«Abgerissen wird in jedem Fall»

«Nachhaltigkeit», «Mehrwert» und «städtebauliche Vision» waren oft benutzte Schlagworte der Verantwortlichen für das Claraturm-Projekt. Ihr stärkstes Argument war an der Medienkonferenz im Hinblick auf die bevorstehende Referendumsabstimmung ein anderes. Ein endgültiges.

96 Meter hoch: Das Projekt des Claraturms anstelle der Warteckhäuser (Bild: zvg)

«Nachhaltigkeit», «Mehrwert» und «städtebauliche Vision» waren oft benutzte Schlagworte der Verantwortlichen für das Claraturm-Projekt. Ihr stärkstes Argument war an der Medienkonferenz im Hinblick auf die bevorstehende Referendumsabstimmung ein anderes. Ein endgültiges.

Riccardo Boscardin, Leiter der Global Real Estate Switzerland und damit Sprecher des Bauherrn SIMA-Immobilienfonds der UBS, brachte sein stärkstes Argument gleich zu Beginn der Medienkonferenz auf den Punkt: «Abgerissen wird in jedem Fall, gleich ob der Turm kommt oder nicht.»

In der Tat steht bei der bevorstehenden Referendumsabstimmung vom 24. November über den geplanten Claraturm faktisch nur die Zonenänderung und der Bebauungsplan für die Erstellung eines Hochhauses zur Debatte. Die Versuche, die bestehenden alten Häuser am Riehenring mit Schutzmassnahmen vor dem Abriss zu bewahren, sind bis auf Bundesgerichtsebene gescheitert. Boscardin betonte, dass der Immobilienfonds im Fall einer Ablehnung des Hochhausprojekts als Alternativprojekt eine zonenkonforme fünfgeschossige Randüberbauung erstellen werde. «Dann müsste der Staat allerdings auf die Mehrwertabgabe in der Höhe von 5 Millionen Franken verzichten.»

Dieses Killerargument überdeckte die positiven Aussagen zum Claraturm-Projekt, die Boscardin, der verantwortliche Architekt Meinrad Morger und – als etwas exotischer Dritter im Bunde – Daniel Jansen als Präsident des Vereins Warteckmuseum Basel, folgen liessen. Da war viel von «Nachhaltigkeit», von «Mehrwert» und «städtebaulichen Visionen» die Rede. «Der Claraturm ist nicht einfach so aus dem Hut gezaubert worden», sagte beispielsweise Architekt Morger, «sondern ist in der demografischen Entwicklung Basels in den letzten zehn Jahren begründet.» Namentlich im Leerwohnungsstand von 0,3 Prozent, der bereits mit einer Wohnungsnot vergleichbar sei.

170 neue Wohnungen über dem Messeneubau-Niveau

Der neue 96 Meter hohe Turm biete Platz für 170 neue Wohnungen im mittleren städtischen Preissegment, hiess es weiter. Auf Nachfrage präzisierte Boscardin: Es seien vor allem Ein-, Zwei- und Dreizimmerwohnungen geplant – plus eine kleinere Anzahl von Fünfzimmerwohnungen. Gemessen am Marktzins von 2011 werde die Monatsmiete für eine Zweizimmerwohnung je nach Stockwerk schätzungsweise zwischen 1300 und 1600 Franken betragen. Bereits bekannt sind auch die Pläne, die unteren vier Stockwerke für kommerzielle Nutzungen zur Verfügung zu stellen. Das sind Büros, Läden und Restaurationsbetriebe. Wie viele Restaurants im Neubau Platz finden könnten, mochte Boscardin noch nicht sagen. Es könnten drei kleinere Gastbetriebe, aber auch nur ein grösseres Restaurant sein.

Neu waren die Aussagen über die Nutzung des obersten Stockwerks. Im regierungsrätlichen Ratschlag zur Zonenänderung und zum Bebauungsplan war noch von einer Bar oder einem Café die Rede. Boscardin sprach nun an der Medienkonferenz von 300 Quadratmetern öffentlichem Raum, der von Quartiervereinen oder anderen Interessenten für ihre Anliegen gemietet werden könne. Öffentlich zugänglich werde überdies auch der begrünte Innenhof der neuen Überbauung, die übrigens ohne zusätzliche Parkplätze auskommen werde, wie Boscardin betonte.

Präsident des Warteckmuseums dafür

Soweit die Aussagen der Bauherrschaft, die von einem Investitionsvolumen in der Höhe von rund 100 Millionen Franken ausgeht. Architekt Meinrad Morger vom Büro Morger + Dettli Architekten, der übrigens bereits am Messeturm-Neubau beteiligt war, legte sich für die vertikale Verdichtung ins Zeug. «Der Claraturm ist kein Architektenfurz, uns ging es nicht darum, uns ein Denkmal zu setzen», sagte Morger. Er betonte, dass die neuen Wohnungen über dem Schatten des Messeneubaus, der die jetzigen Bauten überrage, zu liegen käme. Wegen der guten Anbindung an den öffentlichen Verkehr könne man auf zusätzliche Parkplätze verzichten. Und zusammen mit dem bestehenden Messeturm könne der Claraturm den Messeplatz auch in der Gesamtkomposition des Areals wieder ins Gleichgewicht bringen.

«Abgerissen wird auf jeden Fall»: die alte Häuserfront am Riehenring

«Abgerissen wird auf jeden Fall»: die alte Häuserfront am Riehenring (Bild: Dominique Spirgi)

Der Präsident des Vereins Warteckmuseum Basel und Ur-Ur-Enkel des Brauereigründers Niklaus Emanuel Merian, Daniel Jansen, sprach sich schliesslich als eine Art Warteck-Historiker für das Hochhausprojekt aus. «Die Geschichte der Warteck-Brauerei lässt sich nicht an einer Hausfassade festmachen», sagte er. Die Geschichte der Brauerei, die 1862 eben am Riehenring ihren Anfang nahm, werde unter anderem in der Sammlung des Vereins Warteckmuseums weiterleben. Insofern habe er nichts dagegen einzuwenden, dass aus der «Warte-Ecke» neu eine «Wohn-Ecke» werde.

Referenden lassen sich nicht einschüchtern

Andreas Bernauer, Geschäftsführer der vom Abbruch betroffenen Piano-Bar und Kopf des Referendums gegen den Claraturm, bedauert die Aussage der Bauherrschaft, dass sie die alten Warteckhäuser in jedem Fall abreissen werde. Er will die bestehenden Bauten dennoch nicht verloren geben. «Wenn die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger das Hochhausprojekt ablehnen, wird der UBS-Immobilienfonds über seine Abbruchpläne wohl oder übel nachdenken müssen», gibt er sich auf Anfrage überzeugt. Auf alle Fälle werde man das Gespräch mit der Bauherrschaft suchen und sich notfalls mit allen rechtlichen Mitteln gegen den Abbruch zur Wehr setzen. 

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