Aufbruch in die Gegenwart

Nach internen Richtungsstreitigkeiten setzt die Mission 21 heute stärker auf Entwicklungsarbeit als auf kirchliche Projekte – das lohnt sich auch finanziell.

Nah an der Bevölkerung: Frauenbildung von Mission 21 in Peru. (Bild: ZvG)

Nach internen Richtungsstreitigkeiten setzt die Mission 21 heute stärker auf Entwicklungsarbeit als auf kirchliche Projekte – das lohnt sich auch finanziell.

Zwei Jahrhunderte Missionsarbeit feiert die Basler Mission nächstes Jahr. An der Basler Missionsstrasse dürfte man es als eine Fügung des Schicksals auslegen, dass die unternehmungslustigen Christen ihr Missionsprojekt nicht zwei, drei Jahre früher ins Leben gerufen hatten. Sonst wäre die grosse Feier in eine Zeit gefallen, als das evangelische Hilfswerk in Trümmern lag.

Noch vor wenigen Jahren frassen Millionendefizite die Reserven auf und ein erbittert ausgetragener Führungsstreit lähmte den Betrieb und führte zum Abgang einer Schar von langjährigen Mitarbeitern. Unter dem 2010 geschassten Direktor Martin Breitfeldt verliessen 15 von 70 Mitarbeitern die Mission.

Heute herrscht Aufbruchstimmung in den Räumlichkeiten der Mission 21, die 2001 aus der Basler Mission und anderen Trägervereinen hervorgegangen war. Der finanzielle Turnaround ist geschafft, der Projektdschungel gelichtet, die Leitung auf allen Ebenen ausgetauscht.

Einschneidende Veränderungen

Doch derartig tiefreichende Umwälzungen produzieren Verlierer. Wie lange der Modernisierungskurs der 2012 zur neuen Direktorin ernannten Claudia Bandixen von der teilweise ausgeprägt konservativen Trägerschaft murrend, aber bislang einvernehmlich mitgetragen wird, darüber sorgt man sich an der Missionsstrasse 21, wie es in der Leitung heisst.

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Denn im Zuge der internen Bereinigung wurden zahlreiche Projekte eingestellt. Die Unterstützung eines Partners, der eine evangelistische Schule für Indios betrieb, wurde beendet, weil man keine Kontrolle darüber hatte, was den Indios dabei nähergebracht wurde. Blockbeiträge an Organisationen und Kirchen, mit denen die Basler Mission historisch bedingt viele Jahre zusammengearbeitet hatte, strich Bandixen konsequent. Viele kleinere Projekte mussten weniger, aber grösseren weichen, weil die Geldgeber Wirkung sehen wollten.

Hart traf es vor allem den Bereich Theologische Bildung, nebst klassischen Hilfswerkunterfangen die zweite Haupttätigkeit der Mission 21. Von Indonesien bis Nigeria hatte die Mission angehenden Pfarrern und anderen Kirchenmitarbeitern ihre Sicht des Neuen Testaments und der Seelsorge gelehrt. Heute finden sich in der langen Projektliste kaum mehr derartige Finanzierungen.

Zewo-Zertifizierung auf gutem Weg

In der neuen Strategie ist von der theologischen Bildung schon gar nichts mehr zu lesen. Die Mission 21 bekämpft die Armut, fördert Frieden und Gerechtigkeit, hilft beim Aufbau der medizinischen Versorgung und bei der Aids-Prävention. Nur am Rande, versteckt unter dem Begriff «Capacity Development», ist von der institutionellen Stärkung der Partnerkirchen die Rede, was in der Praxis vorwiegend über Austauschprogramme geschieht.

Für die Mission 21 lohnt sich das Abstreifen des evangelischen Images. Seit Kurzem sind Spenden an das Werk steuerbefreit, nachdem zunächst nur Zuwendungen für typische Entwicklungshilfeprojekte in den Genuss dieses Privilegs kamen. Auch die für Spendensammler so wichtige Zewo-Zertifizierung ist auf gutem Weg. Das Gesuch ist eingereicht, die Chancen sollen gut stehen. Bis 2010 ging man intern davon aus, dass es aussichtslos sei, sich darum zu bemühen – wegen des teilweise stark christlichen Charakters der Tätigkeiten.

Viel Aufklärungsarbeit nötig

«Ein Missverständnis», glaubt Peter Felber, Geschäftsleitungsmitglied der Mission 21. Man habe den Basler Steuerbehörden erklären können, dass auch die theologische Bildung eine Art von Entwicklungshilfe darstelle. «Wir wollen, dass die angehenden Pfarrer unserer Partnerkirchen in Afrika, Lateinamerika und Süostasien eine solide, vor allem aber moderate Ausbildung erhalten.» Evangelikale aus dem erzkonservativen Bible Belt in den USA würden nur darauf warten, in die Bresche zu springen.

Dass viel Aufklärungsarbeit nötig ist, zeigt die presbyterianische Partnerkirche PCG in Ghana. PCG hat im Land sogenannte Therapiezentren eröffnet, um «Homosexuelle zu heilen». In einer Aufforderung an die Regierung verlangte die Kirche, eine klare offizielle Position, um die «Verbreitung von Homosexualität in der Gesellschaft einzudämmen». Felber sagt dazu, man befinde sich im ständigen Austausch, doch die Mission 21 könne und wolle niemandem seine Position aufzwingen, sondern müsse den Dialog pflegen.

Im Visier der Terrormiliz

Die nigerianische Partnerkirche EYN (Ekklesiyar Yan‘uwa a Nigeria), die im terrorgeplagten Nordosten des Landes tätig ist, rühmt sich grosser Erfolge bei der Evangelisierung der Bevölkerung, also beim Missionieren. Es sei gelungen, eine grosse Zahl neuer Kirchen in den nördlichen Regionen zu errichten. In jenen Landstrichen, wo regelmässig Kirchen und Moscheen brennen, vor allem aber die islamistische Terrormiliz Boko Haram wütet. Auch jene Schülerinnen, die von Boko Haram entführt wurden und deren Verschleppung weltweit Empörung auslöste, besuchten eine Bibelschule der EYN.

Felber betont, dass die Aktivitäten der Mission 21 in Nigeria friedensbildend seien und den Ärmsten aller Konfessionen zugute kämen. Da die Trennlinien zwischen den Religionen jenen der Ethnien entsprechen, würde die Evangelisierung jener Bevölkerungsgruppen den Konflikt nicht weiter anheizen.

Fragiles Gleichgewicht

Das Geschäftsmodell der Mission 21, ihr Alleinstellungsmerkmal im weiten Feld der Hilfswerke, ist die Arbeit mittels der oft historisch angebundenen Partnerkirchen vor Ort. Auch wenn die Mission 21 selber nirgends missioniert, tun das mehrere Partner intensiv. Bislang gelang es den Baslern, das aus Schweizer Sicht zweifelhafte Tun der Partner von sich fernzuhalten. Doch Risiken bleiben. Ein Imageschaden, das weiss man an der Missionsstrasse, könnte das fragile Gleichgewicht, das in den letzten Jahren erarbeitet wurde, rasch zerstören.

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