Auf der Spur der Propaganda

Der Kampf in der Ukraine ist auch eine Propagandaschlacht. Studenten einer Kiewer Universität nehmen auf dem Portal stopfake.org russische und ukrainische Medien unter die Lupe. Sie entlarven gefälschte Fotos und decken Falschmeldungen auf.

Ukrainische Soldaten verhöhnen Russland mit einer Polonaise um die Botschaft – so würde die russische Propaganda dieses Bild vielleicht kommentieren. In Wirklichkeit schützen diese Truppen die Botschaft vor jungen Demonstranten. (Bild: STRINGER)

Der Kampf in der Ukraine ist auch eine Propagandaschlacht. Studenten einer Kiewer Universität nehmen auf dem Portal stopfake.org russische und ukrainische Medien unter die Lupe. Sie entlarven gefälschte Fotos und decken Falschmeldungen auf.

Die Bilder, die der russische TV-Sender NTW Anfang Mai aus dem ostukrainischen Kramatorsk ausstrahlte, sollten die Welt aufrütteln. Ukrainische Soldaten werfen die Körper getöteter Separatisten von einem Panzer. Daneben steht eine alte Frau und weint um die gefallenen Männer.

«Diese Szenen erschienen uns merkwürdig», sagt Margo Gontar, Mitarbeiterin der Webseite Stopfake.org. Mit ihren Kollegen sucht sie das Video im Internet und findet heraus: Der Film wurde in der Republik Dagestan gedreht und zeigt russische Soldaten, die Leichen von Aufständischen auf den Boden werfen. Die Frau daneben schimpft auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin.

«Guardian» bringt Geschichte über erfundenen Arzt

«Solche Fehlinformationen sind gefährlich, weil sie sich in sozialen Netzwerken blitzschnell verbreiten», sagt Gontar. Stopfake will gefälschte Fotos, manipulierte Videos und Zeitungsenten über den Konflikt in der Ostukraine aufdecken.

Hunderte Falschmeldungen hat Stopfake aufgedeckt, seit die Seite Anfang März von Journalistik-Studenten und -Absolventen der Kiewer Mohyla-Universität gegründet wurde. Rund zehn Rechercheure, Designer und Programmierer arbeiten ehrenamtlich an dem Projekt, das im Mai den «The Bobs»-Award der Deutschen Welle für sozial engagierte Blogger erhalten hat. «Ein paar Stunden, nachdem wir online gingen, hatten wir schon über tausend Zugriffe», sagt Gontar, die hauptberuflich beim ukrainischen Internetsender «Espresso-TV» arbeitet.

Westliche Massenmedien übernehmen im Ukraine-Konflikt oft solche Nachrichten aus dem Internet, ohne sie genau zu überprüfen. Wie die von dem Arzt Igor Rosowski, der angeblich bei den Strassenschlachten und dem Brand des Gewerkschaftshauses in Odessa Anfang Mai Verletzten helfen wollte, aber von ukrainischen Nationalisten gestoppt worden sei. «Die Schlägertruppe hinderte mich daran, einen Verwundeten zu versorgen», schrieb der Mediziner augenscheinlich auf seinem Facebook-Profil auf Deutsch und Englisch.

Der US-Sender NBC und die britische Zeitung «The Guardian» übernahmen die Nachricht. Doch ein Arzt mit dem Namen Rosowski praktiziert in Odessa nicht, die Facebook-Seite war erfunden, das Profilfoto stammte von einem Zahnarzt in Russland.

Ein syrischer Junge in Donzek

An sich sei es leicht, erfundenen Nachrichten auf die Spur zu kommen, erzählt Gontar. «Fotos lassen sich über die Bildersuche bei Google überprüfen, Videos findet man anhand von Stichworten», sagt die 26-Jährige. So habe Stopfake dutzende Bilder gefunden, die aus dem Zusammenhang gerissen von russischen Medien verbreitet worden waren. So stellte der russische TV-Kanal «LifeNews» ein Foto auf Twitter, das angeblich einen verletzten kleinen Jungen nach einer Armee-Attacke in Donezk zeigt. In Wahrheit stammt das Foto aus dem Bürgerkrieg in Syrien.

Der Krieg in der Ostukraine wird nicht nur mit Soldaten ausgetragen, sondern auch mit Informationen. «Jede Kriegspartei will die öffentliche Meinung für sich gewinnen», sagt Gontar. Russlands Propaganda etwa richte sich an die russischsprachigen Ostukrainer, um Angst vor der Regierung in Kiew zu schüren. Einige Medien, wie die Zeitung «Nowaja Gaseta» oder der TV-Kanal «Doschd», berichteten objektiv, «doch auch sie geraten langsam vom Kreml unter Druck», meint Gontar

Als Ente entpuppte sich der TV-Bericht, wonach Russland Krim-Einwohner zum Umzug nach Sibirien zwinge.

Bei Stopfake engagiere sie sich, seit sie die Maidan-Proteste in Kiew erlebte. «Schon damals behaupteten russische Zeitungen, alle Demonstranten seien Faschisten», sagt die ehemalige Journalistik-Studentin. Stopfake, erst als kleiner Blog geplant, wollte mit den Falschmeldungen Schluss machen. Seit dem Erfolg der Webseite gibt Gontar Interviews am laufenden Band, sitzt in Talkshows oder spricht auf internationalen Kongressen, wie kürzlich in London. Eigentlich startete Gontar nach ihrem Uni-Abschluss als Sängerin in einer Band, doch für Musik hat sie kaum noch Zeit. «Der Maidan hat uns alle verändert», sagt sie.

Auch ukrainische Medien nimmt Stopfake unter die Lupe. Als Ente entpuppte sich etwa der Bericht des Fernsehsenders TSN, wonach Russland an die Krim-Einwohner Pässe mit dem Wohnort Magadan in Sibirien ausgebe und Bürger zum Umzug in den fernen Osten Russlands zwinge.

Auch ukrainische Zeitungen und TV-Sender setzen teilweise auf Propaganda statt Sachinformation. Oft übernehmen sie Verlautbarungen des Militärs ungeprüft. Anfang Juni behauptete die Armee, sie habe an einem Tag mehr als 300 Separatisten getötet. Beweise lieferte sie nicht – trotzdem landete die Meldung in der Ukraine ganz oben in den Schlagzeilen.

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