So hat alles angefangen bei der Schweizer Luftwaffe: 1913 lancierte die Offiziersgesellschaft eine Sammelaktion für eine Schweizer Fliegertruppe. Doch Geld allein machte noch keine Luftwaffe, wie ein Blick in die Geschichte zeigt.
1897 beschloss das Schweizer Parlament, es anderen Armeen gleichzutun, und sagte Ja zur Schaffung einer Ballontruppe. Dabei sollten auch zivile Ballonfahrer ihr Wissen und ihre Erfahrung einbringen. 72 von ihnen gründeten 1901 den Aero-Club der Schweiz. Erster Präsident des Clubs und Kommandant der Ballontruppe war ein und dieselbe Person: Oberst im Generalstab Theodor Schaeck (1856–1911).
Damit zeichnete eine Zusammenarbeit zwischen Armee- und Zivilkreisen ab, wie sie auch für die Anfänge der Schweizer Luftwaffe typisch werden sollte.
Rasante Entwicklung
Während der ersten Jahre des neuen Jahrhunderts waren die Motorflugzeuge allerdings noch keine ernsthafte Konkurrenz für die Ballone. Doch die Aviatiker in ihren fliegenden Kisten holten rasch auf. Am 25. Juli 1909 flog der Franzose Louis Blériot als Erster mit seinem Eindecker über den Ärmelkanal.
Ein Jahr später überflog der Schweizer Armand Dufaux mit seinem Doppeldecker am 28. August 1910 als Erster den Genfersee in seiner ganzen Länge. Kurz darauf bezwang der Peruaner Geo Chavez mit einem Blériot-Eindecker am 24. September 1910 den Simplon. Bei der Landung in Domodossola ging sein Flugzeug allerdings in Brüche; Chavez erlag seinen Verletzungen ein paar Tage später. Er war nicht der Einzige, der seine Flugbegeisterung mit dem Leben bezahlte.
Herrschaft über den Luftraum
Auch in Schweizer Offizierskreisen verfolgte man die Entwicklung mit Interesse. Angesichts anstehender Ausgaben im Militärbereich war man sich allerdings im Klaren darüber, dass man dem Steuerzahler nicht auch noch die Lasten für den Aufbau einer Schweizer Fliegertruppe zumuten konnte. Daher griff die Schweizerische Offiziersgesellschaft die Idee auf, die nötigen Gelder im Rahmen einer nationalen Sammelkampagne auf privater Basis zusammenzubringen und dem Bund zur Verfügung zu stellen.
Die Notwendigkeit, eine Schweizer Fliegertruppe zu schaffen, wurde im zentralen Sammelaufruf wie folgt begründet: «Der Mensch hat heute, allerdings unter Verlust einer leider nur allzugrossen Zahl von Opfern aus der Reihe der tapferen Flieger, die Herrschaft über den Luftraum so weit erworben, dass das Flugzeug im praktischen Leben verwertet werden kann. In den verschiedenen Grossstaaten war man sich sehr rasch darüber klar, welche Bedeutung die Flugzeuge in militärischer Beziehung besitzen, welche hervorragenden Dienste sie namentlich für die Aufklärung leisten können.»
Lobby für die Militärfliegerei
Koordiniert wurde die Sammelaktion von den kantonalen Offiziersgesellschaften. Diese waren bemüht, möglichst breite Kreise zu aktivieren. Dies gelang ihnen ziemlich gut. Bei den Sozialdemokraten hatten sie allerdings keinen Erfolg. Diese standen damals der Armee äusserst kritisch gegenüber, weil sie gegen Streikende eingesetzt werden konnte und die Offiziersränge Arbeitern verwehrt blieben.
Die Sammlung war ein voller Erfolg. Am 9. Mai 1913 konnten die Initianten der nationalen Flugspende dem Bund 1,7 Millionen Franken überreichen.
Mit zur Breitenwirkung der Sammelkampagne hatten auch verschiedene Flugtage beigetragen, an denen Schweizer Piloten auftraten, allen voran Oskar Bider. Dieser war mit seinen Flügen über die Pyrenäen und die Schweizer Alpen 1913 zur nationalen Flieger-Ikone geworden. So erstaunt es nicht, dass der Bundesrat ihn am 14. Februar 1913 in die am 9. November 1912 geschaffene Kommission zu Fragen der Militäraviatik berief.
Mit dem eigenen Flugzeug ans Manöver
Es ist eine der Besonderheiten der Schweizer Militärfliegerei, dass noch vor der Schaffung einer Fliegertruppe Piloten mit ihren Privatflugzeugen an Truppenübungen teilnahmen. Bereits 1911 unternahm der kaum 18-jährige Waadtländer Ernest Failloubaz bei den Herbstmanövern der Armee zusammen mit einem Beobachter Aufklärungsflüge. Widrige Winde zwangen ihn mehrmals zu Notlandungen. Schliesslich kam es gar zu einer Bruchlandung.
Angesichts der aufgetretenen Probleme zweifelte die Militärdelegation, welche die Manöver im Auftrag des Bundesrats verfolgte, am Nutzen der Militärfliegerei. So erstaunt es nicht, dass Oberstkorpskommandant Wille die Herbstmanöver des folgenden Jahres ohne Beteiligung von Fliegern durchführte.
Neuer Schwung
Die nationale Flugspende gab den Verfechtern einer Schweizer Fliegertruppe wieder Auftrieb. Im Vorfeld der Herbstmanöver 1913 boten, wie die Sissacher «Volksstimme» zu berichten wusste, «etwa 20 patentierte Schweizer Aviatiker» dem Militärdepartement ihre Dienste an. Bei den Manövern dabei waren schliesslich Oskar Bider mit seinem Blériot-Eindecker und Theodor Borrer mit einem Hanriot. Nach ein paar erfolgreichen Flügen musste Bider während eines nächtlichen Aufklärungsflugs notlanden. Dabei ging sein Blériot in Brüche. Er selbst und sein Beobachter Theodor Real erlitten leichte Verletzungen.
Mit der nationalen Flugspende standen seit dem Mai 1913 die nötigen Mittel für den Kauf von Flugzeugen zur Verfügung. Noch war aber nicht entschieden, welcher Flugzeughersteller den Zuschlag erhalten würde. Im März 1914 liess die Kommission für Militäraviatik Testflüge mit zwei Eindeckern – darunter auch der Blériot – aus Frankreich und drei Doppeldeckern aus Deutschland und Österreich durchführen. Darauf beschloss der Bundesrat am 23. Juni 1914 die Beschaffung von sechs deutschen LVG-Doppeldeckern. Zur Auslieferung sollte es jedoch infolge des Ersten Weltkriegs nicht mehr kommen.
Als Hauptmann Real am 31. Juli 1914 mit der Aufstellung einer Fliegertruppe betraut wurde, musste er improvisieren. Besitzer von Flugzeugen wurden zum Dienst aufgeboten, zudem wurden zwei an der Landesausstellung gezeigte ausländische Flugzeuge kurzerhand requiriert. Als Cheffluginstruktor dabei: Korporal Oskar Bider mit seinem neuen Blériot.
Bittere Worte
Theodor Real reichte im Sommer 1916 sein Entlassungsgesuch ein. Darin beklagte er sich, dass es mangels Unterstützung nicht möglich gewesen sei, «eine Fliegertruppe aufzustellen, die nur annähernd unseren Verhältnissen entsprechen könnte».
Die Gründe dafür sah der Schweizer Flughistoriker Erich Tilgenkamp im Umstand, «dass die obersten Führer der schweizerischen Weltkriegsarmee mit der Fliegerei nichts anzufangen wussten (…) und froh waren, ihre strategischen und taktischen Pläne nicht noch mit Fliegern belasten zu müssen. Zudem herrschte bei uns damals im Hinblick auf die Flugwaffe keine klare Auffassung und keine Zielgerichtetheit der Entwicklung.»