Aus der Höhle ans Licht

Stabübergabe in Chinas KP: Auf Hu Jintao folgt Xi Jinping. Im Westen weitgehend unbekannt, wird der künftige Staatspräsident von der Partei seit Langem als starker Mann aufgebaut.

Das neue Gesicht an der Spitze Chinas: Der künftige Staatspräsident Xi Jinping wird von einem Maler in Guangzhou porträtiert. (Bild: Reuters/Tyrone Siu)

Stabübergabe in Chinas KP: Auf Hu Jintao folgt Xi Jinping. Im Westen weitgehend unbekannt, wird der künftige Staatspräsident von der Partei seit Langem als starker Mann aufgebaut.

Sein Leben ist bereits ein Mythos. Und seit Jahren wird eifrig an diesem gebastelt. Xi Jinping ist Chinas neuer starker Mann. Mit dem 18. Parteitag der kommunistischen Führung des Landes hat er das Amt des Generalsekretärs übernommen, im März soll er dem 69-jährigen Hu Jintao in das Amt des Staatspräsidenten nachfolgen.

Als sein Name vor einigen Jahren das erste Mal aufkam, galt Xi als unbeschriebenes Blatt. Inzwischen hat sich das auf den ersten Blick geändert. Auf den zweiten Blick wirft die Biografie mehr Fragen auf, als sie Antworten liefert. Die Partei will das so.

Xis Karriere beginnt mit einem tiefen Sturz – aus Pekings Palästen hinein in eine Höhle, wie er es später nennt. Mit 15 Jahren wird der Prinzling, der Sohn des Revolutionärs Xi Zhongxun, zur Feldarbeit aufs Land geschickt, nachdem sein Vater beim Mao-Regime in Ungnade gefallen ist. Im Rückblick wird Xi Jinping sagen, dass er «mehr Bitterkeit gegessen habe» als viele andere Menschen. Aber natürlich hat das seine Loyalität zur grössten Massenpartei nur gestärkt.

Grosse Reformen sind kaum zu erwarten

Es ist eine Geschichte, die zu schön klingt – nicht zuletzt in einer Zeit, in der das Misstrauen gegenüber der politischen Kaste immer grösser wird und ein Korruptionsskandal den nächsten jagt. Was politisch wirklich von Xi zu halten ist, bleibt vage.

Mehr Wachstum, mehr Militär war im Kern die Losung seines Vorgängers und Co-Mentors Hu Jintao bei der Eröffnung des 18. Parteitags. Ein erster Hinweis darauf, dass der gutmütig wirkende Xi kaum die von vielen erhofften grossen Reformen anschieben, sondern am vorgezeichneten Kurs festhalten wird. Zumal der Zögling von Ex-Präsident Jiang Zemin ohnehin nicht am mächtigen Ständigen Ausschuss des Politbüros vorbeikommt. Und in diesem geben die Konservativen den Ton an.

Seine Zeit auf dem Land endet für Xi mit dem Eintritt in die Partei. Er wird Parteisekretär seiner Produktionskommune. 1975 kehrt er nach Peking zurück und studiert an der renommierten Tsinghua-Universität. Später arbeitet er in einem Büro der Zentralen Militärkommission. Damals soll er seine guten Beziehungen zur Armee aufgebaut haben.

Zensur und Heldentaten

1986 lernt er seine spätere Frau kennen – Peng Liyuan. Die Folklore trällernde Soldatin ist bereits ein Star, er Vize-Bürgermeister in der Provinzhauptstadt Xiamen. Beide werden später erzählen, wie skeptisch ihre Eltern gegenüber dieser Verbindung waren, da sie alle Genossen für korrupt hielten. Dass ihre Tochter schon ein Jahr vor der Begegnung mit Xi in die Partei eingetreten war, bleibt unerwähnt.

Als Provinzchef in Fujian und in Zhejiang macht sich Xi in den kommenden Jahren mit wirtschaftsfreundlicher Politik einen Namen. Demokratie-Aktivisten lässt er verhaften. Nach Angaben der Hongkonger Menschenrechtsorganisation Dui Hua werden während seiner Zeit als Parteichef in Zhejiang mehr Demokratie-Anhänger ins Gefängnis geworfen als irgendwo sonst in der Volksrepublik. Das Regime schweigt dazu.

Die Propaganda-Maschinerie arbeitet seit Jahren auf Hochtouren, um Chinas künftigen starken Mann aufzubauen. Als der heute 59-Jährige vor einiger Zeit bei einem Besuch in Mexiko Kritik an Chinas Politik als Mäkelei von «ein paar satt gegessenen Ausländern» abtat, schritten die Zensoren ein. Spin-Doctors streuten kleine Heldentaten über Xi.

So soll er in Liangjiahe für die Installation einer Biogas-Anlage gesorgt haben. Funktionieren tut diese der indischen Zeitung «The Hindu» zufolge inzwischen nicht mehr. Besuche im Dorf sind demnach untersagt. So berichtet der Autor Ananth Krishnan, wie Mitarbeiter lokaler Behörden ihn vertrieben haben, als er versuchte, Dorfbewohner zu Xi zu befragen. «Ohne Erlaubnis dürfen Sie Liangjiahe nicht besuchen», zitiert er die Sicherheitskräfte. «Dies ist ein spezielles Dorf.» In Liangjiahe beginnt die Geschichte von Xi Jinping. Fragen zu ihr sind unerwünscht.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.11.12

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