Alkoholtest im Handschuhfach

Wer Alkohol trinkt, soll seinen Promille-Gehalt in Frankreich künftig selbst testen, bevor er ins Auto sitzt. Frankreich versteht bei Betrunkenen im öffentlichen Raum ohnehin immer weniger Spass.

Auch in Frankreich gilt ab 0,5 Promille Alkohol im Blut: Fahren verboten. Im Zweifelsfall soll der Fahrer gleich selbst testen – und zwar mit dem «Éthylotest», der ab 1. Juli in jedes Auto gehört. (Bild: Foto: Keystone, Denis Sollier)

Wer Alkohol trinkt, soll seinen Promille-Gehalt in Frankreich künftig selbst testen, bevor er ins Auto sitzt. Frankreich versteht bei Betrunkenen im öffentlichen Raum ohnehin immer weniger Spass.

Die Franzosen ziehen die Schraube im Kampf gegen die öffentliche Trunkenheit weiter an. Ab 1. Juli gehört ins Handschuhfach jedes Personenwagens ein Alkoholtest. Das gilt auch für alle Ausländer, die im Land mit motorisierten Fahrzeugen unterwegs sind. Selbst ein kleiner Abstecher nach Saint-Louis führt schon zur Pflicht, einen Test mitzuführen.

Wer bei einer Kontrolle keinen (unbenutzten!) Test vorweisen kann, muss mit elf Euro Strafe rechnen. Das allerdings voraussichtlich erst ab 1. November. Vorher will man sich noch kulant zeigen.

Ab 0,5 Promille darf man sich in Frankreich nicht mehr hinters Steuer setzen. Wer sich mit einem Pegel zwischen 0,5 und 0,8 Promille erwischen lässt, muss mit bis zu 750 Euro Strafe rechnen. Über 0,8 Promille werden bis zu 4500 Euro Strafe fällig.

Kein Alkohol auf Kredit

Trunkenheit in der Öffentlichkeit wird in Frankreich ohnehin immer weniger akzeptiert. In Stadien und Turnhallen wird grundsätzlich kein Alkohol verkauft. Auch in der Umgebung von sogenannten «geschützten Zonen» darf kein Alkoholverkauf stattfinden. Das betrifft beispielsweise Schulen oder Gesundheitszentren.

Entdeckt man trotz klarer Regeln dennoch eine Bar in der Nähe, dann liegt das am Bestandsschutz – die Bar war schon vor dem Bau der Schule da. Man kann dem Besitzer schliesslich nicht die Lebensgrundlage nehmen. Setzt er sich dann aber zur Ruhe, verfällt auch die Lizenz.

Alkohol darf im Übrigen nicht in Automaten verkauft werden und an Tankstellen nur von 8 bis 18 Uhr. In Gaststätten erhält man zwar auch nach 18 Uhr Alkohol, allerdings ist es dem Wirt untersagt, härtere Getränke gegen Kredit abzugeben. Wer kein Geld mehr hat, muss mit dem Trinken aufhören.

In Frankreich ist es verboten, sich betrunken auf öffentlichem Grund aufzuhalten. Wer noch einigermassen geradeaus gehen kann, wird gewöhnlich nicht kontrolliert. Schwankende Horden wie beim Münchner Oktoberfest sind aber undenkbar. Sobald der Alkohol den aufrechten Gang und das Verhalten eindeutig beeinflusst, sind die Polizisten angehalten, den Betroffenen auf seinen Alkoholgehalt zu testen und von der Strasse zu holen.

Das kostet dann bis zu 150 Euro Strafe und führt zur Zwangsausnüchterung bei der Police Nationale. Die Polizisten dürfen Betrunkene erst ihrer Wege ziehen lassen, wenn diese wieder vollkommen nüchtern sind.

Sollte man sich seinen Rausch im Lokal geholt haben, ist das auch für den Wirt ein Problem. Ihm blühen zwischen 150 und 750 Euro Strafe, gewöhnlich 600 Euro. Zudem kann die Polizei ihm sein Geschäft bis zu acht Tage schliessen. Und so klagen die Elsässer Wirte zunehmend lauter, dass es für sie immer schwieriger werde zu existieren. Die Gäste bestellten häufiger Wasser statt Wein. Die Gesetze scheinen also zu fruchten.

Ausverkauft

Ganz offensichtlich nehmen die Französinnen und Franzosen ernst, was die Obrigkeit verordnet. Wer sich in Frankreich vorsorglich mit einem Alkoholtest fürs Handschuhfach im Auto ein­decken will, ist aufgeschmissen. Theoretisch erhält man den «Éthylotest» zwar in jeder Apotheke.

Zurzeit allerdings bringt es nicht viel, ein Geschäft aufzusuchen. Die Dinger sind ausverkauft, seit vor einem Monat die Gesetzesänderung bekannt wurde. In beiden Apotheken in Huningue ernteten wir mit unserer Nachfrage jedenfalls nur bedauerndes Achselzucken. Man frage fast täglich beim Grosshändler nach, aber die Lieferanten seien von der Nachfrage völlig überrollt.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06.04.12

Nächster Artikel