«Wir sind keine Messe»

Am Wochenende findet der vierte DesignMarkt statt. Die drei Initiantinnen Monica Linder-Guarnaccia, Hanna Baur und Anna-Flavia Barbier sagen, was sich seit dem ersten Mal verändert hat.

(Bild: Michael Würtenberg)

Am Wochenende findet der vierte DesignMarkt statt. Die drei Initiantinnen Monica Linder-Guarnaccia, Hanna Baur und Anna-Flavia Barbier sagen, was sich seit dem ersten Mal verändert hat.

Den ersten DesignMarkt lancierten Sie 2009 aus dem Gefühl heraus, es bestehe Nachholbedarf bei Vermarktung des Designs in der Region. Hat sich etwas ­verbessert?

Hanna Baur: Es hat sich einiges ­verändert. Vor allem durch zwei Institutionen, das Stellwerk im Bahnhof St. Johann und den «Leuchtturm ­Kreative Wirtschaft». Und auch dadurch, dass das Amt für Wirtschaft und Arbeit die Initiative Kreativwirtschaft Basel (IKB) gründete, eine weitere Plattform, die Projekte der Region ­fördert und kommuniziert.

Monica Linder-Guarnaccia: Es gibt noch viele mehr, etwa die Gruppierung «Dynamo Basel», das «Depot Basel», «Kulturstadt jetzt» – es haben sich viele zusammengeschlossen, um wirklich etwas zu ändern. Wichtig ist auch, dass diese Gruppen nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten. Gerade die Kreativwirtschafts­studie, die 2010 erschien, führte dazu, dass die Leute anfingen, aufeinander zuzugehen. Hier war vor allem das Stellwerk ein Knotenpunkt, weil es den Austausch über das ganze Jahr hinweg ermöglicht. Trotzdem ist das Bedürfnis, das wir 2009 orteten, immer noch da.

Gerade die Lücke zwischen Schule und Markt sei noch immer ungenügend geschlossen, hört man immer wieder. Stimmt das?

Anna-Flavia Barbier: Ja. Viele Leute suchen immer noch günstige Räume, in denen sie produzieren könnten. Denn erst wenn jemand ein Produkt hat, kann es auch angeboten werden. Hier ergänzen wir uns mit den anderen Förderplattformen sehr gut.

Der Kanton hat die IKB gegründet und sie im Amt für Wirtschaft angesiedelt. Viele sehen sie dort aber am falschen Ort. Ist sie das?

Linder-Guarnaccia: Kreativwirtschaft als Name finde ich super, weil er zeigt, dass die Kreativen auch wirtschaftlich denken müssen. Das ist uns ein zentrales Anliegen. Gleichzeitig kann man aber Kreativität nicht mit Wirtschaftlichkeit überdecken – das Kreative muss im Vordergrund stehen bleiben.

Baur: Kreativwirtschaft als Begriff hat wohl – wie auch Kulturmanagement – den Hintergrund, dass Kultur zwar gefördert werden soll, aber nicht immer nur über Subventionen. Das wirtschaftliche Denken muss präsenter werden.

Barbier: Dieser Gedanke zeigt sich auch im neuen Kulturleitbild: Dass das Schaffenspotenzial erkannt und diesem eine Anlaufstelle geboten wird – im Falle des Designs die IKB –, wo die ­Macher in ihren Möglichkeiten unterstützt werden können. Der Wunsch der Regie­rung nach solchen Kooperationen ist sicherlich da, aber wie er schliesslich gelebt wird, ist entscheidend.

Und doch ist es so: Wer kulturell ­tätig ist, hat beim Kanton eine klare Anlaufstelle, wer Design macht, ist für seine Wirtschaftlichkeit selbst verantwortlich. Die IKB unterstützt ja nicht einzelne Labels, sondern Projekte. Auch Sie hatten bisher das Problem, dass für den DesignMarkt beim Kanton niemand zuständig war. Hat sich da für Sie was geändert?

Linder-Guarnaccia: Ganz ehrlich gesagt, nein. Gewisse Stiftungen sind zwar offener geworden. Doch Design fällt immer noch überall durch die ­Maschen. Und gerade wenn man sagt, man mache einen Markt, dann heisst es schnell: Aha, eine Messe, die muss selbsttragend sein. Dass es sich aber um eine Förderplattform, um einen Markt, handelt und nicht um eine ­Messe, das kann unserer Erfahrung nach nur im persönlichen Kontakt, in aufwendiger Aufklärungsarbeit wirklich vermittelt werden.

Sie sagen klar, der DesignMarkt ist keine Messe. Doch er spricht auch ein Fachpublikum an. Worin genau liegt denn der Unterschied zu einer Messe?

Baur: Eine Messe ist ein Unternehmen, und im Vordergrund steht die Wirtschaftlichkeit. Bei uns ist es der Fördergedanke. Natürlich müssen wir die Finanzen decken, doch wir versuchen nicht, aus den Ausstellern Kapital zu schlagen, sondern wollen ihnen günstige Konditionen bieten. Damit sie ihre Produkte am Markt testen können.

Linder-Guarnaccia: Wir setzen, wie eine Messe auch, auf qualitativ hoch­stehende Aussteller. Aber uns geht es auch darum, Talente zu finden. Mit ­400 Franken sind unsere Aussteller dabei, damit ist alles abgedeckt, von der Standmiete bis zur Werbung. Eine Messe kostet hingegen mindestens 3500 Franken. Wir bieten das Rüstzeug dafür, dass eine Messe­teilnahme für unsere Aussteller irgendwann im Bereich des Möglichen liegt.

Was schätzen denn die Aussteller am DesignMarkt am meisten?

Linder-Guarnaccia: Das ist sehr durchmischt. Sicher gehört der direkte Kontakt zur Kundschaft dazu und ebenfalls die Netzwerkbildung untereinander oder zum Fachpublikum, zum Beispiel zu grossen Produzenten. Dass die Aufmerksamkeit für den DesignMarkt von Jahr zu Jahr wächst, wirkt sich für sie natürlich ebenfalls positiv aus.

Wie wählen Sie die Labels aus?

Linder-Guarnaccia: Progressivität, Originalität und Qualität sind für uns die Schlagworte. Vor allem die Einzigartigkeit ist uns wichtig. Wir achten aber auch auf vorhandenes Potenzial – der Platz muss da sein, dass etwas ausgetestet ­werden kann.
Baur: Ein Aussteller sollte sich nicht dreimal mit demselben Produkt bewerben. Da fehlt die Weiterentwicklung, und da geben wir manchmal auch Anregungen.

Barbier: Die Auswahl findet im Übrigen durch ein Expertengremium statt, nicht durch uns. Uns ist auch wichtig, dass sich etabliertere Labels mit ganz neuen durchmischen. Vor allem für die Ausbildung ­eines Netzwerks ist das sehr vorteilhaft.

Gibt es eine Limite, wie oft jemand teilnehmen darf?

Linder-Guarnaccia: Nein. Es hat sich eine gesunde Fluktuation ergeben. Dieses Jahr haben wir zudem das Aufnahme­prozedere etwas modifiziert, dadurch haben wir viele neue Labels im Programm.

Sind es hauptsächlich regionale ­Labels?

Linder-Guarnaccia: Der Fokus ist zwar regional, doch das Einzugsgebiet ist grösser geworden. Manche, die hier studiert haben, sind weggezogen. Und genau das wollen wir ja verhindern.

Gespräch zur Zukunft des Designs46 Labels aus den Sparten Mode, Möbel, Schmuck und Accessoires bieten am DesignMarkt ihre Produkte an. Der Eintritt ist frei.Erstmals findet am Samstag (16.30 Uhr) in Zusammenarbeit mit der Initiative Kreativwirtschaft Basel der DesignMarkt Talk statt. Unter der Moderation von Katja Reichenstein werden Joachim Kobuss (Autor), Werner Baumhakl (Leiter Institut Industrial Design HGK) und Florian Hauswirth (Designer) der Frage nach der Zukunft des Designs nachgehen. DesignMarkt: Dreispitz­halle, BaselSamstag, 22. September, 10 bis 20 Uhr, Sonntag, 23. September, 10 bis 17 Uhr; www.designmarkt.ch

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 21.09.12

Nächster Artikel