André Breitenreiter: Einst Matthäus getunnelt, heute Trainer des Bundesliga-Spitzenreiters

Am Dienstag kommt es zum Spiel zwischen dem Ersten der Tabelle gegen den Vierten: Der SC Paderborn reist zum FC Bayern München. Und für einmal sind die Bayern nicht ganz oben. Hinter der Erfolgsgeschichte des Aufsteigers steckt ein Mann: André Breitenreiter. Der Trainer hat gute Erinnerungen an München.

Andre Breitenreiter, coach of German first division Bundesliga soccer club SC Paderborn, waits for the start of their first-ever match in the Bundesliga against FSV Mainz 05 in Paderborn August 24, 2014. Paderborn finished last year's second division seas (Bild: Reuters/KAI PFAFFENBACH)

Am Dienstag kommt es zum Spiel zwischen dem Ersten der Tabelle gegen den Vierten: Der SC Paderborn reist zum FC Bayern München. Und für einmal sind die Bayern nicht ganz oben. Hinter der Erfolgsgeschichte des Aufsteigers steckt ein Mann: André Breitenreiter. Der Trainer hat gute Erinnerungen an München.

An den FC Bayern München hat André Breitenreiter beste Erinnerungen. Vor rund zwanzig Jahren schoss der damals zwanzig Jahre alte Stürmer des Hamburger SV im Olympiastadion vor 60’000 Zuschauern sein erstes Bundesligator zum 1:0 für den HSV. Lothar Matthäus erzielte ein paar Minuten vor dem Abpfiff per Foulelfmeter den Treffer zum 1:1-Endstand.

«Matthäus getunnelt, lange Ecke gegen Kahn», erinnert sich der Trainer des Bundesliga-Aufsteigers SC Paderborn an eines der Highlights seiner Aktivenkarriere mit den Erstligastationen Hamburg, Wolfsburg und Unterhaching.

«Ich habe immer gerne gegen Bayern gespielt und war dabei immer besonders motiviert», hat Breitenreiter vor Saisonbeginn gesagt. Das gilt auch an diesem Dienstag, wenn der Vierzigjährige wieder mal in München vorbeischaut – als Trainer des Bundesliga-Tabellenführers SC Paderborn.

Die binnen vier Spielen zum «Sensationsaufsteiger» avancierten Ostwestfalen müssen in der Allianz-Arena ihren bisher schwersten Härtetest bestehen: gegen den punktgleichen Meister Bayern, der aber wegen der schlechteren Tordifferenz derzeit nur Vierter ist, drei Plätze hinter dem Klub mit dem kleinsten Stadion (für 15’000 Zuschauer) und dem kleinsten Etat (15 Millionen Euro) der Liga.

Das 83-Meter-Tor als Warnung

Für Breitenreiter ist es die bisher aufregendste Dienstreise einer Saison, in der die längst nicht mehr über die Schulter angesehenen Paderborner noch kein Bundesligaspiel verloren und alle Welt mit ihrem couragierten Fussball verblüfft haben. Das Stadion kennt Breitenreiter ja schon vom Zweitligagastspiel des Sportclubs in der vorigen Saison, doch diesmal wohnt ihm ein noch grösserer Zauber inne, «wenn die Arena rot leuchtet und ausverkauft ist».

Das ist sie natürlich bei diesem Topspiel des fünften Bundesliga-Spieltags, in dem die Paderborner «nicht nur zum Trikottauschen» da sein wollen, wie Breitenreiter sagt. «Auch in München wollen wir Vollgas geben», hebt der Trainer, ohne dabei angeberisch zu wirken, hervor.


Breitenreiters Spieler, die engsten Verbündeten ihres Chefs, haben ein Erfolgserlebnis hinter sich, den 2:0-Heimsieg über Hannover 96, gekrönt durch das 83-Meter-Tor für die Bundesliga-Rekordstatistik von Moritz Stoppelkamp, der wie sein Trainer München gut kennt als ehemaliger «Löwen»-Profi.

Gleichwohl tritt Breitenreiter mit seiner Elf aus elf deutschen Spielern erstmals nach der Devise an, die der Trainer zum Leitmotiv vor der Saison gemacht hat. «Wir sind der krasseste Aussenseiter aller Zeiten», sagte der aus Hannover stammende Niedersachse immer wieder und redete seine Paderborner damit bewusst kleiner, als sie sich selber von vornherein einschätzten.

Da dieser Trainer ein selbstbewusster Mann ist und sich mit seiner festen Stimme und unbeirrten Überzeugungskraft auf Anhieb den Respekt erwarb, den er in Paderborn und der zweiten Liga Woche für Woche ausbaute, fällt es ihm auch nicht schwer, in der Bundesliga auch in seiner Zweitkarriere umstandslos Tritt zu fassen. Schliesslich scheint dieser André Breitenreiter alles, was er anpackt, ruckzuck hinzubekommen.

Er, der in der vorigen Saison vom Regionalligaverein TSV Havelse nach Paderborn kam und sich dort auf seiner ersten Trainerstation im Profifussball sogleich mit einem No-Name-Team in die erste Liga katapultierte, ist ein Fortschrittsbeschleuniger wie nur wenige Kollegen in seiner Szene.

Per kollektivem Lernprozess die individuelle Handlungsvollmacht stärken, das ist Breitenreiters Stil.

Dabei ist Breitenreiter seinem Selbstverständnis gemäss vollkommen bodenständig geblieben. Er nennt die Dinge beim richtigen Namen und will deshalb auch nichts vom «Wunder» Paderborn wissen, wenn er die Momentaufnahme Platz eins in der Bundesliga oder die Erfolgsgeschichte vom Aufstieg eines Klubs erzählen soll, der in Ostwestfalen zuvor stets im Schatten des traditionsreichen DSC Arminia Bielefeld stand.

«Wir haben im vergangenen Jahr viele Spieler viel besser gemacht», sagt Breitenreiter über die qualitative Klasse seines Kaders, «wir glauben an die eigenen Stärken und die Spielintelligenz dieser Mannschaft. Die Spieler wissen, wie sie in verschiedenen Systemen zu agieren haben.» Per kollektivem Lernprozess die individuelle Handlungsvollmacht stärken, das ist Breitenreiters Stil, orientiert mal am Balleroberungsfussball der Dortmunder Art, mal am Ballbesitzfussball der Münchner Schule.

Acht Punkte, die Paderborn niemand nehmen kann

Dass das Ganze auf gerade mal einem Trainingsplatz im Herzen der kleinen Grossstadt Paderborn eingeübt worden ist, hat die erstklassige Ausbildung der Breitenreiter-Schüler nicht beeinträchtigt. Es sind, wie der Trainer, grossenteils Profis, deren Talent anderswo übersehen wurde oder nicht zur Blüte reifen konnte.

Dass seine Mannschaft trotzdem noch weit entfernt ist von den Grossen der Bundesliga, weiss Breitenreiter. «Für uns geht es ausschliesslich um den Klassenerhalt», sagt der Übungsleiter, «wenn auch nur irgendwo ein paar Prozentpunkte wegbrechen, werden wir chancenlos sein.»



Andre Breitenreiter, coach of SC Paderborn reacts during their first ever German first division Bundesliga soccer match against FSV Mainz 05 in Paderborn, August 24, 2014. Paderborn finished last year's second division season second and was promoted into

André Breitenreiter will die Tabellensituation gar nicht sehen, viel wichtiger ist dem Coach der Verbleib in der Bundesliga. (Bild: Reuters/KAI PFAFFENBACH)

Die acht Punkte aus vier Spielen, die der Sportclub vor dem ganz besonderen Gipfeltreffen in München eingesammelt hat, hält Breitenreiter für viel wichtiger als die «schöne Momentaufnahme» Tabellenführung. Weil sie dem Sportclub im Kampf gegen den Abstieg niemand mehr wegnehmen kann. Nicht einmal die Bayern.

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