Basel müht sich ab, Bern blockt

Bei der Präsentation des ersten Tätigkeitsberichts des kantonalen Kontrollorgans über den Basler Staatsschutz wurde deutlich: Trotz der Basler Pionierarbeit ist die Schweiz noch weit entfernt von einer sauberen, geregelten Aufsicht über ihre Geheimdienste.

Damals, in den 90er-Jahren, interessierte sich noch eine breite Bevölkerung für die Staatsschutz-Problematik. Heute, und auch nach dem Basler Skandal von 2008, scheint das Thema den meisten egal. (Bild: Keystone)

Bei der Präsentation des ersten Tätigkeitsberichts des kantonalen Kontrollorgans über den Basler Staatsschutz wurde deutlich: Trotz der Basler Pionierarbeit ist die Schweiz noch weit entfernt von einer sauberen, geregelten Aufsicht über ihre Geheimdienste.

Es braucht einen Skandal, damit in der Schweiz etwas geschieht. Und manchmal reicht auch das nicht. Als 2008 mehrere türkischstämmige Grossräte unrechtmässig durch den Basler Staatsschutz fichiert wurden, blickte die interessierte (und vornehmlich Basler) Öffentlichkeit in Abgründe, die seit der Fichenaffäre der 90er-Jahre zwar vergessen – aber augenscheinlich nicht verschwunden waren.

Es war das Verdienst des sonst oft geschmähten Basler Sicherheitsdirektors Hanspeter Gass, die kantonale Aufsicht über den Staatsschutz nach dem Skandal neu zu regeln. Von Beginn weg hatte er dabei mit dem Widerstand des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) zu kämpfen, der sich gegen jegliche Kontrolle über die in seinem Auftrag erhobenen Daten sperrte.

Kompromisslösung

Im Oktober 2010 präsentierte Gass seine Kompromisslösung. Ein kantonales Kontrollorgan, bestehend aus der Basler Ständerätin Anita Fetz und den beiden Rechtsprofessoren Markus Schefer und Heinrich Koller, sollte fortan die Arbeit der «Fachgruppe 9» des kantonalen Staatsschutzes, überwachen. Die Kontrollinstanz agiert allerdings in streng reglementierten Bahnen. Die Kommission ist nicht weisungsberechtigt (das bleibt Hanspeter Gass) und darf nur Daten mit Bewilligung des NDB einsehen.

Trotz dieser Einschränkungen zogen die drei Staatsschutz-Überwacher bei der Präsentation ihres ersten Tätigkeitsberichtes am Montag im Spiegelhof eine positive Bilanz. «Nach anfänglichen Schwierigkeiten haben wir mit dem Nachrichtendienst sehr unbürokratisch und kooperativ zusammenarbeiten können», sagte Ständerätin Fetz. Keines ihrer Gesuche auf Einsichtnahme sei abgelehnt worden und der formelle Akt der Gesuchs-Bewilligung auf ein Minimum beschränkt gewesen. Die Etablierung einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit den nationalen Staatsschützern bildete dabei den grössten Teil der bisherigen Arbeit des Kontrollorgans. Heinrich Koller «Wir mussten zuerst Vertrauen schaffen.»

Sechs Fälle kontrolliert, zwei Probleme gefunden

Entsprechend wenig Zeit blieb danach für konkrete Kontrollen. Insgesamt sechs Vorfälle nahm die Kommission genauer unter die Lupe. Man habe sich dabei auf jene Bereiche mit dem grössten Missbrauchspotenzial konzentriert, sagte Schefer. Darunter fielen drei Demonstrationsbewilligungen und drei nicht näher bezeichnete Aufträge des NDB an die Fachgruppe 9. Das Kontrollorgan stellte dabei zwei kleinere Probleme fest: In einem Fall wurden Daten über eine Demonstrationsbewilligung zu lange aufbewahrt (zehn statt fünf Jahre) und in einem zweiten Fall wurden nicht alle gesetzlich relevanten Informationen der Datenbeschaffung im Journal vermerkt. «In beiden Fällen haben die zuständigen Stellen Besserung versprochen», sagte Schefer.

Nachdem die Zusammenarbeit mit den nationalen Staatsschützern nun gut funktioniert, werden sich Fetz, Schefer und Koller in Zukunft vermehrt um die eigentliche Kontrolltätigkeit kümmern können. Drei Problembereiche sollen im Zentrum stehen:

  • Wie funktioniert der Austausch der FG9 mit Bundesbehörden wie etwa dem Grenzwachtkorps vor Ort?
  • Was geschieht mit den in Basel erhobenen Rohdaten, die nicht per Bericht nach Bern geschickt werden?
  • Ist es tragbar, dass der Vorsteher der Staatsanwaltschaft gleichzeitig auch Vorsteher der in der gleichen Abteilung angesiedelten Fachgruppe 9 ist?

Die nationale Ebene

Wichtiger noch als diese konkreten Fragestellungen ist die politische Entwicklung auf nationaler Ebene. Spätestens im Mai soll ein neues Nachrichtendienst-Gesetz in die Vernehmlassung geschickt werden. Und dort wird, so ist jedenfalls die Hoffnung des Kontrollorgans, ein kantonales Recht auf Einsicht in die nationalen Daten verankert werden. Anita Fetz gab sich zuversichtlich: Sie habe erste positive Signale empfangen, die auf die Etablierung eines echten Einsichtsrechts hindeuten. «Und sonst werden wir uns deutlich in einer Vernehmlassung dazu äussern.»

Nicht alle teilen Fetz‘ Optimismus. Äusserungen von VBS-Chef Ueli Maurer, Verantwortlicher für den Schweizer Geheimdienst, lassen eher erwarten, dass ein Einsichtsrecht auch in dieser Revision des Gesetzes fehlt. Eine Tendenz, die auch während der Arbeit des Kontrollorgans sichtbar wurde. Zwar war die Zusammenarbeit betont kooperativ, gleichzeitig wurde aber ein Gesuch der Dreier-Gruppe auf ein permanentes Einsichtsrecht abgelehnt. Es seien immer die beiden gleichen Argumente, sagte Markus Schefer. Als kantonale Kontrollgruppe erkenne man erstens aus einer Froschperspektive heraus nicht die Relevanz eines gesamten Datenbestands und zweitens würden immer auch Sicherheitsbedenken angeführt. «Ich halte beide Argumente nicht für stichhaltig. Es spielt keine Rolle für die Einsicht in die Daten, ob wir die Relevanz erkennen. Und Sicherheitsbedenken hat man nur, wenn man dem Aufsichtsorgan nicht vertraue», sagte Schefer. Und Heinrich Koller ergänzte: «Wir müssen mit unserer Arbeit nun beweisen, dass das Vertrauen gerechtfertigt ist.»

Wenig Unterstützung

Sollte im neuen Nachrichtendienst-Gesetz kein Einsichtsrecht vorgesehen sein, will Hanspeter Gass das Thema an der Kantonalen Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) noch einmal mit Nachdruck präsentieren. Ob dieses Vorhaben von Erfolg gekrönt sein wird, ist ziemlich offen. Zwar haben die grossen Kantone Bern und Zürich ebenfalls Interesse an einem kantonalen Aufsichtsorgan bekundet, der restlichen Schweiz scheint das Thema allerdings ziemlich egal. Die Aussichten sind darum klar: Sollte der Bund von sich aus ein kantonales Einsichtsrecht im Gesetz vorsehen, wird es durchkommen. Sollte es fehlen. Dann, naja, dann bräuchte es mindestens noch ein bis zwei Skandale in unseren kleinen Kantonen, bevor sich in der gesamten Schweiz eine wirksame Aufsicht über den Staatsschutz etablieren kann.  

Quellen

Nominierung für den Bigbrother-Award nach dem Basler Fichenskandal

Medienmitteilung des Berner Grossen Rats

Medienmitteilung von Privatim zur Situation in Zürich

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