Zwei mal drei macht vier, widewidewitt…

Pippi Langstrumpf ist eine wohlstandsverwahrloste, kapitalistische Rampensau ohne Sinn für Recht und Ordnung. Das macht sie zur tollsten Kinderbuch-Heldin, die es gibt. Eine Huldigung zum 70. Geburtstag.

So werden Spaghetti gegessen! Pippi in Aktion.

Pippi Langstrumpf ist eine wohlstandsverwahrloste, kapitalistische Rampensau ohne Sinn für Recht und Ordnung. Das macht sie zur tollsten Kinderbuch-Heldin, die es gibt. Eine Huldigung zum 70. Geburtstag.

«Jeder wird mal erwachsen.»

«Nein Annika, nicht jeder, das ist nicht wahr. Nur die, die keine Krummeluse-Pillen haben. Wenn man die einnimmt, wird man nie gross! Man bleibt immer so, wie wir jetzt sind.»

Jeder, der in unseren Breitengraden eine anständige Kindheit verbracht hat, kennt diese Szene: Pippi Langstrumpf und ihre beiden Freunde Thomi und Annika schlucken bei Anbruch der Dunkelheit drei Wundererbsen. Dabei murmeln sie feierlich: «Feine kleine Krummelus, lass mich niemals werden gruss» – und die Weichen für den Kindertraum sind gestellt: Wenn die Krummeluse wirkt, werden Pippi und ihre Freunde für immer jung bleiben («gruss» ist dabei ganz wichtig, denn wer aus Versehen doch «gross» sagt, wird richtig gross, monumental, ratzfatz).

Für immer jung und für immer der Albtraum eines jeden Sozialarbeiters: Pippi ist nicht gerade ein Vorzeige-Kind. Sie lebt in einem riesigen unaufgeräumten Haus, ihre Mutter ist tot, ihr Vater lebt irgendwo auf einer Südseeinsel einen verrückten Herrschertraum. Pippi ernährt sich von Süssigkeiten, backt Kekse auf dem dreckigen Fussboden, hält sich ein Pferd und ein verlaustes Äffchen. Sie will nicht in die Schule, will sowieso nichts, was Erwachsene für sie wollen. Dafür hat Pippi, was alle Kinder haben wollen: Abenteuer, Selbstbestimmung, Superkräfte und eine grosse Kiste voller Gold. Ist das nun gut oder schlecht?

Schlecht, argumentiert zumindest das Öko-Mami im schwedischen Sozi-Streifen «Tillsammans»: Pippi sei eine verwöhnte Kapitalistin, die mache, was sie wolle, und sich kaltblütig die Freundschaften anderer Kinder kaufe. Das stimmt natürlich. «Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt» ist narzisstisch und eigennützig und kann nur aus dem Mund einer Person kommen, die die Mittel hat, sich diese Welt so zu machen, wie sie will.

Word.

Word.

Oder aus dem Mund eines Kindes. Womit wir beim Punkt wären: Pippi ist ein Kind, und sie ist eine Romanfigur. Sie darf das alles, sie soll das alles dürfen. Wo wären wir denn, wenn die Welt nur noch korrekte Kinderbücher zuliesse? Die rote Zora müsste ins Heim, der Räuber Hotzenplotz ins Hochsicherheitsgefängnis und Alice in die Klapse.

Pippi Langstrumpf lehnt sich gegen eine Erwachsenenwelt auf, die auch heute noch viel von ihr lernen kann. Zum Beispiel in jenem Kapitel, wo Pippi ihren Morgenspaziergang im Rückwärtsgang macht. Auf die Frage der Nachbarskinder, wieso sie denn rückwärtslaufe, antwortet sie erstaunt: «Warum ich rückwärtsgegangen bin? Leben wir etwa nicht in einer freien Welt? Darf man nicht gehen, wie man möchte?» Recht hast du, liebe Pippi. Mögen deine Krummeluspillen für immer gewirkt haben.

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