Wochenstopp: Digital Art Works

Das Haus für elektronische Künste geht mit der Ausstellung «Digital Art Works» den Tücken der Konservierung digitaler Kunstwerke nach.

Nam June Paik Internet Dreams (Bild: zVg)

Das Haus für elektronische Künste geht den Tücken der Konservierung digitaler Kunstwerke nach.

Die Frage scheint banal – doch sie ist es keineswegs: «Wie lassen sich Daten dauerhaft sichern, wenn das neue Notebook ­bereits veraltet ist, sobald man das Geschäft verlässt?» So lautet die Frage hinter der neuen Ausstellung «Digital Art Works. The Challenges of Conservation». Sie geht im Haus der elektronischen Künste dem Sammeln, Ausstellen und Erhalten computerbasierter Kunstwerke auf den Grund und macht die sonst verborgene Arbeit rund um digitale Konservierung sichtbar.

Kein Zufall, dass dieses Thema gerade im Bereich Kunst besonders prekär und dringlich scheint: Denn was passiert etwa mit Video- und Netzkunst, sobald das ­Umfeld, für das sie konzipiert wurde, sich verändert? Wie kann man alte Formate ohne Einbusse in neue übersetzen, ohne übermässig in das Werk einzugreifen? Dürfen etwa einst für den PC entwickelte Arbeiten heute auf dem iPad gezeigt werden?

Um dieser Problematik nachzugehen, zeigt das Haus für elektronische Künste als letzte Station die Resultate des Forschungsprojekts «digital art conservation», eines vom Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM) initiierten Projekts, an dem seit 2010 sechs Partner aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz arbeiten. Die von Bernhard Serexhe, Chiara Marchini Camina und Arnaud Obermanns kuratierte Abschlussausstellung präsentiert darin zehn Fall­studien und macht das Thema damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.

Dass die Schau dabei keineswegs trocken daherkommt, beweist Nam June Paiks «Internet Dream» aus dem Jahre 1994: Ursprünglich eine Auftragsarbeit für das Foyer des Fernsehsenders RTL in Köln, gehört das Werk mittlerweile dem ZKM. Die Videowand des wohl bekanntesten Netzkünstlers und Video-Avantgardisten besteht aus insgesamt 52 Monitoren und zeigt in wechselndem Rhythmus patchworkartig elektronisch bearbeitete Bilder aus drei Videoquellen auf der so entstehenden Gesamtfläche. Während die vier zentralen, jeweils aus neun Monitoren bestehenden Bildflächen alle dasselbe Bild wiedergeben, umrahmen 16 weitere Monitore dieses Geflecht (siehe Bild).

«Internet Dream» gehört zum Spätwerk von Nam June Paik (1932–2006), der sich in jungen Jahren mit experimenteller ­Musik und Happenings der Fluxus-Gruppe einen Namen gemacht hatte und ab den 70er-Jahren zunehmend zum Vorreiter der Videotechnologie wurde. Da es sich bei der angewendeten Splitting-Technologie allerdings wohl um eine eigens für Paik entwickelte Sonderanfertigung handelt, kam es bereits 2008 zu Unregelmässigkeiten bei der Geräteabschaltung, die als Vorzeichen eines drohenden Ausfalls gedeutet wurden.

Soll man das Werk auch in Zukunft im Museumsalltag zeigen können, scheint ein grundsätzlicher Eingriff im Sinne einer posthumen, technischen Adaption der Installation unvermeidbar: So dürfte auch Paiks analoge Videoinstallation sich nicht der digitalen Revolution entziehen können – und mit jeder Konservierungsmassnahme ein bisschen digitaler werden.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18.01.13

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