Wunderbares Stelldichein der alten Meister

In ihrem Exil im Museum der Kulturen lassen sich die Meisterwerke von Holbein, Cranach, Witz und Co. aus der Sammlung des Kunstmuseums auf wundervolle Weise neu entdecken.

Eine Wand voller Witz, die andere mit viel Holbein d. J.: Die alten Meister aus dem Kunstmuseum entfalten im Museum der Kulturen ihre ganze Pracht. (Bild: Dominique Spirgi)

In ihrem Exil im Museum der Kulturen lassen sich die Meisterwerke von Holbein, Cranach, Witz und Co. aus der Sammlung des Kunstmuseums auf wundervolle Weise neu entdecken.

Eigentlich ist die überlebensgrosse hölzerne Ahnenfigur aus Vanuatu Teil der Dauerausstellung «Expeditionen» im Museum der Kulturen Basel. Bis am 28. Februar 2016 hat sie nun noch eine weitere Aufgabe erhalten: Wie ein Wächter flankiert sie den Eingang zum doppelstöckigen Ancor-Raum im zweiten Obergeschoss des Museums, der für elf Monate Schätze beherbergt, die man normalerweise in einem ethnologischen Museum nicht findet.

Es sind Schätze, die man in Basel kennt oder eigentlich kennen sollte, die man aber vielleicht schon so sehr verinnerlicht hat, dass man sie als Einheimischer gar nicht mehr so richtig zur Kenntnis nimmt. Es sind die weltberühmten Altmeistergemälde aus dem Urbestand des Kunstmuseums Basel, die Meisterwerke von Holbein, Cranach, Grünewald, Baldung gen. Grien und Witz, die so ganz anders gehängt als in den Kabinetträumen des Heimatmuseums, die Ausstellungshalle zum Erlebnisraum der Kunst werden lassen.

Faszinierende Zusammenhänge

Nicht weniger als 50 dieser Meisterwerke aus der Spätgotik und der Renaissance finden in diesem Raum Platz. Etwas viel, könnte man im ersten Moment denken. Doch Ausstellungskurator Bodo Brinkmann, der die alten Meister im Kunstmuseum betreut, hat sie so neben- und übereinandergehängt, dass sie genügend Platz für sich selber haben und überdies ebenso erkenntnisreiche wie faszinierende kunsthistorische sowie ästhetische Zusammenhänge offenbaren.

Es ist die schwer beschreibbare faszinierende Ausstrahlung eines Werks, die aber trotz der Fülle der Gemälde dafür sorgt, dass der erste Blick beim Betreten des Ausstellungsraums automatisch auf ein Bild fällt: auf den «Toten Christus im Grabe» von Hans Holbein d. J. Das langgezogene Gemälde hängt in der Mitte der Längswand des Ancor-Raums, der mit zwölf Holbein-Meisterwerken bestückt ist.

Die Fokussierung auf dieses Bild wird durch das auf einem Sockel im Raum freistehende kleine Brustbild einer Stifterin von Lucas Cranach unterstützt, die demütig auf die schonungslose Darstellung des toten Erlösers zu blicken scheint.

Vom Christus schweift der Blick nach oben auf die beiden monochrom bemalten ehemaligen Flügel der Basler Münsterorgel mit den Kirchenstiftern auf der linken und der reizenden Madonna mit Kind auf der rechten Seite. Sie hängen hier höher als im Kunstmuseum, so dass die Untersicht-Perspektive besser zur Geltung kommt. Darunter und daneben hängen all die anderen Meisterwerke des grossen Renaissancemalers, die trotz ihrer unterschiedlichen Formate zu einem wunderbaren Holbein-Ensemble zusammenfinden.

Eine Wand voller Witz

Da dürfte die Hängung der zehn Gemälde an der Stirnwand links um die Ecke des Raums etwas leichter gefallen sein. Die Formate der Bilder von Konrad Witz, die mit zwei Ausnahmen aus dem gegen 1435 enstandenen Heilsspiegelaltar stammen und damit eh einst zusammengehörten, variieren nicht so stark.

Faszinierend an dieser Zusammenstellung in drei übereinanderliegenden Schichten ist die deutliche Wahrnehmung, wie wunderbar Witz mit Körpern in Räumen und dem Spiel mit Lichteinfall und Schatten umgegangen ist. Passend dazu sind die Gemälde neben dem raumhohen schmalen Fenster platziert.

An den anderen beiden Wänden, in einer Tischvitrine und auf freistehenden Sockeln runden weitere Gemälde das Gesamtbild ab. Sie stammen von Hans Holbein d. Ä., von Hans Baldung gen. Grien, von Niklaus Manuel gen. Deutsch, Lucas Cranach d. Ä., Grünewald und Tobias Stimmer – also von der gesamten grossen Altmeister-Garde aus dem Kunstmuseum.

Man kann die Gemälde im Raum selber auf sich einwirken lassen. Zusätzlich erlauben die fensterartigen Galerieöffnungen im zweiten Geschoss des Ancor-Raums aber auch spezielle Blicke von einer höheren Warte aus. Mit auf den Brüstungen bereitgestellten Ferngläsern kann man sich sogar Details nähern.

Public-Public-Partnership

Anna Schmid, die Direktorin des Museums der Kulturen, äusserte an der Medienführung durch die Ausstellung ihre Freude darüber, diese Meisterwerke bei sich im Museum zu Gast zu haben. Und ihr Kollege vom Kunstmuseum, Bernhard Mendes Bürgi, lobte die «Public-Public-Partnership», die diese aussergewöhnliche Ausstellung möglich gemacht hat.

Es soll aber nicht nur bei der Zurverfügungstellung des Ausstellungsraums bleiben. Ausstellungskurator Bodo Brinkmann wies darauf hin, dass man nun ein Jahr Zeit habe, die Beziehungen zwischen der europäischen Kunst und den zu einem grossen Teil aussereuropäischen Objekten aus der Sammlung des gastgebenden Museums «auszutesten».

Auf gemeinsamen Rundgängen haben die Vertreter der beiden Häuser nach eigenen Angaben bereits einige Ansatzpunkte entdeckt, die sie in verschiedenen Veranstaltungen unter dem Titel «Alte Meister – Neue Perspektiven» vertiefen möchten.

Zum Beispiel beim Thema Kleidung. Aufmerksame Besucherinnen und Besucher können aber auch von sich aus bereits Gemeinsamkeiten entdecken: Etwa bei der vanuatischen Ahnenfigur beim Eingang, deren (männliches) Geschlechtsteil mit einem «Penisfutteral» geschützt wird, und beim «Bildnis des Jacob Schwytzer» von Tobias Stimmer, der an der gleichen Körperstelle eine deutlich sichtbare «Schamkapsel» trägt.

Der dritte Kunstmuseums-Exil-Streich

So entpuppt sich die Not der vorübergehenden Schliessung des Kunstmuseums-Hauptbaus erneut als Tugend: Die Meisterwerke der Moderne eröffnen im Museum für Gegenwartskunst neue Einblicke und sorgen in Madrid für Furore, nun lassen sich auch noch die alten Meister aus der Sammlung des Kunstmuseums in einer neuen Umgebung auf wunderbare Weise frisch entdecken – eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte.


«Holbein. Cranach. Grünewald – Meisterwerke aus dem Kunstmuseum Basel». Bis 28. Februar 2016 im Museum der Kulturen Basel.

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