«Als wir Hinweise bekamen, haben wir gehandelt»

Philippe Bischof bleibt dabei, dass es vor der Trennungsvereinbarung mit der Direktorin des Historischen Museums keine Hinweise auf ein Finanzdebakel gegeben hat. Im Interview nimmt er Stellung zu den Vorwürfen, dass er seiner Verantwortung nicht nachgekommen sei.

Philippe Bischof: «Das Funktionssystem der Museen, mit Jahres- und Mehrjahresplanungen, mit einer Verbindung von staatlichen und privaten Geldern, ist extrem risikobehaftet.»

(Bild: Dominique Spirgi)

Philippe Bischof bleibt dabei, dass es vor der Trennungsvereinbarung mit der Direktorin des Historischen Museums keine Hinweise auf ein Finanzdebakel gegeben hat. Im Interview mit der TagesWoche nimmt der Leiter der Abteilung Kultur Stellung zu den Vorwürfen der Geschäftsprüfungskommission, dass er seiner Verantwortung nicht nachgekommen sei.

Die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rats (GPK) geht mit der Abteilung Kultur und dem Präsidialdepartement (PD) hart ins Gericht. Das Finanzdebakel beim Historischen Museum Basel habe Mängel bei den Führungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben aufgezeigt, schreibt sie in ihrem Bericht. Insbesondere bemängelt die Kommission, dass die Verantwortlichen keine Alarmglocken haben klingeln hören, als sie sich mit den Unstimmigkeiten im Personalbereich herumschlagen mussten. 

Der angesprochene Amtsleiter Philippe Bischof nimmt erst einen Tag nach der Veröffentlichung des GPK-Berichts Stellung. Die TagesWoche ist das dritte Medium, das er in seinem Büro empfängt, und nach dem Interview steht schon der nächste Journalist bereit. Es mag also an der Wiederholung liegen, dass Bischofs Antworten ziemlich abgeklärt klingen.

Die GPK erhebt den Vorwurf, dass Sie Ihrer Verantwortung als direkter Vorgesetzter der ehemaligen Direktorin des Historischen Museums Basel nicht nachgekommen sind. Wie gehen Sie mit diesen Vorwürfen um?

Philippe Bischof: Selbstverständlich nehme ich die Kritik der GPK ernst und schaue nach vorne. Wir haben die Ereignisse weitestgehend aufgearbeitet und versucht, die richtigen Konsequenzen und Lehren daraus zu ziehen. Wir beschäftigen uns intensiv damit, welche Prozesse intern und in den Museen angepasst werden müssen, ob neue Führungs- und Controllinginstrumente eingeführt werden müssen. Ich konzentriere mich also auf die Zukunft.

Das klingt ziemlich abgeklärt.

Der Bericht der GPK weist auf wichtige Punkte hin, deckt aber auch Widersprüche im System auf: Einerseits ist davon die Rede, dass keine Verfehlungen stattfanden, gleichzeitig werden aber Verfehlungen aufgelistet. Das ist ein Abbild einer Konstellation, die sehr komplex ist – zum Beispiel, was das Museumsgesetz betrifft, das den Häusern einerseits Autonomie gewährt, andererseits müssen sie sich als Dienststellen des Präsidialdepartements an alle gesetzlichen Vorlagen halten. Unsere Aufgabe ist es nun, eine Auslegeordnung zu machen, zu eruieren, wo Unschärfen in den Zuständigkeiten bestehen. Wir wollen, dass die Verantwortungen künftig für alle Akteure klar definiert sind und wir Controllinginstrumente in der Hand haben, die effizient sind und das erfüllen, was erwartet wird: nämlich eine regelmässige transparente und effektive Berichterstattung. So gesehen nehme ich den Bericht der GPK als Auftrag entgegen, um über die eigene Praxis kritisch und konstruktiv nachzudenken.

Das bedingt aber auch einen Blick zurück. Die Kommission kann nicht nachvollziehen, warum bei Ihnen die Alarmglocken nicht geläutet haben, als Sie von den happigen Problemen im personellen Bereich erfuhren. Warum haben Sie nicht gleich eine generelle Überprüfung der Geschäfte im Museum eingeleitet und namentlich auch auf die finanzielle Situation geschaut?

Im April 2015 erreichte uns via Beamtenverband ein Schreiben von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das sich auf die schwierige Personalsituation bezog. Auf dieses haben wir sehr rasch reagiert und ein externes Coaching in die Wege geleitet, um die personelle und strukturelle Situation, also die Arbeitsprozesse und die Stimmung, zu beleuchten. Bekanntlich führte das Resultat dieser Strukturanalyse später zur Trennungsvereinbarung mit der Direktorin. Wir hatten bereits im Oktober 2014 erste Hinweise. Auch auf die hatten wir reagiert, unter anderem mit einem Verweis an Frau Jungblut. Sie hatte sich in der Personal- und Strukturentwicklung nicht an rechtliche Vorgaben gehalten und durfte nichts verändern, ohne uns vorher eine entsprechende Strategie vorzulegen, die personalrechtlich hieb- und stichfest war. Frau Jungblut hielt sich leider nicht daran, was zum Verweis führte.



«Ich schaue nach vorne, das was geschehen ist, ist geschehen.»

«Ich schaue nach vorne. Das was geschehen ist, ist geschehen.» (Bild: Dominique Spirgi)

Aber Sie beschränkten sich auf personelle und strukturelle Fragen, was die Kommission deutlich kritisiert. Warum haben Sie angesichts dieser Verfehlungen nicht zugleich genau auf die Finanzen geschaut?

Die Geschäftsprüfungskommission weiss im Nachhinein natürlich mehr, als wir damals wissen konnten. Wir hatten bis Herbst 2015 keinerlei Hinweise auf finanzielle Missstände im Museum. Natürlich kann man nun sagen, dass eine Generalanalyse angesagt ist, wenn es irgendwo brodelt im Museum. Das würde aber voraussetzen, dass man einen Generalverdacht mit sich herumträgt. Wir haben die personelle Situation ernst genommen – das war damals enorm wichtig. Aber wir hatten keine Hinweise auf finanzielle Unstimmigkeiten, also sahen wir damals keinen Anlass, das Budget des Museums zu überprüfen. Als wir deutlich später, nach der Auswertung der zweiten Hochrechnung 2015, Hinweise darauf bekamen, haben wir gehandelt.

Es haben regelmässig Gespräche zwischen Ihnen und Frau Jungblut stattgefunden. Zehnmal im Jahr, schreibt die Kommission. Spricht man da wirklich nicht übers Budget?

Wenn ich hier etwas klarstellen darf: Das Budget wird regelmässig kontrolliert. Denn wir erhalten dreimal im Jahr einen Tertialbericht, das heisst eine Hochrechnung des Museums. Das ist Standard bei allen Dienststellen im Kanton. Das sind gewissermassen Zwischenabschlüsse, in denen jede Abweichung von über drei Prozent oder 100’000 Franken materiell begründet werden muss. Es muss dabei ausgeführt werden, ob es sich um aussergewöhnliche oder um erklärbare Abweichungen handelt. Diese Ausführungen überprüfen wir selbstverständlich. Wir hatten aber wie gesagt keine Hinweise auf eine besorgniserregende Finanzentwicklung bis Herbst 2015. Die Hochrechnungen waren in Ordnung, der Rechnungsabschluss 2014 war es ebenfalls. Bei den Gesprächen mit Frau Jungblut ging es jeweils um viele verschiedene Themen: vor allem um die personelle und strukturelle Entwicklung, auch um die Sanierung des Hauses zum Kirschgarten und so weiter.

«In allen anderen Museen gab es in den letzten Jahren keine Probleme dieser Art zu bewältigen.»

Die Tertialberichte und direkten Gespräche reichten nicht, um Sie frühzeitig zu alarmieren. Werden Sie nun künftig einen Revisor an Ihre Seite nehmen?

Nein. Wir werden bereits ab Herbst das Instrument des Tertialberichts, der auf den Hochrechnungen basiert, ausbauen und mit einem Jour fixe für eine personelle, inhaltliche und finanzielle Zwischenberichterstattung verbinden. Dort werde ich vertiefte Nachfragen stellen. Wir meinen, dass wir damit ein effizientes Instrument in der Hand haben werden. Und ich möchte doch darauf hinweisen, dass es sich beim Historischen Museum zum Glück um einen Einzelfall handelt. In allen anderen Museen gab es in den letzten Jahren keine Probleme dieser Art zu bewältigen.

Könnten die finanziellen Unstimmigkeiten auch daran liegen, dass Frau Jungblut meinte, mit einer Masse an Sonderausstellungen die hohen Erwartungen erfüllen zu müssen, die Sie an sie gestellt hatten? Nämlich, das Museum als ein Haus der Geschichte neu zu positionieren?

Hier muss ich etwas richtigstellen: Die Entscheidung über Inhalt und Anzahl der Sonderausstellungen liegt ausschliesslich bei den Museen. Die Museen legen in ihrem Budgetbericht dar, wie sie ihre Aufgaben aufgrund der Leistungsvereinbarungen erfüllen wollen. Wie viele Sonderausstellungen dazu nötig sind, entscheiden sie ganz und gar selber. Wenn es ein Museum schafft, mit den notwendigen Drittmitteln mehr Sonderausstellungen zu organisieren, ist das erfreulich, aber nicht eine Forderung von unserer Seite. Diese Unabhängigkeit ist im Museumsgesetz so festgehalten und wir respektieren sie. Wir erwarteten vom Historischen Museum eine Erweiterung des Wirkungskreises und die Erschliessung neuer Publika, aber die Direktion konnte jederzeit und wird auch künftig frei entscheiden, wie sie dieses Ziel umsetzt. Die inhaltliche Freiheit der Museen ist ein hohes Gut, das wir schützen wollen.

Die GPK schlägt die Einführung eines speziellen und über mehrere Jahre reichenden Planungsinstruments für Sonderausstellungen vor, die ja eine längerfristige Vorlaufzeit haben und fast ausschliesslich über Drittmittel finanziert werden müssen. Ist das ein sinnvoller Weg, um Überraschungen zu vermeiden?

Zum Teil. Sinnvoll ist, dass alle Häuser über regelmässig aktualisierte Projektcontrolling-Tools verfügen müssen. Wir sehen daher vor, dass die Museen ihre internen Controlling-Instrumente überprüfen und standardisieren. Aber eine Mehrjahresplanung ist in einem kantonalen SAP-System, das eigentlich nur Jahresplanungen zulässt, fast nicht möglich. Und die Verbindung von staatlichen und privaten Mitteln ist grundsätzlich heikel. Es gibt Stiftungen und private Geldgeber, die darauf bestehen, dass ihre Gelder nicht in das staatliche Budget fliessen. Teilweise wollen sie auch nicht genannt werden. Die Verantwortung über Drittmittel muss daher bei den Museen bleiben. Ich möchte aber in den erwähnten regelmässigen Gesprächen Auskunft bekommen über den Stand der eingegangenen Drittmittel. Oft passiert dies übrigens bereits jetzt.

Das Dilemma zwischen der Gewährung von Autonomie und Kontrolle bleibt somit bestehen?

Sobald Museen von Drittmitteln abhängen, ist das so, ja. Das Funktionssystem der Museen, mit Jahres- und Mehrjahresplanungen, mit einer Verbindung von staatlichen und privaten Geldern, ist extrem risikobehaftet. Um es deutlich zu sagen: Dies kann man in Kauf nehmen oder nicht. Aber wenn man es nicht will, dann hat man künftig keine Sonderausstellungen mehr. Genau deshalb erlaubt das Museumsgesetz mit seinem Bonus-/Malussystem den Museen, Rücklagen zu bilden, damit sie das Risiko bis zu einem gewissen Punkt auffangen können. Beim Historischen Museum sind diese Rücklagen nun leider fast aufgebraucht. Die Risiken der Drittmittel-Abhängigkeit muss man bestmöglich kontrollieren, vermeiden lassen sie sich aber nicht.

«Eine der grossen Lehren aus der Debatte ist, dass die Verantwortungsbereiche aller Gremien geklärt werden müssen.»

Im Bericht der GPK liest sich das so, dass die Abteilung Kultur die Autonomie der Museen höher gewichtet als die «Durchsetzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen».

Jedes Museum ist an die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Kantons gebunden – das Museumsgesetz hebt die anderen Gesetze nicht auf. Jede Direktion muss die gesetzlichen Vorlagen erfüllen. Im Museumsgesetz gibt es aber Unschärfen und unklare Zuständigkeiten. Eine der grossen Lehren aus der Debatte ist, dass die Verantwortungsbereiche aller Gremien geklärt werden müssen. Es muss unmissverständlich sein, welche Aufgaben und Zuständigkeiten die Abteilung Kultur, die Grossratskommissionen, die Museumskommission, die Vereine und Stiftungen haben. Denn nur im fruchtbaren Zusammenspiel dieser Ebenen bleiben die Basler Museen diese hervorrragenden Institutionen, die zugleich auf öffentlicher und privater Basis stehen.

Aber die Verantwortung als führende Dienststelle liegt bei Ihnen.

Das ist klar so. Aber ohne nun die Verantwortung abschieben zu wollen: Es ist zum Beispiel nicht genau definiert, für was die Bildungs- und Kulturkommission des Grossen Rats zuständig ist.

Eine Lex Jungblut, also ein neues System, ist also Ihrer Ansicht nach nicht nötig?

Das wäre übertrieben, weil dies der einzige Problemfall ist. Die Museen bewältigen ihre risikoreichen Aufgaben bestens. Ich denke, dass das neue Museumsgesetz unbestritten ist, und das ist auch gut so.

«Wir werden die neue Museumsstrategie bereits im Herbst einführen.»

Aber es wird ein neues Museumskonzept geben?

Ja, die neuen Führungs- und Kontrollinstrumente werden im neuen Museumskonzept – wir sprechen neu von Museumsstrategie – klar benannt. Wir werden die neue Strategie bereits im Herbst einführen. Und wir werden darin auch die Zuständigkeiten der genannten Gremien und Instanzen genau klären. Es ist wichtig, dass alle wissen, für was sie zuständig und verantwortlich sind.

Wenn man Ihnen zuhört, scheint alles in klaren Bahnen zu verlaufen. Warum konnten Sie die Geschäftsprüfungskommission nicht davon überzeugen?

Ich kann das nicht beurteilen. Es war nach einer ersten Welle längere Zeit ruhig. Ich hoffe, dass wir den neuen Vorwurf, dass wir unsere Verantwortung nicht wahrnehmen, aus der Welt schaffen können.

Es steht die Wahl eines neuen Direktors oder einer neuen Direktorin des Historischen Museums an. Wie weit sind Sie hier?

Wir befinden uns auf dem Weg und wir sind gut unterwegs. Ich hoffe, im Herbst einen Namen kommunizieren zu können.

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