Am Sonntag wünscht sich Pep Guardiola einen Sieg. Nicht als Bayern-Trainer, sondern als Patriot. Bei den Regionalwahlen in Katalonien will das separatistische Parteienbündnis, für das Guardiola kandidiert, genug Stimmen holen, um die Abspaltung von Spanien einzuleiten.
Im Hintergrund ist verschwommen ein Garten zu erahnen. Pep Guardiola predigt sanft, er wirkt bewegt, fast poetisch. «Es gab eine Zeit, da hätten wir uns nie vorstellen können, an diesen Punkt zu gelangen», sagt er. «Ein Land von Null aufbauen zu können, mit einer gerechteren Wirtschaft und besseren Gesetzen.» Jetzt sei der Tag gekommen. Katalonien stehe vor einer «demokratischen Revolution».
Den Spot hat der FC-Bayern-Trainer vor ein paar Wochen in Deutschland aufgenommen, so wie er vorgestern auch im spanischen Konsulat in München seine Stimme abgab für die katalanischen Regionalwahlen an diesem Sonntag.
Guardiola wird nicht vor Ort sein, wenn 5,5 Millionen Wahlberechtigte über die Frage abstimmen, ob die nordostspanische Region den Prozess einer Abspaltung von Spanien einleiten soll. Doch präsent ist er trotzdem. Auf der gemeinsamen Wahlliste der wichtigsten Unabhängigkeitsbefürworter Junts pel Si («Gemeinsam für das Ja»). Und in den Debatten sowieso.
Guardiolas langer Traum
Der ehemalige Kapitän und Wundertrainer des FC Barcelona kann mit Fug und Recht als der berühmteste Katalane dieser Tage bezeichnet werden. Erfolgreich und kultiviert, heimatverbunden und doch weltläufig, gilt er vielen Menschen zwischen Figueres und Tarragona als eine Art Idealbild ihrer selbst. Für die Separatisten um den amtierenden Regionalpräsidenten Artur Mas ist Guardiolas Beteiligung auf dem – symbolischen – letzten Listenplatz daher ein beachtlicher Coup gewesen. Wobei es dafür andererseits gar keiner grossen Überzeugungskräfte bedurfte.
Schon zu aktiven Zeiten sagte Guardiola mal, er spiele zwar gern für Spanien, aber auch nur deshalb, weil Katalonien, «mein Land», kein eigenes Team haben dürfe. Die intensiven Jahre als Barça-Trainer mit wüsten, teils persönlichen Attacken aus dem Umfeld eines sportlich gedemütigten Real Madrid haben seine Ansichten ebenso verstärkt wie sein Umgang mit der katalanischen Intellektuellenszene. Der Sänger Lluís Llach war es auch, der ihn für die Sache mit dem Listenplatz ansprach. «Und seinen Vorbildern kann man nun mal nichts abschlagen», so Guardiola diese Woche gegenüber der Zeitung «El Punt Avui». Für den Traum von der Unabhängigkeit gibt er sogar Einzelinterviews – sonst bei ihm grundsätzlich tabu.
Symbolische Zielscheibe
«Katalonien und Spanien wird es besser gehen», wenn man sich trenne, findet Guardiola, aber das sehen viele natürlich anders – in Katalonien und erst recht in Spanien. Wenig überraschend ist der symbolische Kandidat im erhitzten Klima dieser Tage daher auch zur symbolischen Zielscheibe geworden.
Nicht nur in Madrids nächtlichen TV- und Radio-Stammtischen ereifert man sich über ihn wie zu seiner Zeit als Barça-Trainer. Auch die konservative Volkspartei PP um Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy teilt mit dem Holzschlaghammer aus. Innenminister Jorge Fernández Diaz warf ihm vor, nur aus finanziellen Motiven für Spanien gespielt zu haben (womit er inzident das verbreitete Klischee der geldgeilen Katalanen bediente). Am Donnerstag legte Sportstaatssekretär Miguel Cardenal nach: «Der Fall Guardiola erklärt vieles von dem, was in Katalonien passiert. Er ist Teil einer riesengrossen Manipulation.»
Der Politiker bezieht sich auf die Kampagne «Guanyarem» («Wir werden gewinnen»), für die Guardiola ebenfalls auftritt und die sich einem diffusen Bereich zwischen Unterstützung des katalanischen Sports und der katalanischen Unabhängigkeit bewegt. Viele Athleten, so Cardenal, seien unter falschen Vorzeichen gewonnen worden und würden jetzt als Abspaltungsaktivisten «missbraucht». Guardiola konterte gestern mit der Erinnerung an die Korruptionsskandale der PP: «Weder er noch seine Partei erscheinen mir besonders geeignet, über Manipulation zu sprechen. Nach allem, was in den letzten Jahren passiert ist, sollten sie etwas mehr Schamgefühl haben.»
Das Ende des Clasico?
Eine Abspaltung würde die Sportnation Spanien vor die Gefahr des Bedeutungsverlustes stellen. Der WM-Titel der Fussball-Nationalelf wäre ohne das starke katalanische Kontingent unvorstellbar gewesen, und die Liga ohne den Antagonismus zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona wäre nur die Hälfte wert. Beim amtierenden Champions-League-Sieger vertraut man daher darauf, in jedem Fall in der Primera División weiterspielen zu dürfen. Ligafunktionäre betonten allerdings dass dies sportrechtlich unmöglich sei, sollte sich Katalonien mit eigenen Nationalverbänden organisieren.
Konkreteres vermag momentan niemand vorherzusagen. Für den Sonntag gilt ein knapper Wahlsieg der Separatisten als wahrscheinlich, doch angesichts der Verfassungslage – ein Austritt aus dem Königreich ist juristisch nicht möglich – würde auch dieser kaum Gewissheiten bringen. Wahlkämpfer Guardiola ist trotzdem überzeugt: «Früher oder später wird die Unabhängigkeit kommen.»