Der Schweizerische Bauernverband will anerkannte Flüchtlinge in der Landwirtschaft beschäftigen. Ein Baselbieter Landwirt zeigt seit 20 Jahren, wie das geht.
Die Journalisten umzingeln Ali Abdirisaq. Dieser gibt in brüchigem Deutsch Auskunft. Aus Somalia sei er und froh, dass er hier arbeiten dürfe, sagt er. Dann übernehmen die Herren in Anzug und Krawatte wieder. Der Staatsdirektor für Migration, Mario Gattiker, erklärte an der Pressekonferenz am Mittwoch in Füllinsdorf, weshalb Flüchtlinge in der Landwirtschaft arbeiten sollten.
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) will gemeinsam mit dem Schweizerischen Bauernverband ein Pilotprojekt starten, das die Integration von Flüchtlingen in Landwirtschaftsbetriebe fördert. Die Flüchtlinge würden so in ihrer Eigenständigkeit gestärkt, die Wirtschaft profitiere von zusätzlichen Arbeitskräften und die Sozialwerke würden entlastet – laut Gattiker eine «Win-Win-Situation».
«Es braucht Verständnis für andere Kulturen»
Was der Bauernverband testet, praktiziert der Baselbieter Landwirt Andreas Eschbach bereits seit über 20 Jahren. Sein Gemüsehof dient deswegen als Vorbild für das Pilotprojekt.
«Es ist ein geringer Zusatzaufwand, den wir für die Anstellung von Flüchtlingen leisten müssen», sagt Eschbach. Er muss jeweils beim Arbeitsamt abklären, ob die Personen bei ihm arbeiten dürfen. Ausserdem brauche es «Verständnis für andere Kulturen und den Willen zur Integration». Ansonsten sei der Aufwand ähnlich wie bei einem Mitarbeiter aus Portugal oder Polen.
Andreas Eschbach führt einen Gemüsehof in Füllinsdorf. Unter anderem baut er Kresse an. (Bild: Hans-Jörg Walter)
Nur: Arbeiter mit Flüchtlingsstatus halten sich bereits in der Schweiz auf, Arbeitskräfte aus EU-Ländern müssen die Landwirte erst anwerben. Die Idee hinter dem Projekt sei, die inländischen Arbeitskräfte zu nutzen, erklärt Gattiker vom SEM. Es seien rund 22’000 Personen, die den Status als Flüchtling oder als vorläufig Aufgenommene hätten – «ein beachtliches Potenzial, wie ich finde».
Mit zum Hintergrund der Massnahme zählt die Masseneinwanderungsinitiative, die eine Begrenzung der Einwanderung zur Folge haben dürfte. Solange das Arbeitspotenzial im Inland genutzt wird, braucht es weniger Zuwanderer, um die Stellen zu besetzen, so die unmissverständliche Botschaft von Gattiker und dem Bauernverband.
Eine «Riesen-Chance» für Flüchtlinge
«Ich kann so unkompliziert Personal rekrutieren», sagt Eschbach. In der Landwirtschaft schwanke die Nachfrage nach Personal stark, gerade deshalb sei es gut, Flüchtlinge als Arbeitskräfte zu gewinnen. Er sei jedoch nicht darauf aus, nur kurzfristig Personal anzustellen: «Egal, ob jemand aus der Schweiz oder aus Somalia kommt: Einarbeiten muss man jeden.» Daher lohne es sich, langfristig zu denken.
Die betroffenen Arbeiter freuen sich über die «Riesen-Chance», die ihnen Eschbach gibt. Sie bekämen sonst kaum eine Stelle, sagen die Flüchtlinge, die auf dem Füllinsdorfer Hof arbeiten. «Sobald die Arbeitgeber unseren Status kennen, sagen die meisten ab», sagt einer der Arbeiter. Er habe in seinem Heimatland eine Ausbildung im IT-Bereich gemacht, das interessiere hier aber keinen.
«Alle Flüchtlinge wollen arbeiten, es ist nur sehr schwierig eine Stelle, zu finden», erklärt einer der Arbeiter. (Bild: Hans-Jörg Walter)
Bevor sie nichts tun, würden sie lieber auf dem Bauernhof arbeiten, bestätigt ein anderer. «Alle Flüchtlinge wollen arbeiten, es ist nur sehr schwierig eine Stelle zu finden.»
Bereits in den 1980er-Jahren arbeiteten auf Bauernhöfen vereinzelt Personen, die in der Schweiz Asyl beantragten. Damals erhielten Asylbewerber noch eine Arbeitsbewilligung, heute dürfen mit wenigen Ausnahmen nur anerkannte Flüchtlinge oder vorläufig Aufgenomme arbeiten.
Erst zehn Höfe machen mit
Das Thema sorgt für hitzige Diskussionen. Lange sträubten sich rechtskonservative Politiker dagegen, dass Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge integriert werden sollten. Im Januar bekannte sich SVP-Chef Toni Brunner zur Arbeit von Flüchtlingen in der Landwirtschaft. Eine überraschende Wende, hatte die Partei doch über Jahre die Arbeitsintegration erschwert, mit dem Ziel, die Schweiz als Zielland möglichst wenig attraktiv zu machen.
Der Bauernverband und das SEM führen das Pilotprojekt in den nächsten drei Jahren durch. Kostenpunkt: 400’000 Franken. Eine Hälfte zahlt das SEM, die andere der Bauernverband. Bis jetzt sind zehn Bauernhöfe in sieben Kantonen beteiligt. Gattiker sagt, das Projekt könne noch wachsen.