Ob am Montreux Jazz Festival oder im Café: Für den Roma-Musiker Muhi Tahiri aus Basel ist das egal. Bei der Musik gibt er immer vollen Einsatz.
Der Verstärker quietscht, aus dem Saxofon tropft Speichel, die Stimmung im Proberaum ist gereizt. Muhi Tahiri fragt: «Bei welchen Stücken hast du noch Schwierigkeiten?» Der Bassist aus Istanbul antwortet: «Ja, ja», sortiert seine Notenblätter und nickt dabei eifrig.
Die vier Musiker haben Verständigungsprobleme, sie spielen erst das dritte Mal in dieser Zusammensetzung. Doch dann starten sie ein Lied – und auf einmal verstehen sie sich.
Tahiri spielt Saxofon, singt, trommelt. Manche Töne klingen schief während der Probe. Dafür kommt das Gefühl, das er hinein gibt, echt rüber.
Muhi Tahiri bezeichnet sich selbst als Zigeuner. «‹Fahrende› ist für uns ein Schimpfwort», sagt er. Als Musiker sieht er sich weniger. Eher als Macher, als Arbeiter. Seine Arbeit? Den Menschen Emotionen schenken.
Im Alter von 14 Jahren fand er die Liebe zur Musik. In einem Schaufenster an der Feldbergstrasse. Dort habe er ein Saxofon gesehen. Mit jedem Mal, da er an dem Schaufenster vorbei kam, wuchs sein Wunsch, selbst zu musizieren.
An die Jazzschule dank privaten Spendern
Schliesslich kaufte ihm sein Vater ein Saxofon. Tahiri übte bis ihn die Finger schmerzten. Unterricht konnte er sich keinen leisten. Der Musiklehrer in der Orientierungsschule merkte irgendwann, dass der Junge beim Musizieren aufging.
Dass Tahiri später auf die Jazzschule gehen konnte, verdankt er privaten Spenden, zum Beispiel jenen von seinem ehemaligen Musiklehrer. Tahiri lernte Noten lesen, verfeinerte sein Saxofonspiel – und fing an zu singen.
Das mit dem Singen sei allerdings mehr Zufall gewesen, erzählt er. Eigentlich habe er dem Sänger in der Band nur kurz vorsingen wollen, wie er das Lied interpretieren solle, das sie gerade aufnahmen. Da hätten alle gestaunt und gesagt: «Muhi, ab heute singst du.»
Kurz darauf schrieb Tahiri neue Stücke, sang Konzerte und wurde zum Montreux Jazz Festival eingeladen. Die Stimme hat es ihm selbst vor solchem Publikum aber nie verschlagen. «Ob ich vor 5000 oder fünf Leuten singe – das spielt für mich keine Rolle. Ich gebe immer meine ganze Kraft und Emotionen in die Musik.»
Auf der Bühne zuhause
Ein Konzert im Dezember. Etwa zwanzig Zuschauer haben sich in einem Café an der Rheingasse versammelt. Tahiri tritt ans Mikrofon. «Hallo zäme», sagt er schüchtern. Dann fängt seine Stimme an zu singen. Sie bebt, zuckt, vibriert. Dabei hebt Tahiri die Hände, schliesst die Augen und verzieht seine Augenbrauen zu Schlangenlinien.
Das Publikum kann nicht genug kriegen. Tahiri spielt Zugabe um Zugabe. Die Bühne sei sein zuhause, sagt er später. Beim Musizieren werde er ein anderer Mensch.
Als Tahiri mit sechs Jahren aus dem Kosovo nach Basel kam, lernte er die Sprache, die Kultur. «Aber das Blut, das ist Roma», sagt er. Seine Familie sei wohlhabend, also nicht so, wie man Roma aus den Medien kenne. Die Herkunft, sein Blut – das sei sehr wichtig für ihn. «Ich bin ein stolzer Roma.»
So singt Tahiri auch in Romani, der Roma-Sprache. Wenn er spielt, klingt das jedoch anders, als wenn man Roma-Musikern auf der Strasse zuhört. Er habe mit seiner Musik seinen eigenen Stil, «seine eigene Welt» erschaffen, sagt Tahiri. Eine Mischung aus Flamenco, Balkan-Sound und indischem Vibrato.
Kaltes Herz wärmen
Und in den Songtexten offenbart Tahiri seine sensible Seite. Auf Deutsch klingt das so: «Ach, ihr habt mir mein Herz geraubt. Geblieben ist nur meine Seele.» Oder: «Morgen komme ich nach Hause und bringe dir mein kaltes Herz, damit du es wärmen kannst.»
Die Musiker im Proberaum verstehen seine Melancholie nicht immer. Tahiri sagt zum Pianisten: «Kannst du deine Finger mehr bewegen? So klingt das etwas statisch.» Den Bassisten animiert er: «Von dir will ich mehr Energie, mehr Power.» Und nochmal für alle: «Ohne Energie, keine Musik.»
_
Von Muhi Tahiri erschien die CD «Only a Gipsy». Das nächste Konzert in Basel spielt er am 27. Januar in der «Apawi Pure Lounge» (Rheingasse 8).
Rauchen gehört ebenso wie das Singen zur Leidenschaft von Muhi Tahiri. (Bild: Alexander Preobrajenski)