Zürcher Kunst auf Baselbieter Boden

Die ehemalige Direktorin des Kunsthauses Baselland, Sabine Schaschl, zeigt zum Abschied Kunst von Zürcher Hochschulabsolventen. Weil sie selber nun in Zürich weilt? Nein, weil der Zufall es so wollte.

(Bild: Viktor Kolibal)

Die ehemalige Direktorin des Kunsthauses Baselland, Sabine Schaschl, zeigt zum Abschied Kunst von Zürcher Hochschulabsolventen. Weil sie selber nun in Zürich weilt? Nein, weil der Zufall es so wollte.

Das wärs dann also. Mit der Ausstellung «It is all in the Detail» verabschiedet sich Sabine Schaschl definitiv als Direktorin vom Kunsthaus Baselland. Sie geht nicht, nein, sie ist schon weg. Doch weil Ausstellungen so lange im Voraus geplant werden müssen, bleibt auch nach dem Abgang manchmal noch etwas übrig. Ein Grund für eine kurze Rückkehr.

Infos zur Ausstellung

«It is all in the Detail». 17. August bis 29. September. Kunsthaus Baselland.
Vernissage am Freitag, 16. August, 19 Uhr.
Während der Ausstellung finden mehrere Künstlergespräche statt. Die Detailinfos finden Sie hier.

Seit Mai diesen Jahres leitet Sabine Schaschl nun das Haus Konstruktiv in Zürich. Und – der Zufall will es so – sie gibt ihre letzte Vorstellung an der Birs mit einer Ausstellung, die man eigentlich in Zürich erwarten könnte: «Eine Ausstellung von Studierenden und Alumni des Master Fine Arts der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK)», so der Untertitel der Schau.

Man kann nun fragen: Zürcher Kunsthochschul-Abgänger im Baselbiet? Wie kommt denn das?

Junge Kunst fördern

Ganz einfach, erklärt Schaschl. Das Kunsthaus Baselland habe immer ganz junge Kunst zeigen und fördern wollen. Bis vor zwei Jahren freute man sich deshalb, dass die Basler Hochschule für Gestaltung und Kunst ihre Diplomausstellungen im Kunsthaus Baselland einrichtete. Dann war Schluss damit – die Basler Kunstabgänger zeigen ihre Abschlusswerke nun in der Basler Kunsthalle.

Sabine Schaschl fand das schade und suchte nach Ersatz. In der ZHdK fand sie einen interessierten Partner – lange, bevor sie ihren eigenen Umzug nach Zürich plante. Man schrieb das Projekt aus, und prompt gingen 80 Bewerbungen ein. 22 Kunstschaffende dürfen ihre Werke nun im Kunsthaus zeigen. Darunter sind einige, die ihr Master-Studium in den vergangenen Jahren beendeten, einige, die gerade eben abgeschlossen haben, und zwei, die noch studieren.

Einige Namen kennt man hier in Basel, denn schliesslich können auch Basler Künstler in Zürich studieren. Valentina Stieger beispielsweise, und Lena Maria Thüring, Manor Kunstpreis-Trägerin des Kantons Basel-Stadt. Die Videokünstlerin wird Ende September die zum Preis gehörige Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst eröffnen können.

Surfen auf der Birs

Erst kürzlich in Basel zu sehen waren Michael Meier und Christoph Franz, die im Juni an der «Liste» ein Fussbad einrichteten. Die beiden Künstler, die in ihren Arbeiten immer Bezug auf den jeweiligen Ausstellungsort nehmen, haben ein Surfbrett entworfen. Im ersten Moment bringt man das nicht mit dem Haus an der Birs in Verbindung – wer aber weiss, dass bei Hochwasser manchmal richtige Flutwellen die Birs hinabrollen, der sieht Sinn und Zweck des Surfbretts. Sollte es während der Ausstellungsdauer zu einer Flut kommen: Das Brett wäre einsatzbereit.

«It ist all in the Detail», darauf macht uns die Ausstellung aufmerksam. Im Detail steckt aber bekanntlich auch der Teufel. In dieser Schau könnte man ihn darin suchen, dass die Arbeiten ausser der schulischen Herkunft nichts verbindet. Sabine Schaschl aber ist geschickt: Mit dem Titel weist sie nämlich auch auf exakt diese Problematik hin. Man solle sich in die Details vertiefen, nicht einen thematischen Zusammenhang suchen, sondern jedes einzelne Werk für sich betrachten. Lässt man sich darauf ein, dann funktioniert die Ausstellung auch – wenn auch manchmal der Kontext eines Künstlers oder einer Künstlerin hilfreich wäre.

Guckt alle her!

Tina Braegger ist so ein Fall. Die Zürcherin beschäftigt unter anderem die Frage, wie man in dieser kunstgesättigten Welt auf sich aufmerksam macht. Einen Weg, zumindest ihren Namen bekannt zu machen, hat sie gefunden: In der Zürcher Kronenhalle bestellten sie und ihre Freunde so lang einen Tina-Braegger-Drink, bis der Barkeeper diesen in die Karte aufnahm. Den Drink kann man an der Vernissage probieren.

Zeigen tut sie allerdings ihren «Blauen Reiter» – eine Plastik aus einer Metallleiter, viel Verpackungsmaterial und selbstgebastelten Handschuhen. Ein eigenwilliges Objekt, das – so hört man – in der Diplomausstellung auch sehr umstritten war. Die Künstlerin nimmt auch damit Bezug auf den Kunstmarkt: Ihr Objekt nämlich lässt sich auseinandernehmen und bis zum letzten Fitzelchen im Sockel verstauen. Perfekt, falls es mal auf Reisen gehen sollte – was Kunstwerke heutzutage öfter tun.

Mit der Bekanntheitsfrage beschäftigt sich auch Francisca Silva. Ihre Antwort darauf ist äusserst plakativ. Sie hat sich einen Altar gebaut, auf dessen Platte steht geschrieben: «Huge Genius» (riesiges Genie). Um den Altar herum hängen kleine Bilder, welche die Künstlerin ebenfalls zum Kult erheben. Klingt nach Grössenwahn, lässt aber die Ironie dahinter deutlich durchscheinen.

Zum Dahinschmelzen

Die Ausstellung ist aber auch Produktionsort. So werden Petra Elena Köhle und Nicolas Vermot Petit-Outhenin in der Shedhalle einen Film über eine Fotografin drehen, die im Zweiten Weltkrieg für Hitler Monumentalgemälde dokumentieren sollte, damit sie im Zerstörungsfalle rekonstruiert hätten werden können. Und Bálint Rádóczy wird während der Ausstellungsdauer in der Umgebung fotografieren und bereits frei im Raum hängende weisse Blätter durch die entstandenen Bilder ersetzen.

Es ist sicher angebracht, sich diese Werke und die anderen in der Ausstellung «im Detail» zu Gemüte zu führen. Gut möglich nämlich, dass man die Namen der hier gezeigten Künstler und Künstlerinnen in Zukunft öfter hören wird. Hilfreiche Zusatzinfos bietet eine umfangreiche Publikation, wenn man etwas lesen mag.

Ansonsten kann man auch einfach eintauchen. Der ultimative Tipp dafür: Die Arbeit von Tobias Spichtig. Über 15 Minuten lang darf man einen Eisberg beobachten, der sich langsam um die eigene Achse dreht. «Iconographic Meltdown» thematisiert nicht nur die Problematik des Klimawandels, sondern Krisen im Allgemeinen. Auch in der Wirtschaft beispielsweise, wo der «Meltdown» in den letzten Jahren schlimmer und schlimmer wurde. Ist das nun nur die Spitze des Eisbergs? Oder dürfen wir die Spitze von Spichtigs Eisberg zumindest als Kurve in einem Diagramm zur Wirtschaftsentwicklung sehen?

Vielleicht. Wir können aber auch nur zusehen und dahinschmelzen. Falls Sie das nicht glauben, hier das Video zum Beweis:

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