Wieder machen Begriffe wie «Sozialschmarotzer» die Runde – und verhindern einen nüchternen Blick auf die Dinge.
Sozialhilfe-Industrie: Es war eine Frage der Zeit, bis dieses hässliche Wort wieder hochgespült würde. Seit Tagen übertreffen sich Medienschaffende beim Fahnden nach «teuren Fehlern» im Sozialsystem. Dieses, so ein oft kolportierter Vorwurf, bekämpfe Armut nicht, sondern produziere noch mehr Arme. Ganz nach dem Motto: Das Angebot schafft die Nachfrage.
In dieses Weltbild fügen sich angebliche «Sozialschmarotzer» bestens ein. Oder «Sozialhilfetouristen». Damit sind Leute gemeint, die ihre Wohngemeinde nach den jeweils lukrativsten Hilfsangeboten aussuchen. Eine Basler Zeitung ortete hier jüngst ein Riesenproblem – bis eine andere Basler Zeitung diese These widerlegte.
Was läuft schief in der Sozialhilfedebatte? Warum faszinieren uns angebliche Sozialmissstände so sehr, wo es doch ziemlich gut läuft? «Es ist eine Gehirnwäsche im Gang – auch wenn dies viele Leute nicht wahrhaben wollen», sagt «Surprise»-Geschäftsführerin Paola Gallo. Statt Armut bekämpfe man heute die Armen.
Was in der Empörung völlig untergeht, ist die langfristige Sicht der Dinge.
Aktuell unter die Räder geraten sind die vor zwei Jahren per Volksentscheid eingeführten Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb), die das alte Vormundschaftswesen ablösten. Statt Laien kümmern sich heute Profis um das Schicksal von Menschen, die nicht allein für sich sorgen können.
Eine sinnvolle Sache. Doch dummerweise kostet das professionalisierte System mehr Geld – darum wird es bereits nach wenigen Monaten radikal in Frage gestellt.
Was in der Empörung völlig untergeht, ist die langfristige Sicht der Dinge. Natürlich kosten die neuen Kesb mehr Geld. Natürlich gibt es grossen Optimierungsbedarf.
Doch was passiert, wenn junge Menschen nicht frühzeitig professionell betreut werden? Vielleicht finden sie keinen Job, werden fürsorgeabhängig oder gar straffällig. Und das verursacht viel höhere Sozialkosten.