Zu obszön fürs Schweizer Fernsehen

Abrocken und danach mit den Fans durch die Nacht ziehn – die Bitch Queens haben gelernt, wie man einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Mittlerweile in ganz Europa. Am Samstag tauft das Basler Quartett sein neues Album.

Bieten eine Rock-Show für Gehör und Auge: die Basler Bitch Queens.

Abrocken und danach mit den Fans durch die Nacht ziehn – die Bitch Queens haben gelernt, wie man einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Mittlerweile in ganz Europa. Am Samstag tauft das Basler Quartett sein neues Album.

Der Anreisser zum neuen Album der Bitch Queens kam als Single, als Videoclip – und schliesslich als gute Story: Ende 2013 veröffentlichte das Basler Glampunk-Quartett den Clip zu ihrem Song «Gimme A Kiss». Zu sehen, während auf der Soundspur die gut geölten Gitarren rattern: Action auf dem Klo einer Underground-Spelunke, Bondage-Andeutungen, kurz nackte Haut. 

Das war zuviel für das Schweizer Fernsehen: Der Clip stand zwar als Anwärter auf der Rotation-Liste für die Clipshow «Roboclip», wurde von den Programmmachern jedoch abgelehnt: zu anstössig. Obwohl von Sex, Drugs & Rock’n’Roll nur letzterer eindeutig präsent war.


Kein Drama für eine Band wie die Bitch Queens, die im Underground beheimatet ist und für die Clippräsenz bei SRF «praktisch irrelevant» ist, wie Sänger Melchior Quitt am Telefon sagt. Die Story zog jedoch ihre Runden: der «Blick» schrieb darüber, andere Medien zogen nach. «Damit verkauft man nicht mehr Platten», sagt Quitt, «aber wir griffen die Story mit Handkuss auf.» Eine Rockband, die als zu obszön für den Staatssender gilt – das passt zu den Bitch Queens. Stets mit einem Fuss ausserhalb der Comfort zone.

Schminke, Leder, Alter Egos

Die Basler Band könnte nächstes Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum feiern, hat sich jedoch erst 2008 in der aktuellen Form konstituiert, inklusive expliziter Aussenwirkung. Ihren Namen haben sie sich nicht nur mit sattem Rock’n’Roll geschaffen, sondern auch mit einem extrovertierten Auftreten: Schminke, Leder, Alter Egos für die Bühne: dort sieht man Kid Krystal (Melchior Quitt), Captain A., Diamond Dan und Marc Steele nietenbeschlagen und mit reichlich Mascara um die Augen.

Und ist das Konzert zu Ende, mischen sie sich unters Publikum, versprühen Glitzerstaub und verteilen Klebetattoos an die Fans, alte wie soeben neu gewonnene. Sowas spricht sich rum. «Party hard» sei die vergangenen Jahre neben der Bühne eines der Mittel gewesen, mit denen sich die Bitch Queens ihren Ruf als Rampensäue erfeiert haben, sagt Quitt: «Am Ende solcher Nächte sahen die Leute aus wie wir. Wer nach einem Konzert noch mit der Band rumgezogen ist, hat danach etwas zu erzählen.»

Eine Do-it-Yourself-Gang tourt durch Europa

Und rumgezogen ist das Quartett häufig: im Konsens haben sie ihr Berufsleben den Erfordernissen einer Bandkarriere untergeordnet, um ausgiebig durch den Kontinent zu ziehen. Auf dem Programm für die nächsten Monate stehen Tschechien, Spanien, Italien, Deutschland und England – ohne weibelnde Agentur im Rücken, sondern als Do-It-Yourself-Gang. Als Kontaktgeber stand den Bitch Queens die Basler Rock-Institution Michael Hediger zur Seite, der unter anderem für sie sein langlebiges Indie-Label Lux.-Noise reanimiert hat. Quitt ist eingestiegen und bildet heute zusammen mit Hediger die «Homebase» des Labels. 

Pulverstaub und Gitarrenrock

Dort erscheint mit «Kill Your Friends» das neue Album der Bitch Queens, erst das zweite nach einer Reihe von EPs und Split-Singles. Die Band habe sich Zeit dafür gelassen, sagt Quitt, und das hört man «Kill Your Friends» an: «Für das neue Album haben wir immens im Proberaum gearbeitet und uns mit Musik und unseren neuen Songs auseinandergesetzt» – eine Entwicklung im Vergleich zu ihren früheren Veröffentlichungen, bei denen die Stimmung, die Energie und der Einsatz auf der Bühne höher gewichtet wurden als die Klangqualität im Player. Die Hinwendung zur stärkeren Auseinandersetzung mit dem Sound hört man «Kill Your Friends» sofort an, nicht zuletzt das Verdienst von V.O. Pulver, der sich als Musiker (Gurd) wie als Produzent seit 20 Jahren im harten Rock auskennt und für dieses Album die Band begleitete. «Er schaffte es, einen unglaublich druckvollen Sound hinzukriegen. Das hat uns gefehlt, genau danach suchten wir», so Quitt. 

Tatsächlich: wer sich durch die Glanzlichter der Platte wie «Take Out The Trash», «Waste Me» oder die Single «Gimme A Kiss» durchhört, dem klatscht eine ziemlich dicke Ladung Rock ins Gesicht. In der Kompromisslosigkeit der Produktion erinnern Bitch Queens durchaus an die Säulen des skandinavischen Trashpunks der Neunziger Jahre à la Hellacopters oder Turbonegro, dazu passt das Auge für Style-Details wie Leder und dunkle Schminke – und der hedonistische Spass im Songwriting und den Texten. Auch wenn die Musik der Band mit «Kill Your Friends» mehr im Proberaum denn in Kneipen entstanden ist, sprechen Titel wie «Lick It (Like You Like it)» noch eine genug deutliche Sprache. «Wir sind noch immer gut und gerne unterwegs. Das passt zu uns und wird nicht verschwinden, keine Frage.»

Soll so sein: Am Samstag taufen sie die Platte im Hirscheneck.
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Bitch Queens: «Kill Your Friends», Lux.-Noise.
Plattentaufe: Sa, 8. November, 22 Uhr. Hirscheneck Basel.
 

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