Ein Staatsanwalt in Oberägypten wollte einen Biertrinker mit Peitschenhieben bestrafen. Sofort wurde er suspendiert. Aber seit in Kairo die Islamisten regieren, gibt es Bestrebungen, den Alkoholkonsum einzuschränken.
Die Meldung aus der Provinz Minya war schnell eine der meist gelesenen im Internet. Ein Staatswalt der oberägyptischen Stadt Matay war kürzlich suspendiert worden, nachdem bekannt geworden war, dass er einen jungen Biertrinker mit 80 Peitschenhieben bestrafen wollte. Er warnte auch gleich noch die Gefängnisbeamten, sie würden Gottes Gesetz verletzen, sollten sie sich weigern, die Prügelstrafe auszuführen. Sie habe es dennoch getan. Hussein Anan entschied aufgrund von zwei Versen im Koran, in denen steht, Alkohol und Glücksspiel seien Gemeinheiten des Teufels und sollten von Gläubigen gemieden werden. Von Prügelstrafen steht allerdings nichts im Heiligen Buch der Muslime.
Der junge Mann hatte zu Protokoll gegeben, er sei auf einer Hochzeit gewesen und dort aufgefordert worden, ein Glas Bier zu trinken. Das ist eine Sitte, die vor allem auf dem Land sehr verbreitet ist, auch unter Muslimen.
Das Trinken von Alkohol ist in Ägypten nicht verboten. Bestraft wird nur Trunkenheit in der Öffentlichkeit. Aber vor allem sieht das ägyptische Gesetz keine Körperstrafen vor, und Strafen werden in jedem Fall von einem Richter verhängt und nicht von einem Staatsanwalt. Der hat nun ein Disziplinarverfahren gegen ihn laufen und wurde an ein anderes Gericht versetzt.
Menschenrechtsanwälte waren alarmiert, aber einige erzkonservative Islamistengruppen haben den Staatsanwalt für den Versuch, eine Prügelstrafe zu verhängen, gelobt, weil er sich gegen all jene aufgelehnt hätte, die sich weigern würden, die Sharia, das islamische Recht, konsequent anzuwenden.
Lokale Produktion von Wein und Bier
Auch in der neuen ägyptischen Verfassung steht in Artikel 2, dass die Sharia die wichtigste Quelle der Gesetzgebung sei. Und seit die Islamisten nach dem Sturz Mubaraks die dominierende Kraft sind, werden jene radikalen Kräfte lauter, die eine enge Interpretation dieser Text verlangen. Ein kontroverses Thema ist der Alkohol, der von Muslimen nicht konsumiert werden soll. Viele tun es trotzdem, und zudem sind etwa 10 Prozent der ägyptischen Bevölkerung Christen und jährlich besuchen Millionen Touristen das Nilland. Es gibt deshalb auch eine eigene Produktion von Bier und Wein. Alkohol wird in speziell lizensierten Geschäften und Restaurants verkauft und in allen Hotels mit drei oder mehr Sternen. Nur während des Fastenmonats Ramadan wird in der Regel kein Alkohol ausgeschenkt. Auch gibt es konservative Gegenden, wo gar keine alkoholischen Getränke zu finden sind, etwa die Oase Siwa.
«King Soliman» hat seit einiger Zeit die Gestelle in seinem Laden mit antiken Radio-Geräten vollgestopft. Wein und Bier hat er in einen nicht einsehbaren Lagerraum verbannt. Probleme hätte er aber noch nie gehabt, versichert der Besitzer des Alkoholgeschäftes in einem Wohngebiet der Kairoer Mittelklasse. Verpackt wurde das Teufelszeug auch schon vor der Revolution in undurchsichtigen schwarzen Plastiktüten, und auch auf Kellner, die mit offensichtlichem Widerwillen eine Weinflasche öffnen, ist man immer wieder gestossen.
Bestrebungen, den Konsum oder die Verfügbarkeit einzuschränken, sind aber offensichtlich. Die Regierung von Präsident Mohammed Morsi, der den Muslimbrüdern angehört, wollte als erstes die Steuern auf Alkohol verdoppeln, hat nach viel Kritik das ganze Paket dann aber wieder zurückgezogen. Vor einige Wochen liess das Ministerium für Zivilluftfahrt wissen, es plane den Verkauf von Alkohol an den Flughäfen und den Duty-Free-Shops einzustellen, die sind eine wichtige Quelle für die Ägypter, um sich mit ausländischen Spirituosen einzudecken. In den Flugzeugen der Egypt Air wird wie in allen staatlichen Institutionen seit mehreren Jahrzehnten kein Alkohol mehr serviert.
Keine Chance für umfassende Verbote
Zudem hat das Wohnbauministerium kürzlich bekannt gegeben, dass in den neu erschlossenen Wohngegenden rund um Kairo keine Lizenzen für weitere Alkoholgeschäfte mehr erteilt würden. Anwohner hätten das verlangt. Massive Einschränkungen, wie sie von Salafisten vorgeschlagen wurden, etwa dass Touristen ihren Alkohol selbst aus dem Ausland mitbringen und dann in ihrem Zimmer trinken sollen, haben bis jetzt aber kaum Gehör gefunden. Zu wichtig ist die Tourismusbranche für die Wirtschaft des Landes.