Das Bruderholzspital sei unsicher. Darum brauche es einen Neubau, sagte die Regierung. Aus Kostengründen gibt man sich nun aber dennoch mit einer billigeren Lösung zufrieden: mit einer Sanierung. Und von einer möglichen Gefahr ist schon gar keine Rede mehr.
Ein neues Spital auf dem Bruderholz könne sich der Kanton Baselland nicht leisten. Das sagen die Kritiker, allen voran die Baselbieter Grünen, seit Jahren. Immer und immer wieder.
Alle Einwände und Hinweise auf die schlechte Finanzlage waren der Baselbieter Regierung bisher egal. Sie wollte unbedingt ein neues Spital. Ein Prestigeprojekt, hoch erhaben über der Stadt Basel. Ein majestätisches Zeichen der Baselbieter Unabhängigkeit.
Regierung muss aufgeben
Vor vier Jahren wurde das Grossprojekt sogar noch grösser: Die Regierung kündigte damals an, dass sie neben das neue Spital – zusammen mit Basel-Stadt – auch noch ein Zentrum für Akutgeriatrie und Rehabilitation mit der schönen Abkürzung ZAR hinstellen lassen möchte.
Irgendwann musste aber auch der Regierungsrat einsehen, dass diese Megaprojekte fürs Baselbiet viel zu gross und vor allem zu teuer wären. Ende April war es so weit: Kleinlaut teilte der Baselbieter Gesundheitsdirektor Peter Zwick (CVP) den Verzicht auf den Spitalneubau und das ZAR mit. Beides zusammen hätte gemäss neusten Berechnungen gegen eine Milliarde Franken gekostet.
Nach diesem Eingeständnis will in der Direktion Zwick niemand mehr etwas über die weiteren Pläne fürs Bruderholz sagen. Infolge der kürzlich beschlossenen Verselbstständigung der Baselbieter Spitäler sei das nun Sache der neuen Organisation Kantonsspital Baselland (KSBL), sagt Rolf Wirz, Sprecher der Gesundheitsdirektion, dazu nur.
Mit anderen Worten heisst das: Geschäftsführer Heinz Schneider und der KSBL-Verwaltungsrat sollen in wenigen Monaten schaffen, was die Baselbieter Regierung während Jahren nicht fertiggebracht hat – eine vernünftige Spitalplanung. Eine Aufgabe, die zumindest die neuen Verantwortlichen offenbar für nicht allzu schwierig halten. Der Verwaltungsrat will jedenfalls bereits Mitte Jahr seine Strategie präsentieren. Und schon jetzt sagt Schneider, dass das Bruderholzspital saniert werden soll. Dank des Umbaus werde das Haus «längerfristig» betrieben werden können.
Schwerwiegende Mängel
Eine überraschende Aussage. Vor fünf Jahren wurde das Bruderholzspital noch als grosses Sicherheitsproblem hingestellt. Und zwar nicht von irgendeinem unzufriedenen Patienten, sondern von der Baselbieter Regierung, die sich bei ihrer Aussage erst noch auf eine Expertise berief.
«Eine Prüfung der Bauingenieure hat ergeben, dass das bestehende Bettenhochhaus die verschärften Vorschriften nicht mehr einhalten kann», schrieb der Regierungsrat 2007 in seiner Vorlage zum Projektierungskredit für das neue Bruderholzspital.
Und tatsächlich hatte das engagierte Expertenteam ein gravierendes Problem entdeckt: ausgerechnet jenes Haus, das im Notfall möglichst viele Verletzte aufnehmen sollte, ist «nicht erdbebentauglich» – und das in einem der aktivsten Erdbebengebiete im deutschsprachigen Raum. Weitere Erkenntnis der Experten: Bei einer «erdbebensicheren Sanierung» würden «erhebliche Verstärkungsmassnahmen» nötig. Massnahmen, die den Betrieb allzu stark beeinträchtigen und sich auch finanziell nicht lohnen würden.
Ein starkes Argument für einen Neubau. Kein Wunder, stimmte der Landrat dem Projektierungskredit von 27 Millionen Franken trotz einiger Vorbehalte klar zu. Dieses Geld ist spätestens nach Zwicks Verzichtserklärung zu einem erheblichen Teil verloren.
Glaubt man Schneider, hätte man sich die Ausgaben sparen können. Er ist jedenfalls überzeugt, dass ein teurer Neubau gar nicht nötig ist. «Das Bruderholzspital wird nach der Sanierung so sicher wie möglich sein, auch bei einem Erdbeben», sagt Schneider.
Tönt beruhigend; fragt sich nur, warum die Regierung das Gegenteil behauptet hat. Eine Frage, die Zwick gar nicht und Schneider nur ausweichend beantwortet: «Vielleicht hat man sich früh auf den Neubau festgelegt und die Alternative nicht mehr ernsthaft weiterverfolgt», sagt er.
Für die Widersprüchlichkeiten gibt es nur zwei Erklärungen: Entweder versuchte die Regierung das Spital unsicher zu reden, um ihr teures, allzu teures Prestigeprojekt durchzuboxen, anstatt mit Basel eine gemeinsame, grosse und günstige Lösung anzustreben. Oder aber: Die neue Spitalleitung redet das Spital sicher, weil für den eigentlich nötigen Neubau kein Geld vorhanden ist.
Vertrauenserweckend ist keine der beiden Versionen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 04.05.12