland als erstes ins Auge fällt.
Über die Treppe, die vom Erdgeschoss ins Untergeschoss führt, zieht sich eine halsbrecherische Holzkonstruktion. Auf die Frage, was das sei, erhält man die lapidare Antwort: «Eine Kugelbahn.» Die auch tatsächlich funktioniere, wie Kunsthaus-Direktorin Ines Goldbach mit Blick auf unsere hochgezogenen Augenbrauen rasch anfügt.
Unsere Skepsis bleibt, doch der Beweis für die Funktionstüchtigkeit des Werkes folgt ein Stockwerk tiefer. Ein Video hat dokumentiert, wie Breaded Escalope eine Kugel von rund einem halben Meter Durchmesser die Holzbahn hinunterschickten. Und wie sie heil in der hintersten Ecke des Raumes ankam.
Die Suche nach dem Mittel zum Zweck
Das Rollen der Kugel ist allerdings nicht das Werk an sich, auch nicht das Ziel. Es ist nur Mittel zum Zweck. Denn im Innern der Kugel ist eine Silikonhülle angebracht, die während des Rollens einen Hocker formt. So wird nun vor dem Start der Kugel erhitztes, flüssiges Kunstharz in diese Form gegossen, das innert weniger Minuten fest wird. Durch das Rollen der Kugel über die Bahn wird das Harz in der Form verteilt – idealerweise regelmässig. Hat die Kugel ausgerollt, kann man ihr einen fertigen Hocker entnehmen.
Die Hocker jedoch haben immer eine andere Form. Denn die Silikonform ist weich und biegsam und verändert so durch die Zentrifugalkraft in der Kugel stetig ihre Form. Mit jedem Rollen also entsteht ein Hockerunikat.
Diese «Original Stools» haben Breaded Escalope hier in Muttenz nicht zum ersten Mal hergestellt. Sie haben die Kugel zum Beispiel auch schon die Bobbahn in St. Moritz hinuntergeschickt (siehe Video). An die 60 Hocker sind bisher in diesem Verfahren entstanden. Gut möglich, dass auch ein paar darunter sind, auf denen man nicht unbedingt bequem sitzen kann.
Design goes Kunst – oder umgekehrt
Die drei Mitglieder von Breaded Escalope (man ist versucht, hier Jungs zu schreiben) kommen zwar vom Design her, stehen nun aber nicht im zum ersten Mal im Zentrum einer Ausstellung in einer Kunstinstitution. Sie bewegen sich an der Grenze zwischen den beiden Genres – wobei es schwierig ist, diese zu ziehen. Auf die landläufige Unterscheidung, wenn etwas anwendbar ist, ist es Design, wenn nicht, Kunst, zurückzukommen, wäre zu simpel. Und sie griffe zu kurz.
Breaded Escalope ist diese Frage denn auch zu Recht Hans was Heiri. Sie machen einfach, was sie machen, auf ihre ganz eigene Art. «Wir gehen naiv an eine Sache ran», sagt Michael Tatschl. «Und suchen einfache Lösungswege.» Das dritte Escalope-Mitglied Sascha Mikel ergänzt: «Wir finden vor allem das Aneignen von Fertigkeiten spannend.»
Ein Kochtopf macht Holz biegsam
In Bezug auf ein anderes hier präsentiertes Werk hiess die Frage: Wie machen wir Holz biegsam? Die Lösung fand das Trio in einer tragbaren Kocheinheit. Eine Pfanne drauf, aus der ein Rohr den heissen Wasserdampf in ein grösseres Rohr leitet, in das man einen Holzstab legt. Je nach Dicke holt man diesen nach einer oder mehreren Stunden raus und biegt ihn um ein geeignetes Objekt, bis er die gewünschte Form erhalten hat.
Die ersten dieser Stäbe kombinierten die drei Gestalter mit industriell gefertigen Produkten – einem Monoblock-Stuhl etwa oder einer Plastikgiesskanne –, um die Unterschiede zwischen industrieller Fertigung und Handarbeit deutlich zu machen.
Fertige Produkte nutzen sie immer wieder, zum Beispiel auch für das Werk «Your clock»: Eine Faltblattuhr wird derart modifiziert, dass sie die aktuelle Zeit erst anzeigt, wenn man an einer Schnur zieht. Man kann dann einerseits zusehen, wie viele Momente verronnen sind, seit man das letzte Mal auf die Uhr geblickt hat. Und man diktiert der Uhr den Zeitfluss und nicht umgekehrt.
Gegossene Erinnerungen
Für Basel haben sich Breaded Escalope aber auch noch etwas Neues einfallen lassen. Im späten Frühling riefen sie die lokale Bevölkerung dazu auf, ihre liebsten Alltagsgegenstände ins Kunsthaus zu bringen. Aus den gesammelten Gegenständen wollten sie Möbelstücke bauen – Möbel, deren Kern aus Erinnerungen besteht.
Eine Sitzbank ist es geworden, dazu eine Lampe mit Schirm. Was darin verborgen ist, lässt sich nur noch erahnen. Man sieht die Umrisse eines Fahrrads, dann ein Surfbrett vielleicht? Auf Zetteln kann man nachlesen, was die Leute hinterliessen. Und auf zwei Bildschirmen sehen und hören, wer welches Objekt abgegeben hat und warum. So erfährt man beispielsweise, dass Philippe Bischof, der Abteilungsleiter Kultur Basel-Stadt, eine Honigsammlung besitzt.
Das Spielerische, das man ab dem ersten Moment in den Werken von Breaded Escalope vermutet, das ist auch am Schluss des Ausstellungsrundganges noch da. Dahinter hat man aber noch viele weitere Facetten entdeckt, die das Schaffen der Wiener ausmachen. Hintersinniges und auch Gesellschaftskritisches. Die Gedanken, die sie sich machen, lassen sich teilweise handfest nachvollziehen. Und machen diese Ausstellung so spannend.
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Breaded Escalope, Kunsthaus Baselland, 8. August bis 7. September 2014. Vernissage Donnerstag, 7. August, 18.30 Uhr.
Eine zweite Ausstellung widmet sich parallel dazu der Sammlung des Kunstvereins Baselland sowie erneut der Sammlung Neue Medien dotmov.bl. Daraus wurden Werke von Alex Silber, Manon Bellet und Sonja Feldmeier ausgewählt. Eine Besprechung dieser Ausstellung folgt.