Zwei Basler bauen die neuen Möbel fürs Kunstmuseum

Inch Furniture entwirft die Möbel für den Erweiterungsbau des Kunstmuseums Basel – und baut sie auch selber. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine kluge Unternehmensstrategie.

Thomas Wüthrich (l.) und Yves Raschle mit Modellen für massangefertigte Tische.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Inch Furniture entwirft die Möbel für den Erweiterungsbau des Kunstmuseums Basel – und baut sie auch selber. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine kluge Unternehmensstrategie.

Draussen beim Dreiländereck, da fahren die vollen Containerschiffe den Rhein hinauf, bis zum Hafen in Birsfelden. Thomas Wüthrich und Yves Raschle sehen ihnen manchmal zu. Und damit ihren Waren in den Containern, die eigentlich gleich hier ausgeladen werden könnten – bei ihrer Werkstatt am Westquai.

Thomas Wüthrich und Yves Raschle sind Inch Furniture. Seit sechs Jahren sind sie mit ihrem Team hier zu Hause und produzieren Möbel, vom ersten Entwurf bis zum letzten Handgriff. In einem Büro stehen die Computer für die Entwürfe, ein Raum ist dem Bau der Modelle gewidmet, in der Werkstatt wird geschliffen und gebohrt, und unter dem Dach lagern fertige Möbel und Möbelteile in grossen Kartons.

Viele dieser Kartons sind via Containerschiff nach Basel gelangt, aus dem fernen Indonesien. In ihnen sind jene Teile der Möbel verpackt, die nicht am Westquai entstehen: alles, was aus Teakholz ist, zum Beispiel. Und metallene Gestelle für Stühle und Tische.

Fachgerecht verarbeitet wird das Teakholz im Produktionsbetrieb der Holzfachschule Pika in der Hafenstadt Semarang. Bei ATMI, einer Fachschule für Maschinenbau in der Stadt Solo, kümmert man sich ums Metall. 

Kultureller Austausch mit Indonesien

Indonesien – das klingt danach, als wolle hier jemand Produktionskosten sparen. Das stimme nur bedingt, sagen Wüthrich und Raschle. Denn einerseits stammt das Teakholz aus indonesischen Plantagen, und andererseits interessiert die beiden Produktdesigner vor allem der Austausch mit der dortigen Handwerkskultur: Es sei «Wissen, das von einem Ort zum andern fliesst». Dass sie damit auch Kosten sparen, leugnen sie jedoch nicht.

Die Idee zur Zusammenarbeit entstand, als die beiden im Jahr 2004 ihren Zivildienst in einem indonesischen Holzbetrieb absolvierten. Sie kannten sich bereits von ihrer Ausbildung als Produktdesigner an der Hochschule für Gestaltung und Kunst. Um sich zu informieren, wie eine guter Holzbetrieb funktionieren kann, besuchten sie damals die indonesische Holzfachschule Pika – und waren derart beeindruckt, dass sie nach ihrer Rückkehr in die Schweiz die Kooperation mit der Schule aufgleisten.



Einblick in den Produktionsbetrieb der Holzfachschule PIKA.

Einblick in den Produktionsbetrieb der Holzfachschule Pika im indonesischen Solo. (Bild: Daniel Riera)

Doch lange nicht alles, was Inch Furniture herstellt, kommt von weit her. Denn was nicht aus Teakholz ist, bearbeitet man besser hier vor Ort. «Die Wertschöpfungskette ist uns wichtig. Wo der Rohstoff herkommt, dort sollte er idealerweise auch verarbeitet werden. Deshalb haben wir die Werkstatt», sagt Wüthrich. Eine Werkstatt und Möbeldesigner – so speziell klingt das nicht, das gehört doch zusammen oder nicht?

«Keineswegs», sagt Yves Raschle, «sehr oft sind alle Produktionsschritte voneinander getrennt.» Der Designer designt, die Produktion geschieht woanders, der Verkauf über einen Händler erfolgt an einer dritten Stelle.

Eine Nische entdeckt

Nicht so bei ihrem Betrieb: Wüthrich und Raschle haben eine Nische entdeckt. Und dieser Nische haben sie manch einen Auftrag zu verdanken, der über die reine Möbelproduktion hinausgeht. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie gerade aktuell das Mobiliar für den Erweiterungsbau des Basler Kunstmuseums liefern können.

Den Auftrag für die Entwicklung dieser Möbel erhielten sie vom Architektenteam Christ & Gantenbein, die keine Möbel ab Stange, aber sich auch nicht selber um die Möblierung kümmern wollten. Dass sie sich deswegen an Inch Furniture wandten, hat damit zu tun, dass sie hier nicht nur wissen, was sie bekommen – sondern dass sie aktiv bei der Planung dabei sein können.



INCH Furniture sind ein 6-köpfiges Team – plus ein Praktikant (oben links).

Inch Furniture besteht aus einem sechsköpfigen Team – plus ein Praktikant (oben links). (Bild: Hans-Jörg Walter)

Fürs Kunstmuseum dürfen sich die Produktdesigner etwas Neues einfallen lassen, etwas, das in ihrer Kollektion nicht vorkommt. «Bei Spezialanfertigungen kann es jedoch sein, dass nachher etwas davon in die Kollektion einfliesst – wer weiss», sagt Wüthrich. Bei ihrem Auftrag für die World Expo 2010 in Schanghai war das so gelaufen: Auch dort hatten sie mit den Architekten des Schweizer Pavillons, Buchner Bründler, eng zusammengearbeitet und die gesamte Möblierung dafür entworfen. Die entstandenen Stühle nahmen sie nachher in die Kollektion auf.

Marmor für den Kunstmuseums-Erweiterungsbau

Welche Möbel das Kunstmuseum bekommt, das ist heute noch geheim. «Das soll ja auch eine Überraschung sein an der Eröffnung im April», sagen die Designer. Sie verraten nur, wie der Weg zu den Entwürfen ausgesehen hat, ein Weg, den auch die meisten ihrer anderen Entwürfe gehen. «Es geht ja – neben der Funktionalität, die wir voraussetzen – um die Atmosphären im Raum», sagt Wüthrich. «Beim Erweiterungsbau ist der Materialkontrast im Innern des Gebäudes sehr interessant. Darauf reagieren wir und leiten daraus ein Thema für die Möbelstücke ab. Aus der Kombination von Marmor und feuerverzinktem Stahl entsteht so zum Beispiel eine Sitzbank.»

Um solche Eigenheiten der Räume herauszufinden, arbeiten die Möbeldesigner am liebsten vor Ort und lassen sich inspirieren. Die Raumverhältnisse können entscheidend sein – selbst wenn nur ein Rohbau vorhanden ist. Die Arbeit fürs Kunstmuseum begann zum Beispiel schon vor über einem Jahr, als ausser der Betonhülle des Baus noch nicht viel zu sehen war.

Denken «outside of the box»

Manchmal aber ist alles schon da, wenn das Inch-Furniture-Team anrückt. Wenn es zum Beispiel einen Tisch für ein Sitzungszimmer zu entwerfen gilt, das keinen rechten Winkel hat. Oder für eine Wohnung, in die ein gewohnt rechteckiger Tisch nicht passt. Dann zeichnen sie eine passende Form, entwerfen dann ein 1:1-Modell – und fertig ist der Tisch nach Mass.



Holzteller des Beistelltisches LORO werden nach der letzten Oberflächenbehandlung bei PIKA für den Transport in die Schweiz vorbereitet.

Holzteller des Beistelltisches «Loro» werden bei Pika für den Transport in die Schweiz vorbereitet. (Bild: Daniel Riera)

Während die Kollektions-Stühle und -Tische problemlos für jeden Bedarf verkauft werden können, ist für Massanfertigungen der Augenschein vor Ort unabdingbar. Deshalb hat Inch Furniture in Basel auch keine Ladenvertretung, sondern wickelt Verkäufe direkt und selber ab.

In diesen Direktverkäufen liegt ein grosses Sparpotenzial. Deshalb ist es in der Branche auch nicht nur gerne gesehen – weil es den Zwischenhändler unnötig macht.

Für Raschle und Wüthrich aber ist das zweitrangig. Wichtiger ist ihnen der Kontakt mit den Kunden und den ausgewählten Produzenten. Und deshalb mögen sie Aufträge wie jenen fürs Kunstmuseum – weil sie einen Dialog voraussetzen. Folglich halten sie auch an ihrem Nischenmodell fest: Designer und Produzent gleichzeitig zu sein. Schlicht, weil ihnen die Arbeit so Freude macht.

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