Nachdem bei der Basler Regierung eine Interpellation gegen die neuen Bass-Begrenzungen in Clubs eingereicht wurde, wehren sich nun auch der Wirteverband und der Verein Kultur und Gastro. Inzwischen hat auch das Amt für Umwelt und Energie reagiert. Die Kritiker würden von falschen Berechnungen ausgehen, meldet die Behörde.
Die neuen Auflagen des Amtes für Lärmschutz betreffend die Bass-Beschränkung in Clubs, Musiklokalen und Open Airs stösst auf Kritik. Die strengen Auflagen sind schweizweit einzigartig. Der Wirteverband und die beiden Vereine Kulturstadt Jetzt und Kultur und Gastro sind der Meinung, dass die neue Regelung einen Einschnitt in die zeitgenössische Kunst bedeute – und auch juristisch sehr fragwürdig sei.
Der Wirteverband verfolgt den Vollzug des Lärmschutzes in Basel-Stadt seit Langem mit grossem Unbehagen. Mehrere Mitglieder seien direkt von den Auflagen betroffen. Maurus Ebneter vom Wirteverband sagt dazu: «Die hierfür herangezogene Gesetzesgrundlage (USG 11 und 12) ist grundsätzlich korrekt, doch nach Ansicht unserer Juristen sind die Dinge halt nicht ganz so einfach: Das Bundesgericht hat im berühmten Eierbrecht-Fall die Praxis begründet, wonach für Gastronomiebetriebe die Richtlinie der nationalen Vollzugshilfe ‹Cercle Bruit› heranzuziehen sei.»
Unverhältnismässig und ausschliesslich baslerisch
Der «Cercle Bruit» berücksichtige bereits die Basslastigkeit, also verbleibe für eine zusätzliche einschränkende Auflage kein Raum. Die sogenannte «Doppeleinschränkung» sei klar unzulässig, sagt Ebneter. «Gerichtlich beurteilt wurde das noch nicht; es ist auch eine ausschliesslich baslerische Idee. Alleine der Messaufwand, einerseits db A (der allgemein bekannte Dezibelwert), andererseits db C (die tiefen Basstöne) zu messen, ist unverhältnismässig.»
Ebneter kritisiert weiter: «Entgegen den Behauptungen von Regierungsrat Brutschin, er habe seine Beamten angewiesen, bei vorhandenem Spielraum stets eine liberale Auslegung anzuwenden, passiert leider oft das Gegenteil.» Die Sichtweise vieler Lärmbeauftragter sei zu einseitig.
Verbot der elektronischen Musik?
Sandro Bernasconi vom Verein Kultur und Gastro zeigt ebenfalls Unverständnis gegenüber den neuen Vorlagen und sieht darin eine Beschneidung der zeitgenössischen Musik als Kunstform. «Die tiefen Basstöne gehören zu den neuen Musikproduktionen wie auch zur performativen Kunst», sagt Bernasconi. Die Vereinigung Kulturstadt Jetzt redet gar von einem «Verbot der elektronischen Musik».
Bernasconi bemängelt, dass die neue Regelung ohne den nötigen Dialog mit den Veranstaltern, Clubbetreibern und der Bevölkerung eingeführt wurde.
Praxisfern und unsinnig
Auch Open Airs sind von den neuen Regelungen betroffen. Beim Jugendkulturfestival Basel JKF sei der Kontext zwar ein anderer – es ginge mehr um den Event als solches als nur um die Konzerte. Sebastian Kölliker vom JKF kritisiert trotzdem: «Die Auflagen lassen sich kaum mit dem Kulturverständnis des Festival-Publikums vereinbaren. Für uns sind diese Regelungen praxisfern und unsinnig.»
Gewisse Club-Veranstalter zeigen sich ebenfalls empört. Nic Plesel ist selber ein erfolgreicher Veranstalter und DJ und nimmt kein Blatt vor den Mund: «Diese Verstümmelung der Musik und der Clubwirtschaft reflektiert den Stellenwert unserer Kultur und Kunst bei der Verwaltung.» Die Stadt unterbinde so die Entwicklung neuer Musik, Kultur und Kunstformen durch einen regulierten Bass-Anteil.
«Aussagen entbehren der Grundlage»
Die zuständige Behörde für Lärmschutz im Kanton Basel-Stadt zeigt sich über die harschen Reaktionen erstaunt. In einer Medienmitteilung schreibt sie, die Aussagen entbehrten der Grundlage: «In der Bewilligungspraxis bzgl. Lärmschutz hat sich im Wesentlichen im Kanton Basel-Stadt nichts verändert.»
Bei der Bewilligung von Musikveranstaltungen im Freien gehöre Basel zu den liberalsten Städten der Schweiz. So seien sogar in der Innenstadt Musikkonzerte bis zu einer Lautstärke von 100 dB(A) möglich, mit der Empfehlung, eine Differenz zwischen dB(C) und dB(A) von 14 einzuhalten.
In Zürich z.B. liegt der Grenzwert für OpenAir Veranstaltungen in der Innenstadt bei dB(C) 100. Das bedeutet, dass bei basslastiger Musik mit einer Differenz zwischen dB(C) und dB(A) von 14, maximal eine Lautstärke von 86 dB(A) erlaubt ist.
Der Verein Kulturstadt Jetzt hatte Anfang Woche moniert, dass die für die Messungen geltende Formel dB(A) – dB(C) = 14 einem Verbot zeitgenössischer elektronischer Musik gleichkomme. Der A-Wert bezeichnet den Schallpegel, wie er vom menschlichen Gehör wahrgenommen wird und der C-Wert ausschliesslich die Bassfrequenzen.
Tatsächlich werde der in Basel-Stadt maximal zulässige Bass-Wert genau umgekehrt berechnet, sagte Matthias Nabholz vom Basler Amt für Umwelt und Energie gegenüber «20minuten»: «Das heisst, der Bass-Wert darf tatsächlich bis zu 114 Dezibel betragen.»
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Ein Update folgt.
Philippe Bischof (Leiter Abt. Kultur, PD)
Stefanie Klär (Co-Präsidentin Kultur + Gastro, Veranstalterin)
Matthias Nabholz (Leiter Amt für Umwelt und Energie, WSU)
Mirjam Ballmer (Grossrätin, Kulturstadt Jetzt)
Gregory Brunold (Veranstalter, Nordstern)