Wochenstopp: Ameisenreisen

Lutz & Guggisberg richten in ihrem Theaterabend den Fokus auf einen Mikrokosmos.

Der Texter Lutz am Mikrofon, die Ameise Guggisberg an der Gitarre. (Bild: zVg/© )

Lutz & Guggisberg richten in ihrem Theaterabend den Fokus auf einen Mikrokosmos.

Ameisen haben auch ein Leben, sind sich Andres Lutz und Anders Guggisberg sicher. Ein Leben jenseits der fleissigen Arbeitsamkeit, jenseits des immer gleichen Alltags, in dem zum Beispiel Cola-Reste behutsam aus einer PET-Flasche geborgen werden müssen. Eine logistische Höchstleistung, für die es 2000 ihrer Sorte braucht. Doch was macht eine Ameise nach Feierabend?

Lutz & Guggisberg wissen: Ameisen ­hören wie die Menschen auch Musik. Sie verreisen – hinter den Kompostkorb, über die Waschbetonplatte, durch die Scheiterbeige. Sie haben ihr eigenes Internet, ihren «Molekularfunk» und Hunderte von Radiosendern. Sie sind eigentlich ganz menschlich, wenn man es genau besieht. Und Menschen sind in ihrem Universum überall, also ist es auch kein Wunder, dass die beiden Spezies immer wieder aufeinandertreffen. Bei Lutz & Guggisberg zum Beispiel in der Landbeiz von René und Eveline. Diese verursachen mit ihrer Fritteuse eine Ölpfütze, welche die Ameisen umschiffen müssen, wenn sie zu ihrem Ferienort, dem Sandstein, gelangen wollen.

Kunstperformance

Die Bekanntheit des Duos Lutz & Guggisberg kommt aus der bildenden Kunst. Dort fallen die beiden seit 1996 immer wieder durch abstruse, überbordende Installationen oder surrealistisch anmutende Gemälde und Skulpturen auf. Dass eine Performance der beiden genügend Absurditäten aufweisen wird, davon darf man ausgehen. Und das beweist auch schon der Untertitel der «Ameisenreisen»: «Performance für zwei Männer und drei Fühler».

Leicht und flockig käme der Abend daher, schrieb die «Neue Zürcher Zeitung» nach der Uraufführung im Theater Neumarkt. Andres Lutz sorgt für den Text, Anders Guggisberg begleitet seine irr­witzigen ­Erzählungen aus dem Hintergrund mit ­Musik und Ambientsound. Er spielt Gitarre, Synthesizer oder Posaune und selbst Hackbrett. Mal leise, mal laut.

Falsch wäre es nun aber, würde man als Besucher nur Ameisen erwarten oder put­zige Geschichten übers Krabbeltier. Ameisen und ihre Welt kommen im Stück zwar tatsächlich vor. Aber Lutz & Guggisberg ­verstehen es darüber hinaus, die ­Fühler ­geschickt in Richtung der uns bekannten menschlichen auszustrecken. Ihre Ameisen machen sich gerne über uns Menschen lustig, über die «rosarote Fleisch­masse». Uns vertraute Situationen betrachten sie von ­aussen und demonstrieren deren Lachhaftigkeit. Der Durchschnittsschweizer kriegt sein Fett besonders ab. Wer das nicht ­verträgt, der sollte am Freitagabend zu Hause bleiben.

  • Vorstellung: Freitag, 21. Dezember, 20 Uhr. Gare Du Nord, Schwarzwaldallee 200, Basel.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 21.12.12

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