Private Busunternehmen drängen in die Schweiz und wollen den SBB Konkurrenz machen. Dabei haben die SBB selbst Buslinien im Angebot.
Sie fahre alle paar Wochen von Karlsruhe nach Zürich und wieder zurück, sagt die Frau, die am Busterminal Sihlquai in Zürich mit Sohn und Rollkoffer wartet. «Die Fahrt mit dem Zug könnte ich mir nicht so oft leisten.» Der Bus kostet 16 Franken, der Zug inklusive Reservierung 95 Franken. Der Bus braucht etwa vier Stunden, der Zug nur drei. Für die Frau, die regelmässig ihre Schwester in Zürich besucht, ist die Entscheidung klar: Sie nimmt den Bus.
Das Angebot von Flixbus gibt es seit einigen Monaten. Es ist laut einem Abkommen mit der Europäischen Gemeinschaft erlaubt, weil der Bus dabei über die Grenze fährt. Passagiere und Güter dürfen jedoch nicht innerhalb der Schweiz transportiert werden, so schreibt es das Kabotageverbot vor.
Bürgerliche Politiker denken nun darüber nach, das Kabotageverbot aufzuheben, weil es sowieso kaum zu überprüfen ist, wie eine Recherche der TagesWoche zeigte. Die Zürcher SVP-Nationalrätin Natalie Rickli sagt, eine Aufhebung des Kabotageverbots sei aus genau diesem Grund zu prüfen. Es stelle sich ohnehin die Frage, «ob man in einem freien Staat den Leuten vorschreiben kann, mit welchen Verkehrsmitteln und wohin sie reisen dürfen». Rickli kann sich vorstellen, dass ein entsprechender Vorstoss im Nationalrat dank der neuen bürgerlichen Mehrheit Chancen hätte.
Private sollen neue Buslinien anbieten
Für die Liberalisierung des Fernbus-Verkehrs innerhalb der Schweiz gibt es bereits einen hängigen Vorstoss, den der FDP-Nationalrat Philippe Nantermod (Wallis) 2015 einreichte. Nantermod fordert, dass private Busunternehmen neue Linien anbieten dürfen. Der Nationalrat wird demnächst darüber beraten.
Die neuen Buslinien würden meist andere Kunden ansprechen als diejenigen, die die Angebote der SBB nutzten. Nämlich junge Reisende und Touristen, die kein Halbtax haben, erklärt Nantermod. Er selbst habe gerade in Deutschland Ferien gemacht und nur Fernbusse genutzt: «Es hat super funktioniert!»
In Deutschland dürfen private Busunternehmen seit 2013 die Bahn konkurrenzieren. Innerhalb von drei Jahren wuchs daraus ein dichtes Netz an Fernbuslinien von Billiganbietern.
«Fatale Entwicklung»
Für die SP-Nationalrätin Bea Heim (Solothurn) wäre das eine fatale Entwicklung. Eine Liberalisierung sei «unsinnig» und würde «unser einzigartiges Bahnnetz» gefährden, schreibt die Präsidentin des Verbands Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr Schweiz.
Damit gebe es nur noch mehr verstopfte Strassen. «Das Ziel muss sein, das subventionierte Netz der SBB möglichst gut auszulasten, nicht privaten Playern das Feld zu öffnen», sagt Heim. Die günstigen Bus-Tickets würden nicht dem grössten Teil der Passagiere – den Pendlern – zugute kommen, sondern nur wenigen Reisenden.
Heim kriegt Rückendeckung von SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner (Aargau). Er sei grundsätzlich für Liberalisierung. Beim Busverkehr bereite ihm jedoch die Qualität der Fahrer Sorgen. Busfahrer dürften zum Beispiel nicht zu viele Stunden fahren. Hier gelte es, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, damit ausländische Busunternehmen in der Schweiz keine Angebote zu Dumping-Preisen anbieten könnten.
SBB haben selbst Buslinien im Angebot
Beim Kabotageverbot zieht Giezendanner die rote Linie. Dieses gelte es zu schützen. Der SVP-Nationalrat hat dabei auch persönliche Interessen. Denn Giezendanner führt ein Transportunternehmen und müsste bei einem Wegfall des Kabotageverbots mit ausländischer Konkurrenz rechnen.
Für die SBB sei wichtig, «dass für Bahn und Bus gleich lange Spiesse gelten», wenn der Markt liberalisiert werde, sagt SBB-Mediensprecher Olivier Dischoe. Das heisst, dass zum Beispiel die Arbeitsbedingungen und Haftungsregeln bei Verspätungen gleich geregelt sein müssten.
Ob Bahn oder Bus – diese Frage ist selbst bei den SBB nicht ganz eindeutig zu beantworten. Denn die SBB führen bereits eine Fernbus-Linie in Kooperation mit der Deutschen Bahn (Zürich–München).