Was wir Männer schon immer nicht hören wollten: dass wir wie kleine Jungs sind, nur älter.
Titeuf hat ein Problem: Tanja beachtet ihn nicht. Aber das ist nicht sein einziges Problem: Tanja ist ein Mädchen! Und damit sind wir schon bei seinem dritten Problem: Titeuf ist noch kein Mann. Besser: Er wird es wohl noch lange nicht sein. Titeuf leidet also an der Krankheit, an der Männer ein Leben lang leiden: Sie möchten wohl erwachsen werden, sind aber lieber Kinder. Und bleiben es meist auch. Das heisst: Titeuf hat alle Probleme, die ein erwachsener Mann mit Frauen auch nicht haben möchte.
Der kleine Junge Titeuf mit seinen Charlie-Brown-Augen und seinem frechen Kinder-Geist hat uns Jungs immer schon gut getroffen. Jetzt bringt der Romand Philippe Chappuis, alias ZEP, den kleinen Mann ebenso witzig auf die Leinwand, wie er ihn in den Neunzigern weltweit zum gezeichneten Kult machte: zum Nachdenken komisch.
Was goht ab? Titeuf steckt in einer familiären Krise. Besser gesagt, sein Elternhaus schiebt eine. Man hat eine Trennung beschlossen – zem «Nochedängge», was Titeuf, wie jedes Kind, tief trifft, glaubt er doch, er sei schuld am Zerwürfnis seiner Eltern. Er hat nämlich den leidenschaftlichen Liebesbrief an Tanja geschrieben, der – verhängnisvollerweise – in die Hände seiner Mutter geriet, die nun glaubt, jemand brenne für sie! Und Vater? Sieht erloschen zu, wie Mutter auszieht. Ab sofort ist Titeufs Männerwelt aus den Fugen. Doch Titeuf tut, was Männer auf verlorenem Posten tun: Er sucht nach Erklärungsmustern, die ihm helfen, sich weiterhin nicht zu ändern. Bei Kumpels. Bei Helden. Bei psychologischen Denkern.
Was Titeuf zur Bewältigung der anstehenden Frauenfragen entwickelt, ist verblüffend vielseitig. Mathematisch dreht sich vieles um Halbschwestern und Viertelbrüder, biologisch um gespaltene Gene, astronomisch artet alles in Lyrik aus, und alles ist einfach herrlich pubertär. Es wartet auf Sie der bei Weitem witzigste Film mit Schweizer Wurzeln seit Langem.
Vielleicht, weil er in Belgien produziert wurde. Vielleicht, weil der Romand ZEP so herzerfrischend über den Tellerrand in die Welt hinaus und nicht in den Röschtigraben hinunter schaut: Seine Bestandesaufnahme der frankofonen Pausenhof-Kultur sollte sich niemand entgehen lassen, der einmal Kind war, es lieber lebenslang bleiben möchte oder gar mit einem von beiden zusammenlebt. Der Film ist umwerfend frauenskeptisch und männerfeindlich. Das kann nicht ganz falsch sein, wenn das so liebevoll daherkommt.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06.04.12