Andrew Huang aus Toronto ist Youtuber von Beruf. Aus Ballons, Pneus oder Wasser zaubert er Melodien, mit denen er seine zahlreichen Fans versorgt. Am Gässli Film Festival sprach er über die Zukunft des Kurzfilms auf Youtube.
Beim 7. Gässli Film Festival ist dieses Jahr ein besonderer Gast dabei: Andrew Huang aus Toronto, von Beruf Youtuber. Der 30-jährige Kanadier macht seit 2004 Musik und spielt sich quer durch Genres und Instrumente, singt, rappt, produziert seine Videos selbst. Besonders bekannt ist er für seine experimentellen Tracks.
Angetan haben es ihm vor allem Instrumente, die eigentlich keine sind: Ballons, Pneus, Zahnarztutensilien oder auch Hosen. Hier kann er den Tüftler rauslassen, der in ihm steckt. Man merkt im Gespräch: Huang ist ein aufmerksamer Zuhörer mit einem wachen Geist. Dazu passend sagt er zum Beispiel über seinen riesigen musikalischen Output, der an die 3000 Lieder umfasst: «Ich treffe beim Aufnehmen schnelle Entscheidungen. Andere Musiker, mit denen ich gearbeitet habe, brauchen einen halben Tag, um das passende Gitarrensample auszuwählen.»
Katzen, Schminktipps und Rick Astley sind die Zukunft der Unterhaltung
Youtube ist für ihn der Inbegriff für Jugendkultur. In einer Studie habe er gelesen, dass 12- bis 15-Jährige fast keine TV-Stars mehr erkennen. «Moderatoren bekannter Youtube-Kanäle wie Jenna Marbles kennen sie hingegen», sagt Huang. «Die Jugend schaut kein Fernsehen mehr. Sie schaut Youtube.»
Und Jugendkultur auf Youtube, das sind Katzenfilme, Musikclips, Schminktipps, Pleiten, Pech und Pannen und sonstige Kuriositäten. Youtube ist vergleichbar mit einer riesigen digitalen Bibliothek, in der es anstelle von Büchern Filme gibt. Es gibt Kategorien als Orientierungshilfen. In den meisten Fällen sind diese hilfreich, manchmal aber erlauben sich die Seitenbetreiber auch einen Scherz mit uns. Dann kann es passieren, dass wir, egal welches Video wir anklicken, stets gnadenlos zum ewigen Rick Astley umgeleitet werden. So geschehen am 1. April 2008, als Youtube jedes Video auf der Frontseite mit Rick Astleys «Never Gonna Give Up» verlinkte.
(Bild: Nils Fisch)
Videos hochladen kann grundsätzlich jeder, und jedes Video ist potenziell der ganzen Welt mit einem Klick zugänglich. Huang selbst ist 2006 durch einen Zufall zur Youtube-Community gestossen, sagt er. «Ich hatte sei 2004 eine eigene Internetseite, wo ich meine Songs hochlud. Fans meiner Musik haben zu meinen Liedern Videoclips animiert und auf Youtube gepostet. Ich dachte mir, das lässt sich mit meiner Musik verbinden, und habe mich angemeldet.»
Mittlerweile hat er eine solide Fanbase von 250’000+ Abonnenten. So solid sogar, dass er seit zwei Jahren von den Einnahmen seines Youtube-Kanals leben kann. Was aber ist das Geheimnis hinter einem so erfolgreichen Kanal? Wie konnte das Videoportal zu über einer Milliarde Nutzer kommen?
Andrew Huang erklärt, wie man einen Youtube-Hit landet: «Am besten orientiert man sich daran, was gerade gut ankommt. Covers von aktuellen Hits zum Beispiel. Und Einhörner. Die gehen immer.»
Zwei Dinge machen für Huang den Reiz von Youtube aus: «Einerseits vermittelt Youtube dem Zuschauer das Gefühl ungetrübter Fairness. Jeder kann es schaffen, mit seinen Videos Millionen zu erreichen. Und andererseits bietet die virtuelle Nähe zu den Fans eine zusätzliche Dynamik.» Wenn die Fans in den Entstehungsprozess neuer Stücke einbezogen würden, mache es das für sie spannender.
Huangs Aktion der «Song Challenge» dient als bestes Beispiel: Er sucht sich aus den Kommentaren zu seinen Videos jeweils einen Vorschlag dazu aus, womit oder worüber er seinen nächsten Song machen soll. Heraus kommen dann Teile wie «Water» (Klänge sind ausschliesslich aus und mit Wasser hergestellt), «Rock, Paper, Scissors» oder «Peaches».
Und wie geht man sicher, dass sein Video so oft wie möglich angeklickt wird? «Am besten orientiert man sich daran, was gerade gut ankommt. Covers von aktuellen Hits zum Beispiel. Und Einhörner. Die gehen immer.» Andrew Huang grinst.
Vom Einhorn nach Basel
Einhörner sind es auch, die den Youtube-Star aus Kanada nach Basel gebracht haben. Das Basler Kurzfilmfestival ist auf Andrew Huang aufmerksam geworden, weil Giacun Caduff das Lied «Pink Fluffy Unicorns» für seinen eigenen Film «20 Regeln für Sylvie» verwendete. Und ihn kurz darauf einlud, bei einem Workshop am Gässli Film Festival einen Vortrag zu halten.
Zusammen mit Urs Fitze (SRF), Samuel Schwarz (Autor und Regisseur) und Jean de Meuron (Universal Pictures, «Networks & Studios») sprach er am Freitagmorgen, 4. September, über die Unterschiede der Medien Kino, Fernsehen und Internet. Als Social-Media-Experte und erfolgreicher, sich selbstvermarktender Youtube-Musiker eine treffende Wahl.
Und wer weiss, vielleicht bekommt Basel noch ein eigenes, experimentelles Musikvideo gewidmet?
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Das Basler Gässli Film Festival läuft noch bis Sonntag, 6. September.