Für den bequemen Weg per Post ist es heute zu spät. Aber noch kann man oldfashioned direkt an der Urne abstimmen gehen. Eine Übersicht über die kantonalen und nationalen Abstimmungen vom Wochenende.
National: Die Abschaffung der Wehrpflicht
Darum geht es
Die Initiative will die Militärdienstpflicht für Männer aufheben. Die Armee soll sich aus Männern und Frauen zusammensetzen, die ihren Militärdienst freiwillig leisten. Der Zivildienst soll ebenfalls freiwillig werden. Initiiert wurde die Volksabstimmung von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA). Unterstützung erhält die GSoA von SP und Grünen, bekämpft wird die Vorlage von sämtlichen bürgerlichen Parteien.
Argumente dafür
Für die GSoA ist die Wehrpflicht ist ein sinnloser militärischer Zwang, der die Freiheit junger Männer massiv einschränke. Bei einer Annahme würde die Armee kleiner und günstiger und ausserdem würde das veraltete Rollenbild vom Mann an der Waffe und der Frau am Herd verschwinden.
Argumente dagegen
Für das bürgerliche Gegenkomitee wäre ein Ja zur Abschaffung der Wehrpflicht gleichbedeutend mit einem Ja zur Abschaffung der Armee. «Eine freiwillige Armee ist eine Illusion», sagte Armeechef André Blattmann während des Abstimmungskampfs. Auch andere Betriebe könnten bei einem Ja unter Druck kommen: In den vergangenen Jahren hat sich der Zivildienst zu einer echten Stütze von sozialen Institutionen entwickelt. (los)
Das Epidemiengesetz
Darum geht es
Weil in der Vergangenheit neue übertragbare Krankheiten aufgetaucht (Sars, etc) sind, will der Bundesrat das Epidemiengesetz aus dem Jahr 1970 überarbeiten. Ziel des Gesetzes ist der Schutz des Menschen vor übertragbaren Krankheiten. Die Koordination mit der Weltgesundheitsorganisation WHO wird neu geregelt und die Kompetenzen zwischen dem Bund den Kantonen verschieben sich: Im Fall einer «besonderen» oder «aussergewöhnlicher» Lage, kann der Bund ein Impfobligatorium verordnen.
Argumente dafür
Die Argumentation des Bundesrats und des Parlaments: «Mit dem neuen Gesetz wird die Gesundheit der Menschen in der Schweiz besser vor übertragbaren Krankheiten und Epidemien geschützt. Ansteckende Krankheiten können so frühzeitig erkannt und wirksam bekämpft werden. Zudem lassen sich mit dem neuen Gesetz Massnahmen gegen die zunehmenden Antibiotikaresistenzen ergreifen.»
Argumente dagegen
Die Gegner der Revision befürchten einen staatlich verordneten Impfzwang. Damit würden Freiheitsrechte und die Selbstbestimmung der Menschen verletzt. Zudem seien Massenimpfungs-Programme für die Pharma ein wichtiger Wachstumsfaktor – die Revision gehorche wirtschaftlichen Interessen. (los)
Die Revision des Arbeitsgesetzes
Darum geht es
Tankstellen mit einem 24-Stunden-Shop müssen heute von 1 bis 5 Uhr ein Teil ihres Sortimentes abdecken. Verkauft werden darf nur, was an Ort und Stelle verzehrt werden darf. Im revidierten Arbeitsgesetz wäre diese Regelung aufgehoben worden – dagegen hat ein Komitee aus linken Parteien, kirchlichen Organisationen und Gewerkschaften das Referendum ergriffen.
Argumente dafür
Bürgerliche Parteien argumentieren mit der Absurdität der bisherigen Regelung: Es mache keinen Sinn, in der Nacht eine Cervelat, aber keine Bratwurst kaufen zu dürfen. Für das Personal ändere die Regelung nichts – das sei in der Nacht so oder so vor Ort.
Argumente dagegen
Für die Gewerkschaften geht es mehr als um die Bratwurst: Sie befürchten, dass die Abstimmung über das Arbeitsgesetz nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zur 24-Stunden-Gesellschaft ist. (los)
Baselland: Die Sanierung der Pensionskasse
Darum geht es
In der Baselbieter Pensionskasse klafft ein «Loch», um es in den Worten des Finanzdirektors Anton Lauber (CVP) zu sagen. Dieses soll nun mit mehreren Milliarden Franken aufgefüllt werden. Die Regierung beziffert die Kosten auf 2, 2 Milliarden Franken. Eine Milliarde müsste demnach der Kanton beisteuern, den Rest würden die Gemeinden und die anderen angeschlossenen Arbeitgeber übernehmen.
Argumente dafür
Nach Darstellung der Regierung führt gar kein Weg an der Sanierung vorbei, da das Bundesgesetz neu eine Ausfinanzierung der öffentlichen Pensionskassen verlagt. Hinzu komme, dass der Zeitpunkt für eine Sanierung ideal sei, da das dafür nötige Geld derzeit günstig aufgenommen werden könne. Die Regierung stellt die vorgeschlagene Lösung zudem als «guten Kompromiss» dar, an den auch die Arbeitnehmer einen erheblichen Beitrag leisten, indem sie höhere Beiträge zahlen und ein Jahr länger arbeiten – bis 65.
Argumente dagegen
Die Regierung habe die Kosten für die Finanzierung viel zu optimistisch eingeschätzt. Tatsächlich würden sich diese auf 5 Milliarden belaufen – oder sogar noch mehr. Das könne sich der Kanton und seine Gemeinden nicht leisten, sagen die Gegner, bei denen Politiker aus verschiedenen bürgerlichen Parteien und einige – auch linksgrüne – Gemeindevertreter mit dabei sind. Die einzig grössere Partei, welche die Nein-Parole herausgegeben hat, ist die FDP. Ihr Ziel wäre eine günstigere Lösung, in der vor allem auch die Staatsangestellten weniger gut wegkommen. Das Bundesgesetz biete in dieser Hinsicht einigen Spielraum, sagen die Gegner. (rock)
Basel-Stadt: Wohnen
Darum geht es
In Basel-Stadt nimmt die Wohnbevölkerung seit einiger Zeit wieder zu. Die Wohnungssuche wird schwieriger, zumal es immer weniger leere Wohnungen gibt. Die Initiative «Bezahlbares und sicheres Wohnen für alle!» vom Mieterverband verlangt, dass der Staat günstige Wohnungen baut. Die Initiative möchte in der Verfassung verankern, dass der Kanton Sozialwohnungen bauen muss und Sonderzonen für günstige Wohnungen einrichtet. Zudem will das Volksbegehren verhindern, dass günstiger Wohnraum in Basel abgebrochen wird. Die Basler Regierung und der Grosse Rat reagieren mit einem Gegenvorschlag auf die Initiative. Mit dem so genanten Wohnraumfördergesetz wollen sie unter anderem Genossenschaften fördern. Ausserdem soll die Sozialhilfe benachteiligten Personen günstige Wohnungen anbieten können.
Argumente dafür
Laut dem Mieterverband unternimmt der Kanton nichts gegen steigende Mietzinse und wachsende Wohnungsnot. Für den Mieterverband ist der Gegenvorschlag auch kein Kompromiss, zumal das 45-jährige Abbruchgesetz abgeschaft werde. Die Verfassungsinitiative jedoch schaffe bezahlbare Mietwohnungen und bewahre günstige Altbauten vor dem Abriss.
Argumente dagegen
Die Regierung und der Grosse Rat bezeichnen die von der Initiative verlangten Massnahmen als «erhebliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt». Diese würden das Wohnungsangebot mittelfristig schädigen, auch zum Nachteil des Mittelstandes. Die mehrheitlich privaten Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohnhäusern hätten bei einer Annahme der Initiative deutlich weniger Gründe, in ihre Liegenschaften zu investieren. (ydu)
Daneben gibt es in Basel auch noch die Initiative «Gebührenfreies und faires Mietverfahren für alle!», die in der ganzen Wohndebatte eher weniger stark beachtet wurde. Diese verlangt, dass die Staatliche Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten und die Gerichte in Zukunft keine Gebühren mehr erheben dürfen für Verfahren in Mietstreitigkeiten.
Basel-Stadt: Central Park
Darum geht es
Der Landschaftsarchitekt Donald Jacob hatte vor acht Jahren eine Idee: Ein Park über den Gleisen beim Bahnhof SBB. Über die Jahre fand Jacob immer mehr Befürworter und es gelang ihm, genügend Unterschriften für eine Volksinitiative zu sammeln. Diese gelangt nun vor das Volk. Allerdings wird am Sonntag nicht über den Bau einer solchen Anlage abgestimmt. Der Grosse Rat erhielte bei einer Annahme lediglich den Auftrag «unverzüglich eine entsprechende Vorlage auzuarbeiten.»
Argumente dafür
Das bevölkerungsreichste Quartier Basels wünscht sich schon lange eine bessere Anbindung an den Rest der Stadt. In den Augen vieler Gundelianer sollte diese Querung der Gleise unbedingt oberirdisch geschehen, eine Unterführung, wie es sie bereits einmal gab, will fast niemand. Dennoch gehen die Pläne der SBB genau in diese Richtung, sie arbeiten aktuell an einer Studie, die Möglichkeiten einer unterirdischen Gleisquerung prüft. Es ist unbestritten, dass eine weitere Querung nötig ist, die Passerelle ist heute zu Spitzenzeiten komplett überlastet. Daneben soll mit dem Central Park eine neue Grünfläche mitten in der Stadt geschaffen werden, um das Gebiet rund um den Bahnhof aufzuwerten und durch ein neues Naherholungsgebiet zu ergänzen.
Argumente dagegen
In den Augen der Gegnerschaft, sowohl der Grosse Rat als auch die Regierung empfehlen die Initiative zur Ablehnung, ist das Projekt nicht realisierbar. Zu viele bauliche Hindernisse und Anforderungen würden das Projekt zu teuer werden lassen. Architekten befürchten zudem, dass kein belebter Park, sondern ein künstlicher «begrünter Betondeckel» entstehen würde. Ganz zu schweigen davon, dass der Grund den SBB gehört. Als Eigentümerin haben sie das letzte Wort. Vertreter der SBB haben klargestellt, dass sie kein Interesse an einer solchen oberirdischen Querung haben, da diese die Weiterentwicklung des Bahnhofes empfindlich einschränken, oder gar verungmöglichen würde. (mop)
All unsere bisherigen Artikel zu den Abstimmungen vom Sonntag sind im Dossier zum Thema zu finden.