Auf Rettungsmission für die Basler «Kuchenhütte»

Die Bifertenhütte oberhalb von Brigels ist ein beliebtes Ausflugsziel bei Einheimischen und Touristen, doch sie braucht dringend eine Sanierung. Der Akademische Alpenclub macht sich nun auf zur Rettungsmission für seine «Kuchenhütte».

(Bild: Martin Allan)

Die Bifertenhütte oberhalb von Brigels ist ein beliebtes Ausflugsziel bei Einheimischen und Touristen, doch sie braucht dringend eine Sanierung. Der Akademische Alpenclub macht sich nun auf zur Rettungsmission für seine «Kuchenhütte».

Ab 2000 Metern über Meer fängt in der Schweiz eine Liebesgeschichte an. Auch wenn unsere Lebenswelt oft nur noch wenig mit Bergidyllen zu tun hat, sind die Berge für viele Schweizer eine Herzensangelegenheit. Sie sind Erholungsgebiet, Sehnsuchtsort und ein Stück weit gehören sie wohl auch zur Identität. Hoch über Brigels im Kanton Graubünden droht nun dieser Liebesgeschichte ein Knick.

Der Akademische Alpenclub Basel (AACB) unterhält dort seit 1928 eine Schutzhütte, die Bifertenhütte. Doch die Zukunft der Hütte ist ungewiss: Sie entspricht nicht mehr den gesetzlichen Vorschriften bezüglich Lebensmittelrecht und Brandschutz, worauf die Behörden aufmerksam geworden sind. Nun soll die Hütte saniert werden – auf über 2000 Metern über Meer etwas Schönes zu bauen, kostet allerdings viel Geld, in diesem Fall 605’000 Franken.

Beliebtes Ausflugsziel

Den Weg zur Hütte nehmen viele Bergsportler aus der Region regelmässig unter die Füsse, aber auch Touristen aus der ganzen Schweiz und aus dem Ausland steigen hoch auf. Die Wanderung ist kurz und macht den Ausflug familientauglich, die unterschiedlichen Möglichkeiten von dort aus weiterzuwandern, versprechen trotzdem Abenteuer. So kann man zum Beispiel gut ins Glarnerland nach Linthal oder Elm hinüberwandern und beobachten, wie sich die Natur verändert und zunehmend rauer wird, eine «wahnsinnig schöne Wanderung», sagt Martin Allan, Mitglied des AACB, und spricht aus eigener Erfahrung.

Die Erreichbarkeit und das beeindruckende Bergpanorama, das von der Silvretta bis zum Rheinwaldhorn reicht, hat der Bifertenhütte grossen Erfolg beschert. Die steigende Nachfrage wirft allerdings ihren Schatten auf die Hütte – zum zweiten Mal in der Geschichte.

Ursprünglich wurde die Hütte als Selbstversorgerhütte gebaut. Wanderer konnten dort selbstständig und ohne Aufsicht schlafen, kochen, aufräumen und wieder abreisen. Dieses Konzept war allerdings für die Bifertenhütte irgendwann ausgereizt, wie sich Markus Messerli vom AAC Basel erinnert: «Da die Bifertenhütte durch eine nur dreistündige, ziemlich einfache Wanderung zu erreichen ist, wurde sie von einem breiten Publikum besucht, das es mit dem Aufräumen auch mal nicht so genau nahm.»

Der Schatten des Erfolgs legt sich über die «Kuchenhütte»

Der AACB zog die Konsequenz daraus und setzte auf die heutige Bewartung. «Sie ist auch eine Art Prävention gegen Vandalismus und gewährleistet den langfristigen Erhalt der Berghütte», sagt Messerli. Übernommen hat die Aufgabe Monika Bont. Sie wacht über die Hütte mit ihren 24 Übernachtungsplätzen und bietet täglich frisches Essen an. Und Markus Messerli und Martin Allan vom AACB sind sich einig, dass der Schutz vor Vandalismus nicht der einzige Vorteil ist: «Nach einer anstrengenden Wanderung in eine gemütliche Stube zu gelangen und nichts mehr machen zu müssen, ist einfach schön», wissen sie aus eigener Erfahrung. «Und Moni macht das wirklich sehr geschickt, sie weiss einfach, wie sie ihre Gäste verwöhnt!» So spreche man in der Region wegen der täglich frisch zubereiteten Gebäcke nur noch von der «Kuchenhütte».

Nun steht die Hütte aber erneut vor einem Problem: Nebst den Auflagen der Behörden sind auch die Platzverhältnisse zum Problem geworden – auch für die Hüttenwartin. «Monika Bont schläft in einem winzigen Kämmerchen», sagt Messerli, «und die Gäste essen im Zimmer, das am Abend zum Massenlager umfunktioniert wird.» Konfrontiert mit den neuen Herausforderungen, stand der AACB vor der Wahl: die Hütte sich selbst überlassen oder sie absichern und für die Zukunft rüsten.

«Im Moment essen die Gäste im Zimmer, das am Abend zum Massenschlag wird.»


Markus Messerli, AACB

Der Entscheid war bald klar, aber es brauchte einige Überzeugungsarbeit bei den Mitgliedern des AACB. Denn die Interessen des Clubs stehen beim Umbau nicht im Vordergrund: Die vom AACB organisierten Bergtouren finden nicht nur zu den eigenen Hütten, sondern gesamtschweizerisch statt (dazu mehr auch in der Infobox). In allen Hütten des Schweizerischen Alpenclubs (SAC) geniessen die AACB Gegenrecht und umgekehrt, das heisst, alle profitieren von denselben Preisvergünstigungen.

Der Akademische Alpenclub Basel (AACB) versteht sich als zwangloser Wanderclub, der mehrmals monatlich Bergtouren ohne Bergführer organisiert. «Jemand schlägt auf unserer Internetplattform eine Tour vor, und andere können sich anschliessen. Dabei gibt es keinen Anführer, es ist ein Nebeneinander», sagt Mitglied Martin Allan. Die Mitglieder suche der AACB zwar vor allem im universitären Umfeld, trotzdem ist der Club nicht nur Akademikern zugänglich, sondern für alle offen.

Dass der AACB die Verantwortung für die Bifertenhütte übernimmt, hat viel mit der Geschichte des Alpenclubs zu tun, gewissermassen haben die heutigen Clubmitglieder die Hütte von ihren Vorgängern geerbt. «Wir nehmen also auch eine historische Verantwortung wahr», sagt Markus Messerli. Eine Rolle dürfte allerdings auch gespielt haben, dass alle vom Bauprojekt überzeugt sind.

Der Entwurf stammt von Hörler Architekten aus Basel, die ebenfalls Clubmitglieder sind. Die geplante Sanierung würde die Fläche knapp verdoppeln und gleichzeitig den bescheidenen Charakter der Hütte beibehalten. Ein Architekt, der um eine zweite Meinung gebeten wurde, habe den Umgang mit der Hütte «beinahe denkmalpflegerisch» genannt, erzählt Allan.



So soll die Bifertenhütte nach der Sanierung aussehen. Der holzige Teil wird leicht verschoben angebaut. 

So soll die Bifertenhütte nach der Sanierung aussehen. Der holzige Teil wird leicht verschoben angebaut.  (Bild: Hörler Architekten)

Die Schönheit hat allerdings ihren Preis. Mit Beiträgen der Kantone Graubünden und Basel sowie von der Gemeinde Brigels und vielen Privatpersonen hat der AACB bisher zwei Drittel der nötigen 605’000 Franken zusammenbekommen. Bis Ende diesen Jahres soll die Finanzierung abgeschlossen sein, um im Frühjahr 2016 mit dem Bau zu starten. Da immer noch eine Menge Geld fehlt, hat der AACB nun auch eine Crowdfunding-Aktion auf der Plattform «Wemakeit» lanciert, mit teils sehr ausgefallenen Belohnungen (sie reichen vom Sackmesser bis zum Baseldeutsch-Kurs).

Die Bifertenhütte ist kein Einzelfall, was das Finanzierungsproblem verschärft

Einfach wird die Finanzierung aber nicht. Gerade in wanderbegeisterten Kreisen sei es nicht nur einfach, private Spender zu finden. Denn die Bifertenhütte ist kein Einzelfall, viele Wanderhütten von anderen Alpenclubs stehen vor ähnlichen Problemen, sagt Messerli: «Auch die zahlreichen Hütten des SAC müssen mittelfristig saniert werden, deren Mitglieder spenden dann bei uns nicht auch noch.» Allan und Messerli sind dennoch zuversichtlich, dass die Finanzierung zustande kommt, wenn sie auch halb scherzhaft von einem «krampfhaften Optimismus» reden.

«Vor allem die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen ist sehr berührend und macht Spass», sagt Allan. Sie erfuhren viel über die Geschichte der Hütte. So war dem AACB bis dahin nicht bekannt, dass die Bifertenhütte auf Rätoromanisch «Camona Durschin» heisst. «Ein neuer Freund aus Brigels hat mein Amateurvideo fürs Crowdfunding auf rätoromanisch übersetzt, es hat jetzt Untertitel», sagt Allan.

 

Messerli weist darauf hin, wie einfach und schön es in der Schweiz ist, die Berge zu besuchen. Dass einen dort dank einem gut erschlossenen Netz von Wanderhütten auch oft ein gemachtes Bett mit warmem Essen erwartet, sei alles andere als selbstverständlich: «Berghütten zu bauen und zu bewarten, ist ein Knochenjob!» Um diese beliebte Art zu wandern in Zukunft zu erhalten, brauche es Zuwendung und manchmal halt eine grössere Investition seitens der Trägervereine.

«Die Möglichkeit, die Bifertenhütte als kleines Puzzlestück im Netzwerk der Berghütten zu erhalten, motiviert mich sehr», sagt Messerli. Und die bisherigen Spenden zeigen, dass viele ein trauriges Kapitel in der Liebesgeschichte der Schweizer zu ihren Bergen verhindern wollen.



Traumlandschaft so weit das Auge reicht.

Traumlandschaft so weit das Auge reicht. (Bild: Martin Allan)

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